Geordnete Verhältnisse: Roman
Erzählt wird diese tragische Geschichte von Faina und Philipp. Sie kennen sich schon seit der Kindheit. Sie als ukrainisch stämmige Jüdin und er mit einer alkoholkranken Mutter und einem zerstörerischen Hang zu Wutausbrüchen, haben es sehr schwer im Leben, klammern sich daher aneinander und schließen eine innige Freundschaft. Später als Erwachsene entwickelt sich daraus immer mehr eine toxische Beziehung.
Lana Lux hat einen unvergleichlich fesselnden Schreibstil, der mich sofort in die Story gesogen hat. Ihre Charaktere sind perfekt ausgearbeitet und auf verstörende Weise sehr realitätsnah. Man leidet mit den Protagonisten, hätte sie aber manchmal aber auch am liebsten schütteln mögen.
Die einzelnen Kapitel werden abwechselnd aus Sicht von Faina und Philipp geschildert. Von Seite zu Seite steigert sich die Beklemmung und der Leser merkt immer mehr, dass die Beziehung der beiden auf eine Katastrophe zusteuert.
Auf nur 287 Seiten wurden viele Themen, wie z.B. Trauma, psychische Erkrankungen und Kontrollwahn behandelt. Eine schockierende Story mit einem erschütternden Ende.
Philipps Leben dreht sich vor allem um eines: Ihn selbst. Als Kind hatte er es nicht leicht, die Mutter alkoholkrank, der Vater weg, und dann auch noch diese Sache mit dem Einnässen; seinen Weg musste Philipp immer alleine finden. Menschen mag er nicht besonders, die sind zu laut, zu unordentlich. Er hat Geld, und das hat er sich hart verdient, er kann sowas eben. Andere haben sich ihm anzupassen, immerhin weiß er es wirklich besser als sie und will ihnen nur helfen - das wird auch Faina irgendwann schon noch merken! Faina, die wie Philipp rote Haare hat, Faina, die in ihrer Kindheit mit den Eltern zugezogen ist. Sie ist jüdisch-ukrainischer Herkunft, damals wie heute stets knapp bei Kasse und lange Jahre Philipps beste Freundin gewesen.
Ihre Einsamkeit, ihr Anders-Sein hat die beiden in der Schulzeit zusammengeschweißt, denn Philipp wollte unbedingt einen echten, einen besten, oder überhaupt erstmal einen Freund, und als dann eines Tages Faina auftauchte, war klar: Sie ist es. Und es war ganz schön harte Arbeit für Philipp, aus Faina den Menschen zu machen, der sie heute ist! Allein, ihr die deutsche Sprache beizubringen und wie man sich hier verhält, was man hier einfach nicht macht. Er hat sie cool gemacht, das war ziemlich eindeutig sein Verdienst. Und wie dankt sie ihm das? Indem sie einfach verschwindet, dabei war dieser Streit so schlimm doch jetzt wirklich nicht. Aber sie wird schon wieder angekrochen kommen, ganz sicher. Wie könnte sie auch nicht?
Mit Faina und Philipp prallen zwei Welten aufeinander. Was zunächst noch als Freundschaft durchgehen könnte, spitzt sich im Laufe der Jahre zu einem Konflikt zu, der eskaliert, als Faina irgendwann beginnt ihr eigenes Leben zu leben. Längst ist sie nicht mehr auf Philipps Hilfe angewiesen - oder will es zumindest nicht mehr sein. Denn als sie sich zielsicher in einen Sumpf aus Schulden manövriert hat, wird ihr klar, dass ihr da nur eine Person wieder hinaushelfen kann: Philipp. Als er sie höhnisch grinsend tatsächlich wieder aufnimmt, ist von außen klar ersichtlich, was Faina selbst nicht sieht: Seiner Kontrolle, seinen Manipulationen entkommt sie nicht.
Lana Lux' Roman hat es in sich. Immer schneller wird man hineingezogen in die Spirale aus toxischer Männlichkeit und häuslicher Gewalt, sieht anders als die Protagonistin, dass das alles kaum ein gutes Ende nehmen kann - und liest die letzten Kapitel dennoch atemlos. Während sich Philipps Obsession immer weiter manifestiert, würde man Faina am liebsten schütteln, ihr sagen: Renn weg!, ist als Leser*in aber genauso machtlos wie Faina und so viele andere Frauen mit ihr. Die thematische Schwere, die atmosphörische Dichte, das sprachliche Geschick - "Geordnete Verhältnisse" ist ein Pageturner, der erschreckt und mitnimmt. Große Leseempfehlung!
