Südfall: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Südfall: Roman' von Florian Knöppler
4.35
4.4 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Südfall: Roman"

Dave überlebt den Abschuss seines Fliegers über dem nordfriesischen Wattenmeer und entgeht nur knapp dem Ertrinken. Der britische Soldat könnte das Kriegsende in einem Versteck abwarten, doch er wagt die Flucht von Husum die Küste entlang nach ­Dänemark. Dabei trifft er auf den jungen, sensiblen Paul, der von sich selbst Härte verlangt, seine Tante Anna, die sich ­entschließt, Dave zu helfen, und ­Cecilie, ein ­schillerndes und doch verschlossenes Mädchen. Auf einem Boot nahe der dänischen Grenze entsteht ein Plan, wie Dave es bis nach England ­schaffen könnte.

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:242
EAN:

Rezensionen zu "Südfall: Roman"

  1. Eindrucksvolle Charakterstudien in bewegten Zeiten

    Florian Knöpplers „Südfall“ nimmt als Ausgangspunkt eine der zahlreichen Legenden, die sich um Diana von Reventlow-Criminil, besser bekannt als die „Hallig-Gräfin“ ranken. Als ein britischer Pilot im Sommer 1944 über dem nordfriesischen Wattenmeer abstürzt, nimmt die wortkarge Gräfin ihn auf, versteckt ihn und weist ihm den weiteren Weg zur Flucht in die Heimat. Von da an ist der Brite auf eine Reihe anderer Menschen angewiesen, die ihn von der einen zur nächsten helfenden Hand weiterreichen.

    Knöpplers Roman ist trotz seiner grundlegenden Bedrohungslage, der am Horizont lauernden Front und der ganz konkreten Gefahr der Entdeckung durch gläubige Nationalsozialisten auf dem Land kein Abenteuerroman. Zwar entfaltet der Roman einen regelrechten Spannungssog, da für den Piloten Dave immer die Furcht davor besteht, gefasst zu werden und er sich gleichzeitig auf wildfremde Menschen verlassen muss, aber der Fokus des Romans liegt nicht auf einem wendungsreichen und atemlosen Plot, sondern vielmehr auf einfühlsamen und empathischen Charakterporträts der Menschen, die Dave auf seiner Flucht nach Norden begegnen. So entsteht ein paradoxerweise eher ruhiger Roman, der sehr viel Konzentration auf Motive, Gedanken und Gefühle, auf Hintergrundgeschichten und Zukunftswünsche legt. Abgesehen von den Rahmenkapiteln, stellt jedes weitere Kapitel jeweils eine Figur mit ihrem persönlichen Blickwinkel in den Mittelpunkt, wählt ihre Perspektive und ihr Leben um den Fortgang der Geschichte zu beschreiben. Knöppler gelingt es ausgezeichnet, seine Figuren detailliert und umfassend zu zeichnen, sie individuell und unterschiedlich authentisch auszugestalten und den Leser mitfühlen zu lassen. Verbunden sind alle Figuren und alle Kapitel durch den Ankerpunkt des Piloten Dave – der Außenseiter wird so zum verbindenden Element dieser unterschiedlichen Menschen, die alle auf ihre Weise zur Flucht beitragen. Auch wenn mir der Roman aufgrund dieser sehr gründlichen Auseinandersetzung mit dem Wesen der Menschen ausgesprochen gut gefallen hat, fehlte mir insgesamt, trotz der unterschwelligen Gefahr, vielleicht doch etwas Dramatik. Dass Florian Knöppler die Innensicht von Figuren exzellent beherrscht, hat er zuletzt schon in „Habichtland“ eindrücklich unter Beweis gestellt, doch was in „Habichtland“ am Ende eine Konstruktionsschraube zu viel war, war in „Südfall“ am Schluss möglicherweise eine zu wenig.

    Insgesamt ist „Südfall“ jedoch ein absolut lohnenswerter Roman für Leser, die schlüssige, überzeugende und glaubhafte Charakterstudien mögen und sich für die weite Natur der Salzwiesen Nordfrieslands begeistern können. Knöppler füllt seinen Roman mit vielen atmosphärischen Beschreibungen des weiten Landes an der Nordsee, räumt der Flora ganz besonders viel Raum ein und schafft so auch ein sehr liebevolles Bild dieses besonderen Landstrichs. „Südfall“ ist Entschleunigung mit subtiler Hintergrundspannung, sehr gut konzipiert und als Bonus auch noch an eine der schillerndsten Frauenfiguren Schleswig-Holsteins gebunden.

