Paradise Garden
![Buchseite und Rezensionen zu 'Paradise Garden' von Elena Fischer](https://m.media-amazon.com/images/I/41C4KqgY7aL._SL500_.jpg)
‚Paradise Garden’ ist der Name eines opulenten Eisbechers im Eiscafé Venezia im Stadtzentrum. Für Erzsébet (Billie genannt) bedeutet dieser Genuss jedoch nur ein sehr seltenes Highlight, denn bei ihrer alleinerziehenden Mutter und ihr ist normalerweise ‚Schmalhans Küchenmeister‘ – ihre Lebensumstände sind sehr bescheiden und Marika, ihre Mutter, versucht mit 2 Jobs die Mini-Familie über die Runden zu bringen.
Beide sind jedoch zufrieden, denn als Nachbarn in dem Wohnblock haben sie Luna und Ahmed, die jederzeit zur Unterstützung der beiden bereit sind und außerdem hat Billie noch Lea, ihre beste Freundin, die jedoch in 5 km Entfernung im privilegierten Wohlstand aufwächst. Die Schilderung des liebevollen Umgangs zwischen Mutter und Tochter, die positive Lebenseinstellung und ihre Fantasie, mit der sie ihr Leben gestalten, ließen mir das Herz aufgehen.
Ein Paradigmenwechsel (und eine Vertreibung ‚aus dem Paradies‘) findet statt, als die Großmutter aus Ungarn wegen ihrer Gesundheitsprobleme mit in die kleine Wohnung zieht: Billie muss aus ihrem Zimmer mit auf die Luftmatratze ihrer Mutter ins Wohnzimmer wechseln, ihre Mutter wird immer gereizter, je mehr Billie sich mit ihrer Oma arrangiert und dann gibt es auch noch den Verrat ihrer Freundin Lea.
Tragisch wird es, als Marika stirbt und es fühlt wahrscheinlich jeder mit Billie und kann auch nachvollziehen, dass sie nur noch weg und ihren Vater suchen will, über den ihre Mutter immer geschwiegen hatte. Da geht die Fantasie der Autorin jedoch etwas mit ihr durch, denn ich kann mir schwer vorstellen, dass eine 14-Jährige allein mit dem Auto so viele Kilometer bewältigt, ohne dass die Polizei auf sie aufmerksam wird. Sei’s drum - die warmherzige Sprache, der letzte Teil und vor allem die sympathische Ich-Erzählerin, die Protagonistin, haben mich wieder ausgesöhnt!
Liegt es daran, dass drei meiner fünf Enkel gerade 14 wurden bzw. demnächst werden, dass mir das Handeln und die Gedankengänge von Billie so vertraut vorkamen? Auf jeden Fall war das Buch ein großes Vergnügen für mich und ich vergebe 5 Sterne! Außerdem hoffe ich, von dieser Autorin nach diesem gelungenen Debüt noch mehr lesen zu dürfen!
Billie ist 14, als sie und ihre alleinerziehende Mutter Marika etwas Geld gewinnen. Davon wollen sie eine kleine Reise unternehmen, so dass Billie zum ersten Mal das Meer sehen kann. Doch alles kommt anders als Billies ungarische Großmutter krank wird, der Trip ins Wasser fällt und sie auf tragische Weise ihre Mutter verliert. So macht Billie sich allein auf die Suche nach ihrem Vater.
Auf Elena Fischers Debüt „Paradise Garden“ bin ich durch die Longlist des Deutschen Buchpreises gestoßen. Es war das erste Buch von der Liste, das mich sofort angesprochen hat. Die Handlung wird aus Billies Sicht in der Ich- und Vergangenheitsform erzählt. Mit solchen Perspektiven habe ich oft Schwierigkeiten, weil Kinder und Teenager wie Erwachsene sprechen bzw. schreiben. Auch hier ist das nicht anders. Billie will zwar Schriftstellerin werden, aber dennoch klangen einige Gedanken und Aussagen von ihr nicht unbedingt authentisch.