Der zehnjährige Philipp lebt in schwierigen Familienverhältnissen. In der Schule ist er ein Außenseiter - nichts wünscht er sich sehnlicher als einen Freund. Als Faina in seine Klasse kommt, erfüllt sich sein Wunsch. Philipp nimmt die erst kürzlich aus der Ukraine nach Deutschland gekommene Klassenkameradin unter seine Fittiche, hilft ihr die deutsche Sprache zu erlernen und sich regelkonform zu verhalten. Schon bald sehen sich die beiden täglich. Faina lernt mit den „Macken“ ihres Freundes umzugehen und diese zu akzeptieren. Bereits in dieser frühen Beziehung zeigt Philipp obsessive und latent unter der Oberfläche brodelnde aggressive Verhaltensweisen. Ein einschneidendes Erlebnis führt dazu, dass Faina als junge Erwachsene schließlich den Kontakt zu Philipp abbricht. Einige Jahre später meldet sie sich wieder bei ihm. Sie befindet sich in einer Notlage und niemand anderes scheint in der Lage, ihr helfen zu können.
Philipp ist überglücklich, fühlt sich bestätigt, dass nur er in der Lage ist, Faina vor falschen Entscheidungen zu bewahren und bietet ihr umfangreiche Unterstützung an. Faina lässt sich darauf ein und begibt sich in Philipps Abhängigkeit. Was ursprünglich als Ausweg aus einer misslichen Lage erschien, entpuppt sich für Faina immer mehr zum Albtraum.
Lana Lux zeigt eindringlich anhand zweier sehr unterschiedlicher Charaktere, aus welchen Gründen sich Menschen in toxische Beziehungen begeben und wie schwierig es ist, sich wieder daraus zu lösen.
Die Autorin widmet sich in ihrem dritten Roman einem wichtigen Thema, das gesellschaftlich noch viel zu wenig Beachtung erfährt. Die Lektüre fesselt und beklemmt gleichermaßen. Das Ende ist an Bitterkeit kaum zu überbieten und spiegelt die verharmlosende gesellschaftliche Wahrnehmung solcher toxischen Beziehungen leider sehr treffend.
Lana Lux schreibt die Geschichte von zwei Menschen aus ungeordneten Verhältnissen.
Zwei Kinder, Philipp und Faina, beide aus problembeladenen Familien, Außenseiter, nicht nur durch ihre feuerroten Haare, werden sich zur Stütze, durch ihre ganz besondere, tiefe Freundschaft. Besonders für Philipp ist sie überlebenswichtig. Bald fühlt er sich für Faina verantwortlich, ohne ihn würde sie im Chaos enden. Er gibt ihr alles was er kann und hat.
Mit der Zeit wandelt sich die Freundschaft von Philipp zur Obsession, gepaart mit einer gefährlichen Wut. Er kann Faina nur als seinen Besitz betrachten, er meint ein Recht auf sie zu haben, weil er ihr in ihren schlimmsten Lebenslagen geholfen hat.
Als sich Faina von ihm befreien will, nimmt ein fatales Drama seinen Lauf.
Ein Buch mit dem man Lachen und Weinen kann. In einer leichten Art spricht die Autorin die schwierigsten Themen der Gesellschaft an. Ohne dabei zu verweilen, nutzt sie sie als Treiber der Geschichte.
Gedanken darüber kann sich der Leser machen.
Hinter vielen Sätzen, die beiläufig und harmlos daherkommen, liegen die großen Manieriertheiten der heutigen Gesellschaft, die ihr Protagonist Philipp mit scharfem Blick aufdeckt.
Die Autorin hat in Faina eine Romanfigur erschaffen, der sie Parallelen aus ihrer eigenen Vita mitgegeben hat.
Lana Lux kann schreiben und man kann sich auf jedes zukünftige Buch von ihr freuen!
Philipp ist zehn als er die dritte Klasse wiederholt. Er ist ein Sonderling mit knatschroten Haaren und unzähligen Sommersprossen. Die “Mitgefangenen” seiner katholischen Grundschule nennen ihn Feuerwanze, Streichholz, Pumuckl und, was ihn wirklich demütigt Pipi Langstrumpf. Er ist meistens mies drauf, hat schon im Kindergarten nach den anderen gespuckt und getreten. Seine Mama holte ihn bei Tante Martha und Onkel Peter wieder ab, als er sechs war. Solange brauchte sie, um regelmäßig nüchtern zu sein.
