Selbstbild mit russischem Klavier: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Selbstbild mit russischem Klavier: Roman' von Wolf Wondratschek
4
4 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Selbstbild mit russischem Klavier: Roman"

Gebundenes Buch
"Wolf Wondratscheks Erzählen ist Seelenarchäologie." Michael Kohtes, DIE ZEIT

"Früher begann der Tag mit einer Schusswunde" - mit dieser Sammlung kurzer Prosatexte schrieb Wolf Wondratschek sich in den Status eines Kultautors. Als radikaler, liebender, experimenteller Bohemien verfasste er Verse von lakonischer Eleganz. Sein neuer Roman "Selbstbild mit russischem Klavier" ist eine glühende Hommage an die Musik und die Freiheit der Kunst.

In einem Wiener Kaffeehaus lernt ein Schriftsteller den alten Russen Suvorin kennen. Suvorin war ein erfolgreicher Pianist, doch das ist lange her. Nun steht er am Ende seines Lebens, will seine Geschichte erzählen. Gebannt hört ihm der Schriftsteller zu, denn in Suvorins Schicksal spiegeln sich ein Wille, eine Energie, die ihm vertraut sind. Und immer geht es ums Ganze: um Freiheit und Rebellion, Schönheit und Verfall, um das von der Kunst geschaffene Unvergängliche. Schon bald bekommt die Begegnung der beiden Männer, die zunächst rein zufällig anmutet, etwas Schicksalhaftes. Ein Roman voll schweifender Sehnsucht, Romantik und echtem Leben aus der Feder eines der großen deutschsprachigen Gegenwartsautoren.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:272
EAN:9783550050701

Rezensionen zu "Selbstbild mit russischem Klavier: Roman"

  1. Das Märchen vom Buch, dass unbedingt gelesen werden wollte

    Es war einmal ein Buch. Sein Schöpfer Wolf Wondratschek taufte es auf den Namen „Selbstbild mit russischem Klavier“.

    Auf seiner Reise durch die Welt der Literatur-begeisterten Menschen kam das Buch auch zu einem Nerd mit dem komischen Namen „kingofmusic“. Das Buch machte es sich auf dem Ebook-Reader gemütlich und harrte der Dinge, die da kommen mögen.
    Eines Tages kam die Stunde des Buches und der Leser las die ersten Zeilen, Seiten…Doch so recht wurden das Buch und der Leser keine Freunde – zu unübersichtlich war es geschrieben, keine wörtliche Rede…Der Leser klappte das Buch zu und ließ es liegen.

    Doch mit diesem Schicksal wollte sich das Buch nicht begnügen und bat um eine weitere Chance.

    Da der König sich in der Zwischenzeit auch Gedanken um das Buch gemacht hatte (er hatte sich eigentlich auf selbiges gefreut), gewährte er dem „Selbstbild mit russischem Klavier“ die (verdiente) zweite Chance.

    Und siehe da: der König und das Buch wurden nach und nach Freunde. Das Buch erzählte dem König die Geschichte von einem Schriftsteller, der einen abgehalfterten russischen Starpianisten kennenlernt und ihm gebannt und fasziniert bei der Erzählung seiner Lebensgeschichte zuhört. Die Geschichte des Pianisten ist eine faszinierende Reise durch die Welt der Kunst, der Musik, der Literatur – verpackt in eine definitiv nicht leicht zu lesende Art und Weise (ohne wörtliche Rede, kaum Absätze). Der König musste sich also sehr auf die Lektüre seines neuen Freundes konzentrieren.

    Doch am Ende der Lektüre verneigte sich der König vor dem Buch, dankte ihm für die Beharrlichkeit, mit der es versucht hatte, ihn von sich zu überzeugen und streute die Kunde über die (trotz schwieriger Lesart) poetische und rührende Geschichte in alle Welt – auf dass mehr Menschen einer Geschichte die Chance geben, die zu entdecken sie wahrlich verdient hat.

    Das Buch aber freute sich über den neuen Freund und unterhält sich jetzt mit seinen Kollegen in der Bibliothek des Königs und hofft, eines Tages erneut „entdeckt“ zu werden.

