Kleine Dinge wie diese

Buchseite und Rezensionen zu 'Kleine Dinge wie diese' von Claire Keegan
4.5
4.5 von 5 (8 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Kleine Dinge wie diese"

Wer etwas auf sich hält in New Ross, County Wicklow, und es sich leisten kann, lässt seine Wäsche im Kloster waschen. Doch was sich dort hinter den glänzenden Fenstern und dicken Mauern ereignet, will in der Kleinstadt niemand so genau wissen. Denn es gibt Gerüchte. Dass es moralisch fragwürdige Mädchen sind, die zur Buße Schmutzflecken aus den Laken waschen. Dass sie von früh bis spät arbeiten müssen und daran zugrunde gehen. Dass ihre neugeborenen Babys ins Ausland verkauft werden. Der Kohlenhändler Billy Furlong hat kein Interesse an Klatsch und Tratsch. Es sind harte Zeiten in Irland 1985, er hat Frau und fünf Töchter zu versorgen, und die Nonnen zahlen pünktlich. Eines Morgens ist Billy zu früh dran mit seiner Auslieferung. Und macht im Kohlenschuppen des Klosters eine Entdeckung, die ihn zutiefst verstört. Er muss eine Entscheidung treffen: als Familienvater, als Christ, als Mensch. Mit wenigen Worten erschafft Claire Keegan eine ganze Welt. Auf unnachahmliche Weise erzählt Kleine Dinge wie diese von Komplizenschaft und Mitschuld, davon, wie Menschen das Grauen in ihrer Mitte ignorieren, um in ihrem Alltag fortfahren zu können – davon, dass es möglich ist, das Richtige zu tun.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:112
Verlag: Steidl Verlag
EAN:9783969990650

Rezensionen zu "Kleine Dinge wie diese"

  1. Kleine Dinge machen die Welt menschlich

    Irland in den 1980er Jahren. Kurz vor Weihnachten. Edward Furlong ist ein liebevoller Familienvater und tüchtiger Kohlehändler, der seine Mitarbeiter gut behandelt.

    Zu dieser Zeit gibt es noch die irischen Magdalenenheime, in denen junge "gefallene" Mädchen über Jahrzehnte hinweg in Arbeitslagern unter dem Deckmantel der Kirche unbezahlter Zwangsarbeit ausgeliefert waren. Ein solches Heim ist der Mittelpunkt dieser intensiven Erzählung von Claire Keegan.

    Es geschieht also, dass Furlong Kohlen an das nahegelegene Kloster ausliefert und dort eine entsetzliche Entdeckung macht. Hin und her gerissen trifft er schließlich eine Entscheidung. Nicht zuletzt beeinflussen ihn eigene Erlebnisse und seine Kindheit - trotz schwieriger Umstände war er seinerzeit von großer Menschlichkeit umgeben, was ihn sehr geprägt hat.

    Die Autorin beweist mit dieser nur etwas über 100 Seiten kurzen Erzählung einmal mehr ihre literarische und erzählerische Kraft. Knapp schreibt sie, aber punktgenau. Liebe- und respektvoll zugleich, voll emotionaler Dichte. Sie schafft es, Dinge nur anzudeuten und schon entspinnt sich im Kopf der Leserschaft die ganze Geschichte wie von selbst. Dadurch wirkt es zu keiner Zeit kitschig oder aufgesetzt. Gleichzeitig ist Keegan durchaus kritisch. Sie prangert einerseits das Vorgehen in den "Magdalenenheimen" an, aber insbesondere auch das Wegsehen in der Gesellschaft. Keegan plädiert mit dieser Erzählung ganz besonders für Mut zum Hinschauen und Verändern und für Mitmenschlichkeit. So sind es schon "kleine Dinge wie diese", die die Welt zu einem besseren Ort machen können.

    "Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt!" (Gandhi).

    Ein absolut wunderbarer Schatz einer tollen Autorin. Ein Lieblingsbuch ♥

  1. Die Geheimnisse des Klosters...

    Nachdem ich "Das dritte Licht" mit großer Begeisterung gelesen hatte, wollte ich mehr von dieser tollen Autorin und da dieses Buch so eine faszinierende Krähe auf dem Cover hat, musste es mit.