Im Zentrum des Romans steht die Beziehung zwischen Billie und ihrer Mutter. Die ist als Teenager aus Ungarn fortgegangen und hat sich in Deutschland ein neues, freies Leben aufgebaut. Diese Freiheit bedeutet jedoch auch, dass Mutter und Tochter jeden Cent umdrehen und auf vieles verzichten müssen. Das fällt Billie umso deutlicher auf, da die Familie ihrer besten Freundin Lea reich ist. Ihren Vater hat sie nie gekannt, die Mutter weigert sich standhaft, seine Identität zu verraten. Nach deren Tod muss Billie außerdem feststellen, dass Marika ihr in vielen Dingen nicht die Wahrheit gesagt hat.
Mit „Paradise Garden“ habe ich zwei große Probleme: 1. Die Handlung ist völlig unplausibel. Hier unternimmt eine 14-Jährige eine wochenlange Flucht in einem Auto und niemand wundert sich, dass da eine Minderjährige unbegleitet am Steuer sitzt. (Von anderen zahlreichen glücklichen Zufällen und Begegnungen nicht zu sprechen.) 2. Die Beziehung zur Mutter wird geradezu verklärt. Ja, sie hat Billie allein großgezogen, dennoch hat sie das Mädchen mit ihrem übergroßen Drang, sich bloß an niemanden zu binden, im Prinzip in die Armut gebracht und ihr die Chance auf einen Vater genommen.
Billie ist vierzehn als ihre Mutter stirbt. Und die Welt danach ist nicht mehr die gleiche wie davor. Alles erscheint kalt und leer. Der Sommer hat seine Farbe verloren. Dabei war alles so schön geplant. Endlich einmal hatten Billie und ihre Mutter Marika Glück. Bei einem Radio-Quiz haben sie gewonnen. Und von dem Geld wollten sie endlich mal in Urlaub fahren. Die Hochhaussiedlung, in der sie wohnen, ist zwar vertraut, aber auch etwas, wodurch sie abgestempelt sind. Doch unerwartet meldet sich Marikas Mutter an. Sie sei krank und die deutschen Ärzte sollten herausfinden, was ihr fehlt.
Auch Jugendliche wollen nicht, dass sich in ihrem Leben etwas ändert. Sie haben mit sich selbst genug zu tun, da wäre es schön, wenn der äußere Rahmen bleibt. Doch Billie ist dieses Glück nicht beschieden. Unerwartet muss sie sich die kleine Zwei-Zimmer-Wohnung nicht nur mit ihrer Mutter sondern auch mit ihrer Großmutter teilen. Von ihrer besten Freundin Lea muss sie eine andere Seite kennenlernen. Und der Tod ihrer Mutter löscht Billies bisheriges Leben aus. Es war ein einfaches und bescheidenes Leben,, dass Billie und Marika führten, aber Marika hatte Phantasie und sie waren glücklich, wenn es auch zum Monatsende manchmal knapp wurde.
Mit diesem Debütroman ist der Schriftstellerin Elena Fischer etwas Besonderes gelungen. Gerade zu Beginn trifft sie den Ton der Jugend hervorragend. Auch wenn man im weiteren Verlauf der Geschichte manchmal etwas erstaunt ist, was Billie alles schafft, ohne aufgehalten zu werden. Der jugendliche Schmelz bleibt jedoch erhalten. Ja, so eine Platte von Miles Davis könnte man auch mal hören. Und man erinnert sich, dass es auch im eigenen Leben Momente des Davor und des Danach gibt. Dann fühlt man mit Billie mit und wünscht ihr ein besseres Los. Zum Glück ist Billie eine, die auch oder gerade in ihrem jungen Jahren ihr Schicksal in die eigenen Hände nimmt. Auf ihrem Weg lernt sie ihre Mutter noch einmal neu kennen. Ihre Großmutter erfährt eine Wandlung, die nicht etwas unerwartet kommt. Doch diesen wunderbaren Roman kann man in sich aufsaugen und man freut sich einfach über die Sätze, die die Autorin so klug aneinander gefügt hat.
