Inhaltsangabe zu "Die Partie seines Lebens"
Auf den ersten Blick könnte man Fast Eddie Felson für einen mittelmäßigen Billardspieler mit einem ehrlichen Lächeln und locker sitzender Brieftasche halten. Liegen aber die großen Scheine auf dem Tisch, zeigt Eddie sein ganzes Können und zockt seine Gegner gnadenlos ab. Doch die Chicagoer Billardlegende Minnesota Fats ist ein anderes Kaliber. Fast Eddie riskiert mehr als nur sein Geld und geht einen Pakt ein, um das Spiel seines Lebens zu spielen.
Vom Gewinnen und Verlieren
Die Romane von Walter Tevis (1928 – 1984) wurden hochkarätig verfilmt. Sein Revival hat er nicht zuletzt der fantastischen Netflix Produktion „Damengambit“ zu verdanken. In der Tat machte dieser Roman/Film auch mich neugierig auf weitere Werke des Schriftstellers. Tevis kann Atmosphäre einfangen und beschreiben. Bereits mit den ersten Sätzen wird die Arena des Protagonisten so anschaulich beschrieben, dass man sofort im Roman ankommt. Schnell hat man die Welt des Poolbillard erfasst, in der es Regeln, Strukturen und Hierarchien zu beachten gibt. Nicht nur Talent und Können sind entscheidend. Erfolgreiche Spieler müssen diszipliniert agieren, sie beherrschen Blöffen, Täuschen oder Zocken. Je nach Etablissement findet sich auch die Chicagoer Halbwelt an den Pooltischen ein.
Im Mittelpunkt des Romans steht Eddie Felson, ein junger Mann, der aus der Provinz eigens bis nach Chicago gereist ist, um sprichwörtlich sein Glück zu machen. In seiner Heimat Hot Springs machte er als außergewöhnlich präziser Poolspieler „Fast Eddie“ von sich reden. Nun sieht er sich berufen, die Top-Spieler in der Metropole Chicago herauszufordern. Mit großem Selbstbewusstsein und vertrauenerweckendem Charme betritt er Bennington´s Poolsalon, um gegen einen der ganz Großen, Minnesota Fats, anzutreten. Man muss kein Hellseher sein, um zu erahnen, dass ihm das nicht auf Anhieb gelingt. Eddie muss erst tief fallen, um Demut, wichtige Winkelzüge und Strategien zu erlernen, die man braucht, um in der ersten Liga mitzuspielen.
Auf dieser Gefühlsachterbahn bis zur titelgebenden Partie seines Lebens bin ich Eddie gerne gefolgt. Tevis schreibt kurzweilig, setzt pointierte Dialoge, treibt seinen Plot permanent voran. Er beschreibt die Spielzüge beim Pool so anschaulich, dass man nichts vom Regelwerk wissen muss. Der Spielverlauf erklärt sich von selbst. Die Schauplätze wirken faszinierend echt, fast filmreif. Tevis versteht es, die Atmosphäre sehr ausdrucksvoll einzufangen.
Viel Sorgfalt widmet er seiner Figurengestaltung, die Raum für Überraschungen lässt. Herauszuheben ist die unscheinbare Sarah, eine junge Frau, die Eddie nachts am Busbahnhof kennenlernt und die ihm Unterschlupf in ihrer kleinen Wohnung anbietet. Die beiden jungen Leute mögen nicht dem aktuellen Frauen- und Männerbild entsprechen – immerhin ist der Roman über 60 Jahre alt – aber die zarte, hintergründige, wenn auch etwas sexistische Liebesgeschichte passt gut in dieses Umfeld. Ebenso interessant sind Eddies Mentoren Charlie und Bert. Insbesondere Letzterer ist nicht leicht zu durchschauen, bringt Eddie aber mit Zielstrebigkeit und ehrlich gemeinten Ratschlägen voran: „Wer beim Spielen trinkt, hat immer eine Entschuldigung dafür, warum er verloren hat. Und eine Entschuldigung, warum man verloren hat, braucht kein Mensch.“ (S.103) Immer geht es beim Pool um Geld: Des einen Gewinn ist des anderen Verlust. Das macht es so spannend.
Sicherlich erwartet den Leser des Jahres 2024 hier keine ganz neue Geschichte. Man kennt ähnliche Konstruktionen mit Helden aus der Welt des Sports. Trotzdem gelingt es Walter Tevis, seine Leser auch heute noch zu fesseln und zeitlose Emotionen zu transportieren. Große Leseempfehlung auch für alle, die „Die Haie der Großstadt“ (1961) mit dem großartigen Paul Newman gesehen haben. Das Buch wird sie bestimmt nicht enttäuschen!