Dark Venice. Deep Water
Sie hat die Beerdigung ihres Vaters Bow organisiert. Sie, das ist die jüngste Tochter Hannas. Sie steht zwischen ihren Schwestern Laura und Lotte. Hinter ihnen stehen Lauras Vater Klaus und Lottas Vater Roberto. Hanna liegt am Boden der Ostsee, sie ist schon vorgegangen. Die Schwestern konnten Hannas Wunsch, ihre Asche mit Bleikugeln im Meer zu versenken in keinster Weise vertreten, also hat die Jüngste es heimlich gemacht. Die, die ihre Mutter am wenigsten akzeptierte hat ihr dennoch diesen letzten Wunsch erfüllt.
Hanna, Klaus, Roberto und Bow waren Studienfreunde. Schon nach dem ersten Semester war Hanna von Klaus schwanger. Sie bekam Laura, die die meiste Zeit bei Oma wohnte, damit Hanna weiter studieren konnte. Nach dem Studium trennte sie sich und heiratete Lottes Vater. Der feurige Italiener mit der elterlichen Villa in Italien war ihr gerade recht, bis sie auch ihm überdrüssig wurde. Kurz bevor man ihr die Universitätsbibliotheksleitung übertrug, traf sie Bow wieder. Bow, der Architekt geworden war und gerade ein schönes Einfamilienhaus in Berlin baute, gefiel Hanna.
Sie zog mit den Mädchen zu ihm, heiratete und bekam ihre Jüngste. Bow erwartete um 12 Uhr ein selbst gekochtes Mittagessen, das er mit der gesamten Familie einnahm, denn so hatte es seine Mutter schon gemacht. Seine Mutter allerdings war Arztgattin und ließ ihr Hauspersonal kochen. Hanna stellte sich über Jahre dieser Aufgabe, putzte das Haus, brachte die Mädchen in Schule und Kita, holte sie meistens wieder ab, arbeitete in der Bibliothek und lauschte am Abend Bows Tagesanekdoten. Dabei blieben Hannas literarische Ambitionen auf der Strecke.
Fazit: Caroline Peters hat mit ihrem Debüt eine feinsinnige Familiengeschichte geschaffen. Die Protagonistin, eine namenlose Ich-Erzählerin folgt den Spuren ihrer Mutter, lotst den Ursprung der geschwisterlichen Sticheleien aus. Die Autorin hat Hanna einen eigenwilligen Charakter gegeben. Sie geht unkonventionelle Wege und findet Lösungen für die meisten ihrer Probleme. Letztendendes unterwirft sie ihre eigenen Bedürfnisse, ebenso wie viele andere Frauen in den 70er-80er-Jahren ihrem Mann. Nach dem Krieg mit Mutter und Geschwistern aus der Heimat geflüchtet, hat Hanna den sehnlichen Wunsch etwas zu gelten. Nicht minder ergeht es ihrem letzten Mann, der unter dem Gefühl von Minderwertigkeit leidet. Die Geschichte ist humorvoll und leicht erzählt. Hanna in ihrer Ambivalenz und verspielten Eigenart zuzusehen hat mit Freude gemacht. Eine schöne Geschichte.
Mit "Was wir nicht kommen sahen" ist Katharina Seck ein wichtiges Buch zu einem sehr relevanten und aktuellen Thema gelungen: Cybermobbing, das solche Ausmaße annehmen kann, dass es Menschen in den Suizid treiben kann. Das Buch ist von wahren Beispielen dafür inspiriert, wie die Autorin im Nachwort auch selbst anführt.
Das Buch ist aus drei Perspektiven geschrieben:
1) Ada, eine 18-jährige Schülerin, die sich auf Twitch einen Namen im Internet gemacht hat. Anfangs, indem sie während ihrer Videospiele live streamt, später - in Reaktion auf das Mobbing - auch als Aktivistin. Leider wird sie zur Zielscheibe einer Gruppe von Hatern, überwiegend aus der Incel-Community, die sich einen Spaß daraus machen, sie immer mehr zu bedrohen und zu bedrängen, nicht nur im Internet, sondern auch tatsächlich mit anonymen Nachrichten in ihrem Postkasten. So lange bis Ada keinen Ausweg mehr sieht und sich das Leben nimmt. Mit ihrem Suizid beginnt das Buch, die weiteren Ada-Kapitel sind dann aber wieder aus der Zeit vor dem Suizid geschrieben und zeigen, wie es so weit kommen konnte.
2) Jenny und Dominik, die Eltern von Ada, die durch den Suizid ihr einziges Kind verloren haben, gar keine Ahnung von Adas Online-Aktivitäten und dem Mobbing hatten und sich im Nachhinein versuchen, ein Bild davon zu machen und zu verstehen, was hier geschehen ist und wie es dazu kommen konnte. Sehr sympathische, bemühte Eltern, die ihre einzige Tochter über alles geliebt haben.
3) Die Anonymität: hier wird aus wechselnden Perspektiven, manche männlich, manche weiblich, von denen erzählt, die auf die eine oder andere Weise zum Cybermobbing beigetragen haben. Entweder, indem sie dieses direkt ausgeübt, andere angefeuert oder eine Nachricht oder ein Video weitergeleitet haben.