Zurecht hat es dieser schöne Roman auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2023 geschafft.
4,5 Sterne
!ein Lesehighlight 2023!
Klappentext:
„Die 14-jährige Billie verbringt die meiste Zeit in ihrer Hochhaussiedlung. Am Monatsende reicht das Geld nur für Nudeln mit Ketchup, doch ihre Mutter Marika bringt mit Fantasie und einem großen Herzen Billies Welt zum Leuchten. Dann reist unerwünscht die Großmutter aus Ungarn an, und Billie verliert viel mehr als nur den bunten Alltag mit ihrer Mutter. Als sie Marika keine Fragen mehr stellen kann, fährt Billie im alten Nissan allein los – sie muss den ihr unbekannten Vater finden und herausbekommen, warum sie so oft vom Meer träumt, obwohl sie noch nie da war.“
Mit „Paradise Garden“ hat Elena Fischer ihr Debüt auf dem Literaturmarkt veröffentlicht und die daraufhin resultierende Nominierung für den Deutschen Buchpreis 2023 war definitiv gerechtfertigt! Drücken wir ihr die Daumen für eine obere Platzierung! Warum ich gleich davon spreche? Ihr Roman rund um die Hauptprotagonistin Billie geht nicht nur ans Herz, sie ist äußerst klug und mit sehr gut durchdachten Zügen niedergeschrieben worden. Billie springt einem nicht nur wegen ihrem jungen Alter gleich ins Leserherz, sie ist einfach ein liebenswerter Mensch der nach den eigene Wurzeln sucht. Die Lebensumstände mit ihrer alleinerziehende Mutter sind keine echten „Umstände“ (zumindest malen sich die beiden das so schön bunt) sondern die eigene Welt der Beiden die nichts und niemand erschüttern kann. Es ist einerseits ein gewisser Schutzpanzer den sich die Beiden aufbauen um die Geldnot etc. weniger in den Fokus rücken zu lassen. Marika macht es ihrer Tochter so schön wie möglich und man kann sie dafür nur bewundern. Ja, man kann auch in schlechten/negativen Situationen einfach versuchen den Sonnenschein darauf scheinen zu lassen…Marikas Tot überschatte dann alles und bringt die Welt der Beiden komplett durcheinander. Als dann auch noch die ungarische Großmutter auftaucht, meint man schon, das Unglück kann eigentlich nicht größer werden. Billies Roadtrip ist so selbstverständlich und so nachvollziehbar, dass man selbst die Tatsache mit dem Alter komplett aussehen vor lässt. Billie muss ihre Welt wieder festigen und das muss die Suche mit ihrem Vater werden/sein. Gesucht und gefunden erleben die beiden eine sonderbare Zeit. Auch hier völlig selbstredend ist es schwierig für Beide eine sofortige Bindung herzustellen. Aber nach gewisser Zeit und einer gehörigen Portion Geduld bekommen sie auch das hin. Ob es für Billie befriedigend ist, müssen Sie selbst erlesen! Die Geschichte hat nicht nur mehr als gut durchdachte Züge und Handlungsstränge, sie brilliert auch mit einer grandiosen Sprache, einem perfekt ausgefeiltem Spannungsbogen und eben Personen, die aus der Realität entstammen. Fischer zeichnet ihr kein überspitzes Bild einer verkappten Familie, sie zeichnet hier eine Lebensgeschichte eines jungen Mädchens welches wir vielleicht hier und da schonmal kennen gelernt haben oder es ähnlich selbst erlebt haben. Fischers Figuren sind bis in den letzten Millimeter mehr als präzise ausgearbeitet. Großmutter kommt als die „böse“ Großmutter daher aber jeder weiß, niemand wird mit Boshaftigkeit geboren! Sie wird ihren Grund haben und demzufolge ihre eigene Geschichte erzählen können genau wie Marika. Billies Mutter hatte es nie leicht und warum zu tief in den alten Wundern bohren wenn doch das Hier und Jetzt am wichtigsten ist. Ihre liebevolle Art ging mir total ans Herz und ihr Abgang noch viel mehr. Billies Vater ist durch die norddeutsche Seeluft rau geworden. Sein sprödes Verhalten kommt von der salzhaltigen Luft die kauzig macht aber auch bei so manchem Sturm auch die liebevollen Seiten aufzeigt. Alles braucht halt Zeit im Leben und Billie gibt sich diese Zeit und nimmt sie behutsam auf um endlich ihre Wurzeln zu entdecken und diese vielleicht lesen zu können.