Philipp schaut regelmäßig auf seine Uhr, damit er alle drei Stunden zur Toilette geht, sonst geht wieder was daneben. Frau Steinmeier stellt ihn deswegen vor seinen “Mitgefangenen” bloß, die lachen und er tut so, als wolle er sie nicht töten.
Und dann kommt der Morgen, an dem Frau Steinmeier ein Mädchen, mit schulterlangen, leuchtend roten Locken an der Hand hält. Sie heißt Faina, erfährt er und kommt aus Russland, denkt er. Obwohl seine Familie der Überzeugung ist, dass die Ausländer zu laut sind, nie den Müll trennen, nach Knoblauch stinken und nur auf Sozialleistungen aus sind, werden Philipp und Faina beste Freunde.
Philipp bringt Faina alles bei, Deutsch, gute Manieren und Rollschuhlaufen. Sie fahren zelten und haben Sex, aber das ist nichts für ihn. Körperkontakt mag er nicht und Intimität ekelt ihn. Faina hält ihn auch sonst für ziemlich speziell, weil er Tiere lieber mag als Menschen. Er vertraut niemandem, außer Faina, das macht sie stolz. Er ist brutal ehrlich und kann sich nicht in andere hineinversetzen. Seit er ihren alten Hund einschläfern ließ, weil er glaubte, es sei das beste für ihn, weiß sie, dass er übergriffig ist. Danach meidet sie ihn, will nie wieder etwas mit ihm zu tun haben. Doch fünfzehn Jahre danach ändert sie folgenschwer ihre Meinung.
Fazit: Lana Lux hat mich von der ersten Seite an gepackt und nicht mehr losgelassen. Die Wortwahl gefiel mir sehr, sie erzählt sehr detailliert und es ist, als stünde ich mittendrin, erlebte alles mit. Die Charaktere sind absolut überzeugend und nicht überzeichnet. Der Konflikt ist nachvollziehbar, weil klar wird, wie die beiden aufgewachsen sind. Zuerst dachte ich, Philipp sei autistisch, doch dann erkannte ich das, worauf die Autorin hinarbeitete und, dass es nur so enden konnte. Die Thematiken waren vielleicht etwas gewagt in ihrer Menge, Demütigungen durch Eltern und Mitschüler, Mobbing, Asexualität, Bisexualität, Alkoholmissbrauch, Narzissmus, Bipolarität, Religionszugehörigkeit, Antisemitismus, Rassismus, aber Lana Lux hat alles ineinanderfließen lassen ohne mich zu erschlagen. Dieses Buch hat mir größtes Vergnügen bereitet.
Ein wenig betrübt haben mich kleine Patzer, Philipp wurde anfangs am 3. März geboren und später beim Zahlenschloss das Geburtsdatum 13.3 angegeben. Der kleine Emryo, der als Junge zur Welt kommen und traditionell beschnitten werden sollte, war dann tatsächlich ein Mädchen, ohne Erklärung, was ein leichtes gewesen wäre, hätte das Lektorat aufmerksamer gearbeitet, das fand ich schlampig und unnötig.
Dieses Buch hat mich sehr bewegt
Philipp sehnlichster Wunsch ist ein Freund. Dieser Wunsch scheint greifbar nah, als die aus der Ukraine stammende Faina in seine Klasse kommt. Die zwei Außenseiter schließen sich zusammen und eine Freundschaft entsteht.
Jahre später steht die schwangere Faina vor Philipps Tür und bittet ihn um Hilfe. Sofort gewährt er ihr Unterkunft und verlässt seine aktuelle Freundin, denn für Faina würde er alles machen. Doch will sie das überhaupt?
Hier treffen zwei ganz toll von der Autorin inszenierte Charaktere aufeinander. Beide haben einen komplizierten und tragischen familiären Background, dessen wirkliches Ausmaß sich erst im Laufe der Geschichte offenbart.
Die Geschichte wird teilweise aus Fainas Sicht und teilweise aus Philipps Sicht erzählt. Das ist der Autorin auch wirklich super gelungen. So kommt man beiden Personen ganz nah und erst im Laufe der Story wird klar, wie toxisch diese Beiden für einander sind und wie die Wut und Obsession von Philipp sich immer weiter steigern.
Die Sprache ist hier ganz klar und schonungslos, so wie das ganze Buch.
Es ist einfach nur tragisch, was mit Faina passiert. Und ihre Geschichte steht als ein exemplarisches Beispiel dafür, was Frauen von egozentrischen Männern alles ertragen müssen, ohne auf großartige Unterstützung hoffen zu können.
Für mich ist dieses Buch ein absolutes Highlight. Bewegend und erschütternd. Absolute Leseempfehlung.