  1. Geschichte und Figuren beeindrucken und überzeugen

    „Er hob den Blick, schaute ein paar Seeschwalben hinterher und versuchte an die Zukunft zu denken, daran, wie es jetzt weiterging. Langsam schälten sich ein paar Überlegungen heraus.“ (Zitat Pos. 121)

    Inhalt
    Der Engländer Dave Milton ist Tierarzt, doch in diesem Sommer 1944 ist er als Soldat der Air Force im Einsatz. Sein Flugzeug wird über dem norddeutschen Wattenmeer abgeschossen, er kann mit dem Fallschirm abspringen und überlebt. Eine alte Frau, alle nennen sie die Halliggräfin, findet ihn, und er könnte auf ihrem Anwesen auf der abgelegenen Hallig Südfall das absehbare Ende des Krieges abwarten. Doch er will zurück nach Hause zu seiner Frau Claire, zuerst entlang der Küste immer in Richtung Norden bis nach Dänemark, und von dort aus nach England. Die Halliggräfin kennt jemanden nahe der deutsch-dänischen Grenze, der ihm mit seinem Boot helfen könnte.

    Thema und Genre
    Im Mittelpunkt dieser Geschichte stehen die Menschen, ihr persönliches Schicksal und ihre Entscheidungen, die sie im Zusammenhang mit Dave, Engländer und somit Feind, treffen müssen, helfen oder melden. Es geht um Mut, Vertrauen, Gefühle und zwischenmenschliche Beziehungen in allen Facetten.

    Charaktere
    Dave könnte sich auf Südfall verstecken, dort in Sicherheit das Kriegsende abwarten. Doch er kann nicht untätig abwarten, er hat keine Geduld, er muss handeln und es zumindest versuchen. Es sind die unterschiedlichen Figuren, die den besonderen Sog dieses Romans ausmachen, ihre persönliche Situation, ihre Probleme und Konflikte, und genau daraus ergeben sich auch die unterschiedlichen Gründe, warum sie Dave auf seiner Flucht helfen.

    Erzählform und Sprache
    Die Handlung spielt innerhalb eines knappen Zeitraums von wenigen Tagen. Im personalen Mittelpunkt des ersten und des letzten Abschnitts steht Dave. In den vier Abschnitten dazwischen lernen wir jeweils eine eigene, andere Hauptfigur kennen, ihre Gedanken und Verhalten. Auch die zeitliche Abfolge verläuft nicht immer chronologisch, was jedoch in der Kapitelüberschrift zu lesen ist. Die Spannung ergibt sich aus der abenteuerlichen Flucht selbst und der immer neuen Frage, ob und bei wem Dave Hilfe findet. Diese Erzählform ist interessant und ungewöhnlich, dieses gekonnte Verknüpfen und Verändern der Blickwinkel innerhalb einer dennoch klar strukturierten Handlung. Die Sprache überzeugt durch einfühlsame Schilderungen und lebhafte Beschreibungen der Landschaft.

    Fazit
    Ein faszinierender Roman über eine abenteuerliche Flucht entlang der norddeutschen Küste, in dessen Mittelpunkt jedoch die Begegnungen zwischen sehr unterschiedlichen Menschen stehen, was die Geschichte zu einem beeindruckenden Leseerlebnis macht.

