Malinverno oder Die Bibliothek der verlorenen Geschichten

Buchseite und Rezensionen zu 'Malinverno oder Die Bibliothek der verlorenen Geschichten' von Domenico Dara
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Inhaltsangabe zu "Malinverno oder Die Bibliothek der verlorenen Geschichten"

Format:Broschiert
Seiten:416
EAN:9783462005813

Rezensionen zu "Malinverno oder Die Bibliothek der verlorenen Geschichten"

  1. Für Freunde besonderer Literatur

    REZENSION – Es sind die einfachen, unscheinbaren Menschen in den kleinen kalabrischen Städtchen, die das literarische Universum des italienischen Schriftstellers Domenico Dara (52) abbilden. Spielten die ersten zwei Romane „Der Postbote von Girifalco“ und „Der Zirkus von Girifalco“ noch in seinem dörflichen Geburtsort, verlegte der Autor den Handlungsort seines dritten, im Juli im Verlag Kiepenheuer & Witsch veröffentlichten Romans „Malinverno, oder Die Bibliothek der verlorenen Geschichten“ in das fiktive kalabrische Städtchen Timpamara – einen jener Orte, „an denen der Geist der Literatur in der Atemluft liegt“. Hier leben die Menschen von und mit der Literatur, seitdem hier im 19. Jahrhundert die erste Papierfabrik Kalabriens entstand. In Timpamara benennt man sogar die Kinder nach literarischen Figuren oder Schriftstellern.
    Unzählige Seiten alter Bücher werden täglich bei der Papierpresse aufgewirbelt und fliegen durchs Dorf: "Überall in Timpamara, auf Fensterbrettern und Bänken, auf Kofferräumen und Müllsäcken, ja sogar auf den Hüten der Damen, konnte eine Seite aus einem Roman landen. Wenn sie jemand aufhob, sie las, und wenn sie ihm nicht gefiel, warf er sie nicht weg, sondern legte sie irgendwo ab, im Blumenkasten auf dem Bürgersteig oder, mit einem Stein beschwert, auf einer Stufe, damit jemand anderes sie aufhob..."
    „Malinverno“, betitelt nach Astolfo Malinverno, dem hinkenden Bibliothekar des Ortes, ist eine sehr empathisch geschriebene Geschichte um die Liebe zur Literatur, zur Heimat und zu den dort lebenden Menschen, über deren Leben und Schicksale uns der junge Bibliothekar erzählt. Manches schmückt er auch gern aus: „Die Details habe ich hinzugefügt, denn es war immer schon mein Laster, Geschichten, Wörter und Träume um die Leute herum zu bauen.“ Malinverno ist ein begeisterter Geschichtensammler und Erzähler, also die Idealbesetzung für die Bibliothek.
    Doch eines Tages beauftragt ihn der Bürgermeister, auch noch den Friedhof zu übernehmen, was Malinverno zunächst beunruhigt: „Mit Veränderungen war ich noch nie gut zurechtgekommen, … darum versuchte ich, mich auf die einzige mir bekannte Art abzulenken. Ich holte 'Madame Bovary' aus der Tasche.“ Erst allmählich kann sich der Bibliothekar mit seinem Zweitjob als Friedhofswärter anfreunden: „Mein Hände öffneten die Tür der Bibliothek und das Tor zum Friedhof, sie ordneten die Bände auf den Regalen und die Blumenkränze, schrieben etwas ins Ausleih- und ins Sterberegister. Aber es gab noch einen anderen Grund, der die beiden Welten miteinander verband: Für mich waren und sind diejenigen Bücher vollkommen, die mit dem Tod des Protagonisten enden.“
    Als er ein namen- und datenloses Grab mit dem Foto einer bildschönen Frau entdeckt, verliebt er sich in dieses Bildnis, das ihn an Gustave Flauberts Figur Emma Bovary erinnert. Mysteriös wird es, als eines Tages eine Frau namens Ofelia auf dem Friedhof erscheint, die das genau Abbild dieser Fotografie ist: „Herausgetreten aus der Fotografie und vor meinen Augen Mensch geworden.“ Die Grenzen zwischen Literatur und Wirklichkeit scheinen sich aufzulösen. Als dann noch ein geheimnisvoller Unbekannter auf dem Friedhof erscheint, nimmt Domenico Daras Geschichte nach etwas zu langer Anlaufphase langsam Fahrt auf und auch an Spannung zu: Friedhofswärter Malinverno beginnt, den geheimnisvollen Vorgängen auf den Grund zu gehen.
    „Malinverno“ ist ein poetisch-romantischer Roman, in dem sich der Autor in leichter Sprache und mit Verweisen auf Werke klassischer Literatur mit dem Leben, der Liebe und dem Tod befasst. Seinen Protagonisten Astolfo Malinverno – diese Figur muss man einfach ins Herz schließen – nutzt er geschickt als Medium. „Malinverno, oder Die Bibliothek der verlorenen Geschichten“ ist vor allem für Freunde besonderer Literatur ein empfehlenswertes Buch.