    In der Geschichte geht es um das beschauliche Örtchen New Ross, in dem Bill Furlong einen Kohlehandel betreibt und mit seiner Frau und seinen Töchtern ein beschauliches Leben führt. Besser könnte es ihnen in den harten Zeiten von 1985 nicht gehen. Doch dann entdeckt Bill bei seinen Lieferrunden etwas, was ihn verstört und beschäftigt. Kann er ignorieren was im Kloster geschieht wie alle anderen oder muss er handeln?

    Sprachlich ist dieses Kleinod wieder eine Wucht. Mit nur wenigen Worten weiß die Autorin sehr eindringlich den Leser zu verzaubern und zu berühren. Manches Mal wird es einem beim Lesen eng im Hals.

    Gut gefallen hat mir, dass man erst langsam in die Geschichte eingeführt wird und die kleinen, alltäglichen Dinge der Furlongs erfährt. So bleibt die Spannung lange hoch und man ist am Grübeln was und wann es denn nun los geht.

    Ich mochte sehr, dass das Ende offen gehalten ist, denn so kann man als Leser das Ganze noch weiter fantasieren, ob zum Guten oder Schlechten bleibt jedem selbst überlassen.

    Fazit: Es lohnt sich immer wieder zu Keegan zu greifen, klare Leseempfehlung.

  1. 4
    03. Nov 2023 

    Ein Blick auf einen dunklen Teil irischer Geschichte

    Furlong hat einen stabilen Beruf als Kohleverkäufer und eine zauberhafte Familie mit seiner Frau und seinen fünf Töchtern. Das musste er sich alles schwer erarbeiten, da seine Mutter damals unehelich schwanger und von ihrer Familie verstoßen wurde. Das Leben könnte leicht ertragbar sein, wenn er nicht ausgerechnet eines Tages beim Kohle ausliefern Zeuge wird, wie die Nonnen im örtlichen Kloster die Frauen dort behandeln. Es wäre ein Leichtes für ihn, den Kopf unten zu halten und sich keine Feinde zu machen, aber es fällt ihm schwerer und schwerer, den Vorfall zu vergessen.

    Das Buch spielt in Irland 1985 in einem kalten Winter. Es ist eine fiktionale Geschichte, die auf den leider sehr realen irischen Mutter-Kind-Einrichtungen der Zeit basiert. Dorthin wurden Frauen und Mädchen, die unehelich schwanger wurden, abgeschoben. Ihre Kinder wurden ihnen meistens weggenommen und sie selbst wurden oft misshandelt.
    Die Geschichte ist sehr gefühlvoll. Die Verbindung des bedrückenden Themas mit dem zarten Schreibstil der Autorin macht das Buch ausgesprochen atmosphärisch. Vor allem der Kontrast zwischen Furlongs Innenleben, der einen so angenehmen und sanften Blick auf seine Mitmenschen hat, und den düsteren geschichtlichen Hintergründen fand ich gelungen. Seine Hintergrundgeschichte sorgt auch dafür, dass ihm das Geschehen nähergeht und dadurch auch mich als Lesende mehr mitgenommen hat.

    Dem Buch fehlt es an einigen Seiten, um ein bisschen mehr Tiefe in die Handlung zu bringen, aber auch auf diesen wenigen Seiten gelingt es der Autorin bereits, eine sehr einfühlsame und atmosphärische Geschichte zu schreiben.

  1. 4
    29. Okt 2023 

    Eine nachdenkliche Weihnachtsgeschichte...

    Die Geschichte spielt 1985 - da war ich 20 Jahre alt und schaute voller Neugierde in die Zukunft. In diesem von Claire Keegan geschilderten Szenario fühlte ich mich jedoch nicht ins Jahr 1985 zurückgesetzt, sondern in die Zeit von Charles Dickens (1812-1870). Ein kleines Dorf in Irland, große Armut und Arbeitslosigkeit allenthalben, Schnee zu Weihnachten, qualmende Schornsteine, ein Kohlenhändler, der durch seine Lieferungen nur mühsam seine Familie ernähren kann, bescheidene, kleine Weihnachts-Geschenke, Gottesfurcht und Bibelfestigkeit, ein enges Verhaltenskorsett, um nicht negativ aufzufallen und womöglich aus der Gemeinschaft ausgstoßen zu werden - eine Atmopshäre wie im viktorianischen Zeitalter.