  1. Lesenswerter Roman mit starken Charakteren

    REZENSION – Es war, so sagt er über sich selbst, die Liebe zu Natur und Tieren, die den damaligen Journalisten Florian Knöppler (57) vor Jahren veranlasste, auf einen holsteinischen Bauernhof zu ziehen und dort Tiere zu halten. Doch es dürfte wohl auch die Liebe zu den von der Landwirtschaft lebenden und von rauer Natur geprägten Menschen gewesen sein – Menschen, die sich nicht durch viel Gerede, sondern handfestes Handeln auszeichnen. Schon in seinem zweibändigen Romandebüt „Kronsnest“ (2021) und „Habichtland“ (2022) faszinierte Knöppler gerade deshalb durch die empathische Charakterisierung der Dorfbewohner in der Elbmarsch. In seinen Romanen lebten sie während des Nazi-Regimes in ihrer eigenen kleinen Welt fernab der großen Politik und des Kriegsgeschehens. Die Probleme des Alltags beschränkten sich überwiegend auf das Miteinander, auf ihre Landwirtschaft und die Tiere.
    In eine ähnlich abgeschottete Welt – diesmal allerdings an der nordfriesischen Wattenmeerküste – führt uns Knöppler in seinem neuen, im August beim Pendragon Verlag erschienenen Roman „Südfall“. Die Menschen sind nach fünf Kriegsjahren erschöpft. Der Einmarsch der Alliierten in der Normandie wurde von vielen als Erlösung hingenommen. Zu jener Zeit spielt Knöpplers neuer Roman: Der britische Bomberpilot Dave Milton überlebt als einziger seiner Crew den Absturz seines Flugzeugs und erwacht leicht verletzt nahe Husum bei Ebbe im Watt. Er erkennt die drohende Gefahr auflaufenden Wassers: „Alles wie früher zu Hause, wenn er William zu den Reusen begleitet hatte.“ Zum Glück wird er rechtzeitig von einer alten mürrischen Frau gerettet – der „Gräfin“ der Hallig Südfall. Ohne viele Worte zu verlieren, nimmt sie den feindlichen Soldaten bei sich auf, zumal er als gelernter Tierarzt einem ihrer Pferde helfen konnte. In der Einsamkeit von Südfall könnte Dave das baldige Kriegsende abwarten. Doch er will über Dänemark wieder nach England zu seiner Claire. Die „Gräfin“ gibt ihm Proviant und erste Tipps zum Fluchtweg.
    In den folgenden zwei Wochen wird der Engländer von Fluchthelfer zu Fluchthelfer weitergereicht, immer wieder heimlich versteckt und versorgt. Doch nicht seine Flucht ist das Thema des Romans von Florian Knöppler, sondern es sind diese Menschen, die dem feindlichen Bomberpiloten helfen, und ihre Beweggründe, obwohl es doch gerade diese Bomber waren, die ein Jahr zuvor unter dem Code „Operation Gomorrha“ in einer Serie von Luftangriffen die Stadt Hamburg verwüstet und 34 000 Menschen getötet hatten. Es ist nicht der Soldat, dem sie alle unabhängig von einander helfen, sondern der Mensch Dave Milton, den sie im Gespräch kennenlernen: „Ich bin nicht gerne Soldat und habe auch nichts gegen Deutsche. Eigentlich bin ich Tierarzt.“ Doch muss natürlich heimlich geholfen werden. Nicht einmal engste Angehörige dürfen davon wissen. Schließlich gelingt es, den Engländer zusammen mit Siggi, einem 19-jährigen, vom Krieg traumatisierten Deserteur aus dem eigenen Dorf, mit einem dänischen Kutter zur englischen Küste zu bringen.
    Das Faszinierende an Knöpplers Roman „Südfall“ sind wieder diese interessanten, seine so eigenwilligen Charaktere. Jeder von ihnen hat seine eigene Geschichte, hat sein eigenes Schicksal zu tragen. Deshalb sind es auch ganz unterschiedliche Gründe, weshalb sie diesem feindlichen Soldaten helfen, anstatt ihn den Behörden zu übergeben. Knöppler reißt diese Geschichten immer nur kurz an: Sei es die Hallig-Gräfin, die ihre Pferde vor der Rekrutierung an wechselnden Standorten versteckt; oder der junge Paul, der ebenso wie seine Tante Anna dem Engländer hilft, ohne dass der eine vom Handeln des anderen aus Angst vor Verrat wissen darf; oder die junge Cecilie, die in den schüchternen Sohn des Gärtnereibesitzers verliebt ist; oder Großbauer Simon, der sich vor seinem zwielichtigen Knecht Jens vorsehen muss, weil dieser ihn verraten könnte. Kaum hat man sich als Leser mit einer Romanfigur angefreundet, wird der Bomberpilot schon weitergereicht, und wir lernen eine neue Figur und deren persönliche Geschichte kennen. Jedes dieser in „Südfall“ nur angedeuteten Schicksale dürfte eigentlich als Idee für einen weiteren lesenswerten Roman von Florian Knöppler über Schleswig-Holstein, sein Land und seine Leute reichen.