Insgesamt ist es damit ein sehr spannendes und aufrüttelndes Buch zum Thema Cybermobbing. Man spürt in jeder Zeile, wie es der Autorin ein echtes Anliegen ist, zu diesem Thema zu sensibilisieren und zum Kampf gegen Cybermobbing zu mobilisieren und dafür eignet es sich auch hervorragend und kann auch als Schullektüre empfohlen werden.
Warum dann keine fünf Sterne, sondern doch nur vier?
Ich habe mich mit dem Thema Suizid sehr tiefgründig beschäftigt, habe selbst Erfahrung als Hinterbliebene nach Suizid und ich habe schon so einige andere Bücher darüber gelesen, denen es gelingt, die damit verbundenen Dynamiken extrem authentisch einzufangen (z.B. "Wohin das Licht entflieht" von Sara Barnard oder "Von dem, der bleibt" von Matteo B. Bianchi). In Bezug auf dieses Thema kommt dieses Buch hier an die anderen Bücher nicht ran. Ich muss aber zugeben, hier sehr hohe Ansprüche an das Buch zu stellen.
Auch wenn die Autorin immer wieder versucht, mit sprachgewaltigen Metaphern das damit verbundene Leid zu schildern... etwas fehlt in dieser Perspektive und fühlt sich für mich als Betroffene nicht authentisch an, und zwar sowohl in der Zuspitzung der Entwicklung hin zu Adas Suizid, die ich in der Figur der Ada nicht wirklich nachfühlen kann, als auch in der Bewältigung des Suizids durch die Eltern, die dann doch überraschend schnell wieder Hoffnung zu schöpfen scheinen und schon nach sechs Wochen wieder deutlich positiver auf die Welt blicken , was sich in keinster Weise mit meiner Erfahrung in der Arbeit mit Menschen, die ein Kind durch Suizid verloren haben, deckt.
Es ist für mich somit kein authentisches Buch, um etwas über Suizidalität oder die Bewältigung des Suizids durch die Hinterbliebenen zu lernen, dafür ist es für mich nicht nah und authentisch genug an diesem Thema dran. Die Dynamiken des Cybermobbings finde ich hingegen sehr authentisch dargestellt und zu diesem Thema sensibilisiert und mobilisiert das Buch ausgezeichnet.
Ein bisschen schade habe ich auch gefunden, dass man im Buch sehr klar merkt, dass die Autorin sich selbst ganz eindeutig dem linken politischen Spektrum zuordnet und die Menschen mit konservativen bzw. Mitte-rechts-Einstellungen stark dämonisiert. Auch wenn es zweifellos solche Gestalten, wie sie im Buch vorkommen, genau so in der Realität und im Internet gibt, hätte dies nicht noch damit verstärkt werden müssen, dass auch die Nachbarn - die mit dem Cybermobbing an sich nichts zu tun haben - als Coronamaßnahmengegner und als solche als dumpf und blöd charakterisiert werden.
Ich unterstelle der Autorin ein ziemlich einseitiges Weltbild und keine tiefgehende Beschäftigung mit Menschen ganz anderer politischer Einstellungen, die aber fernab von Radikalisierung sind. Es wirkt so, als ob sie, wie es derzeit leider in einigen Bereichen der Gesellschaft Mode zu sein scheint, alles rechts der Mitte einfach als radikal und dumm abstempeln würde, und die Weltsicht der eigenen sozialen Blase als einzig legitime und gute ansehen würde. Damit nimmt sich das Buch ein bisschen von dem Potential, breitflächig Menschen abzuholen. Insgesamt bleibt es aber dennoch aus den oben genannten Gründen ein gutes und wichtiges Buch.
Tolle Aufmachung
Ich bin ehrlich, ich habe mir das Buch nur gekauft, weil es einfach so wunderschön ist. Das Cover ist wundervoll und der Farbschnitt ist auch echt toll. Also ein Hingucker ist es auf jeden Fall. Als ich den Klappentext gelesen habe, hat der mich auch sofort angesprochen. Das ist nicht das erste Buch der Autorin, deshalb war ich mir sicher, dass es mir auch gefallen wird.
Det Schreibstil war gewohnt locker flockig. Ich mag es, wenn die Geschichte aus mehreren Perspektiven erzählt wird. Das gibt dem ganzen viel mehr Tiefe. Merle als Charakter hat mir sehr gut gefallen. Matteo konnte ich nicht ganz so viel abgewinnen. Er war jetzt nicht unsympathisch aber irgendwie komisch allemal. Ihre Liebesgeschichte habe ich ihnen nicht ganz so abgekauft. Außerdem gab es für meinen Geschmack ein bisschen zu viel spice aber das ist so meine Meinung.
von der Geschichte her, hatte ich mir durch den Klappentext etwas anderes versprochen. Zwischendrin hat mir ein bisschen die Spannung gefehlt, wobei ich es dennoch innerhalb von zwei Tagen durchgesuchtet habe. Die Sache mit Merles Familiengeschichte war mir alles ein bisschen zu wenig. Auch wenn ich nachvollziehen konnte, dass sie da nicht mehr weiter rumgestochert hat. Die weiteren Geheimnisse rund um die Gerüchte waren auch irgendwie nicht ganz so spannend.
Alles in allem ist es keine schlechte Geschichte.