    Im Zentrum der Erzählung steht besagter Kohlenhändler Billy Furlong, ein fleißiger, aufrichtiger Mann, der seine Angestellten gut behandelt und auch für andere Menschen stets ein freundliches Wort hat. Hat er Kleingeld in der Tasche, gibt er es meist weg an ein Kind oder einen Armen, mitleidig wie er ist. Fünf Töchter hat er, und eine Ehefrau, die ihm stets zur Seite steht. Nun, kurz vor Weihnachten, denkt Furlong viel an seine Kindheit zurück, und er versucht, noch allen Kunden die bestellte Lieferung an Kohlen zukommen zu lassen: niemand soll an Weihnachten frieren! Zum Kloster kommt er jedoch diesmal ein wenig zu früh, und so macht er dort eine unerwartete Entdeckung, die seine Ruhe empfindlich stört.

    Bill ahnt, dass er sich entscheiden muss. Macht er die Augen zu wie alle im Dorf und kann so in Frieden weiterleben? Oder greift er ein und muss fortan mit den Folgen zurechtkommen, er und seine Familie? So oder so wird für Bill nichts mehr sein wie zuvor...

    Ein Kurzroman, der es in sich hat. Der fast schon idyllischen Atomsphäre entgegen steht das zunehmend spannungsgeladene Erleben von Bill, dem eine moralische Frage keine Ruhe mehr lässt. Der Schreibstil präzise und klar, stellenweise feingeschliffen und poetisch, schafft mühelos Bilder im Kopf, wodurch man sich trotz der Kürze des Romans in die Situation hineinversetzt fühlt. Das Unbehagen, das Bill nach und nach ergreift, erfasste so auch mich.

    Eine nachdenkliche Weihnachtsgeschichte, die von Stefan Wilkening in seinem angenehmen und ruhigen Vortrag nahezu märchenhaft erzählt wird. Obschon der Roman selbst lediglich 112 Seiten hat, wurde die Hörbuchfassung (2 Stunden und 22 Minuten) noch einmal gekürzt. Dafür fehlt mir leider jedes Verständnis, und diese Tatsache trägt zum Punkteabzug bei.

    Ansonsten aber ein sehr atmosphärisches und intensives Hörerlebnis, das auch noch über die letzte Silbe hinaus wirkt...

    © Parden

  1. Charles Dickens en miniature

    Kopisten und Imitatoren sind auch Künstler. Durchaus. Doch es fehlt ihnen an Originalität. Diese Geschichte ist am besten am Kaminfeuer vorzulesen. Bratapfel und Punsch bereithalten! Es wird herzig.

    In allerschönster Charles Dickens-Manier entfaltet Claire Keegan ihre Weihnachtsgeschichte. Die Atmosphäre stimmt. Es ist Winter. Alle sind arm. Einige sind ärmer. Alle schauen weg. Einige schauen ein bisschen genauer hin und erst dann weg. Keiner tut was. Bis einer sich traut.

    Die Geschichte ist simpel. Sie geht dennoch ans Herz, hauptsächlich wegen der Sprachfähigkeit der Autorin. Ein Kohlenhändler wird zum Retter. Mehr will ich gar nicht sagen, der Klappentext verrät viel zu viel. Was ist an diesem kleinen Büchlein gut? Sprache und Atmosphäre. Mit einem kleinen Schlenker versucht die Autorin eine Anbindung an die Gegenwart, weg von Dickens. So richtig gelungen ist ihr dies aber nicht. Dafür ist das Büchlein zu kurz.

    Was ist an diesem kleinen Büchlein nicht so gut? Dass es eine Geschichte à la Charles Dickens ist, die wie abgeschrieben wirkt, und altbacken. Und alle Probleme links liegen lässt. Und höchstens ans Herz, aber nicht unter die Haut geht.

    Fazit: Harmlos. Sehr hübsch zum Vorlesen für Kinder zur Guten Nacht. Oder am Kaminfeuer. Zum Wohlfühlen.