    Ende

  1. 3
    23. Okt 2018 

    Ein Leben voller Musik

    Eine Zufallsbekanntschaft aus einem Wiener Kaffeehaus - das ist Suvorin. Der Russe, früher ein berühmter Pianist, ist heute alt, verarmt und vergessen. Die Jahre seines Erfolges liegen schon lange zurück. Suvorin ist einsam. Seine Frau, die ihn ein Leben lang begleitet hat, ist vor ein paar Jahren gestorben. Suvorin ist krank. Seine Vergangenheit als erfolgreicher Pianist und das damit verbundene exzessive Leben fordern mittlerweile ihren Tribut.
    Suvorin hat Geschichten zu erzählen. Die Geschichte seines außergewöhnlichen Lebens und die Geschichte seiner Musik.
    Diese Geschichten erzählt Suvorin in mehr oder weniger regelmäßigen Treffen mit dem Ich-Erzähler, einem Schriftsteller. Von diesen Treffen und Suvorins Erinnerungen handelt Wolf Wondratscheks Roman "Selbstbild mit russischem Klavier".

    "Da saß ein heimatloser alter Russe, dem so gut wie jedes Vergnügen von den Ärzten verboten worden war, dem sie Gymnastikstunden verschrieben und, in seinen Augen eine noch schlimmere Zumutung, das Schwimmen in einer Badeanstalt empfohlen hatten, und gönnte sich eine Erinnerung an das Leningrad seiner Jugend, an das von Dichter geschaffene Unvergängliche, Verse einer in dunklen Farben schmelzenden Poesie, gefährlich schön und so, wie er sie aufsagte, selbst Musik."

    Ist es anfangs Mitleid, dass den Schriftsteller zuhören lässt, wächst mit der Zeit sein Interesse an Suvorins Leben. Mit steigendem Interesse wächst die Zuneigung für diesen außergewöhnlichen Mann. Und am Ende verbindet die beiden Männer eine Beziehung, die der einer Freundschaft am nächsten kommt.

    Der russische Pianist berichtet von seinen Anfängen in den 60er Jahren, von den Restriktionen und der Kontrolle durch das kommunistische System in der Sowjetunion, von seiner Ehe und natürlich von seiner Musik. Dabei erklärt er seine Leidenschaft für die Musik und welche Bedeutung diese für sein Leben hat. Seine tiefsinnigen Ausführungen zur Musik sind ganz besondere Momente in diesem Roman. Denn sie nehmen fast schon philosophische Ausmaße an. So viel ist klar. Surovin hat keine Musik gemacht, weil ihm der Erfolg viel bedeutete. Stattdessen liegen seine Motive tiefer begründet.

    Äußerlich mag Surovin den Anschein erwecken, dass er ein gebrechlicher alter Mann ist. Aber geistig ist er jung geblieben. Er genießt es, von seinem Leben zu berichten. Einmal angefangen ist er fast nicht mehr zu bremsen. Seine Erinnerungen werden zu Monologen, in denen er sich ungern unterbrechen lässt. Und zwischendurch blitzt immer wieder der Schalk in ihm durch, da er sich genüsslich über seine Zeitgenossen und Erlebnisse mit ihnen lustig macht.

    "Was für eine schöne Sprache das Deutsche sein kann, wenn man es nicht brüllt. Lauschen! Was für ein Wort! Da ist alles drin, die einen Menschen ganz erfüllende Aufmerksamkeit, das Intime, man ist mit dem, was man hört, allein. Wie man Vögeln lauscht, dem Atem eines schlafenden Kindes."

    Wolf Wondratschek schildert das Aufeinandertreffen der beiden Männer in einer sehr poetischen Sprache, die eine sehr melancholische, fast schon traurige Stimmung vermittelt. Das Buch lässt sich jedoch nicht leicht lesen. Wörtliche Rede lässt sich kaum als solche erkennen, da der Autor auf Anführungszeichen verzichtet. Daher ist es schwierig, zwischen den Aussagen von Suvorin und denen des Ich-Erzählers zu unterscheiden. Hier ist beim Lesen 100%ige Aufmerksamkeit gefragt. Lässt die Konzentration für einen Moment nach, läuft man Gefahr, den Faden zu verlieren.
    Surovin hat ein eindrucksvolles Leben geführt, wie seine Erzählungen beweisen. Und dennoch stellen sich für mich mit der Zeit einige Längen in dem Roman ein. Es scheint, ich bin einem Suvorin-Erinnerungs-Overflow erlegen, der meine Aufmerksamkeit am Ende in die Knie gezwungen hat. Schade.

    Fazit:
    Eine großartige Geschichte, die der Autor sehr stimmungsvoll umsetzt. Sein Sprachstil ist eigenwillig. Leider tauchen zum Ende einige Längen auf, so dass ich diesen Roman nur bedingt empfehlen kann.

    © Renie