Fazit: Dieses Buch ist ein absolutes Lesehighlight 2023 und Elena Fischer hat wahrlich einen Knaller hier verfasst. Bestens austariert mit einem großartigem Wortspiel und feinstem Ausdruck sowie den feinen Nuancen zwischen den Zeilen begeisterte mich dieses Buch von der ersten bis zur letzten Seite! 5 Sterne hierfür auch wenn ich gern mehr vergeben würde!
Wenn plötzlich alles anders ist...
Der Roman beginnt mit der Beerdigung von Billies Mutter, so dass direkt deutlich wird, dass hier ein einschneidendes Ereignis stattgefunden hat. Danach wendet sich die Erzählung Rückblenden zu auf das Leben von Billie (eigentlich Erzebét) und ihrer Mutter, das gleichzeitig von Armut und Herzlichkeit geprägt ist. Man erhält einen intensiven Einblick in das Leben in einer Hochhaussiedlung, wobei hier eindeutig die positiven Aspekte überwiegen und zu einigen Nachbarn auch Freundschaften bestehen.
Die enge Blase um Billie und ihre Mutter erhält einen Riss, als die Großmutter aus Ungarn unerwartet anreist und bei ihnen einzieht. Ihre barsche, egotzentrische Art treibt einen Keil in das Familienleben, doch da sie krank ist und eine ärztliche Behandlung benötigt, wird sie geduldet. Doch plötzlich ist Billies Mutter tot, und die 14Jährige steht vor den Scherben ihres bisherigen Lebens. Billie beschließt, sich auf die Suche nach ihrem Vater zu begeben, den die Mutter stets totgeschwiegen hat. Das Mädchen setzt sich kurzerhand ans Steuer des alten Nissan ihrer Mutter und fährt los...
Für einen Roadtrip ist dieser Anteil zu kurz, doch gerade er ist es, der das Geschehen einerseits vorantreibt, andererseits ins etwas Märchenhafte verschiebt. Eine 14Jährige, die tagelang durch Deutschland fährt, im Auto übernachtet, Benzin an der Tankstelle nachfüllt - und niemals auffällt oder angehalten wird? Für mich irgendwie eine zu konstruierte Entwicklung, die mir wie eine Anlehnung an den bekannten Roman "Tschick" erschien. Zudem trifft Billie stets auf wohlwollende, tolerante und hilfsbereite Menschen - etwas, das sicherlich wünschenswert ist, aber einem Realitätscheck wohl kaum standhalten würde.
Ansonsten ist der Roman aber eine warmherzige Comig of Age Erzählung, eine berührende Identitässuche, präsentiert aus der Ich-Perspektive der 14jährigen Billie und damit ganz eng an ihren Gefühlen und Gedanken.
Das Debüt der Autorin ist auf der Longlist des diesjährigen Deutschen Buchpreises gelandet - Chapeau! Man darf gespannt sein auf weitere Werke von Elena Fischer...
© Parden