    Kategorie: Märchen.
    Verlag: Steidle, 2023

  1. Ein bisschen Menschlichkeit?

    Ich habe schon so viel Gutes über die Bücher von Claire Keegan gehört und wollte mir nun selbst eine Meinung bilden. Selten so wenige Seiten gelesen, die sich so intensiv angefühlt haben als würde man das Dreifache lesen.

    Bill Furlong ist Kohlehändler. Ihm uns seiner Familie geht es ganz gut. Sie kommen über die Runden und haben keinen Hunger zu leiden. Als Bill eines Tages Kohle an das Kloster des Ortes ausliefert, entdeckt er etwas, was er nicht ignorieren kann. Oder kann er es doch? Was tun? An sich denken oder menschlich handeln?

    Ich fand interessant, dass erst nach circa der Hälfte mit dem eigentlichen Thema gestartet wird, was für meinen Geschmack die Spannung eher hoch hielt als mich zu stören.

    Das was mich am meisten fasziniert hat war, dass Banales und Alltägliches sich mit den harten Ereignissen des Lebens abwechselt. Genauso ist nun mal das echte Leben. Es besteht nicht dauernd aus Freude und Action, sondern vor allem aus alltäglich zu verrichtenden Dingen.

    Spannend fand ich, dass die Handlung 1985 spielt. Irgendwie hatte ich erwartet, dass die Geschichte eher spielt. Umso eindringlicher macht es das Ganze, denn so lange ist das alles noch nicht her.

    Fazit: Mit leisen Tönen berührt diese Geschichte auf ganz besondere Weise und lässt den Leser weiterspinnen was passieren könnte und was nicht. Klasse.

  1. Die Entscheidung

    Wegschauen und schweigen oder aktiv werden und etwas gegen die Missstände tun? Vor dieser Entscheidung steht kurz vor Weihnachten 1985 der irische Kohle- und Holzhändler Bill Furlong, als er in New Ross bei einer Lieferung mit den Missständen im Kloster, das über diesen Ort thront, konfrontiert wird. Die Nonnen vom Guten Hirten, betrieben nicht nur eine Lehranstalt für Mädchen, sondern auch eine Wäscherei. Über letztere wird einiges gemunkelt!

    Die katholische Kirche ist zu dieser Zeit in Irland eine große und despotische Institution mit wirtschaftlicher Macht. Mit ihr ist nicht zu spaßen! Und in Irland kämpfen viele Menschen ums Überleben: viele Firmen waren geschlossen worden, viele Iren waren arbeitslos, Junge wanderten aus, um dem Elend zu entgehen.

    Furlong hatte bisher in seinem Leben Glück: entgegen der üblichen Handhabung beschäftigte die Arbeitgeberin Mrs. Wilson seine Mutter weiterhin im Haushalt, obwohl diese mit 16 Jahren schwanger wurde – Vater unbekannt. (Ihre Verwandtschaft wollte keinen Kontakt mehr mit ihr.) Bill hatte somit mit seiner Mutter ein Zuhause, erhielt sogar Bildung, vermisste aber einen Vater. Inzwischen ist er verheiratet mit Eileen und sie haben fünf Töchter, die sich gut entwickeln.

    Furlong ist ein arbeitsamer, herzensguter Mensch, der auch sehr sozial eingestellt ist: er behandelt seine Arbeiter fair und sein Kleingeld, das er einstecken hat, verschenkt er meistens an Notdürftige.
    Durch die Jahre unseres Sohnes in Irland habe ich eine besondere Beziehung zu diesem herrlichen Land. Und so kamen viele lebhafte Erinnerungen auf – auch dank der bildhaften Beschreibungen. Ich fieberte stark mit Furlong mit und war gespannt auf seine Entscheidung!

    Diese Geschichte, die nur 112 Seiten umfasst, berührte mein Herz sehr! Es tat unheimlich gut, von einem Menschen zu lesen, bei dem Egoismus und Raffgier nicht im Vordergrund stehen, sondern ein liebevolles und wertschätzendes Miteinander. Sehr gut könnte ich mir hier eine Verfilmung zu einer Weihnachtsgeschichte vorstellen.

    Nachhaltige Sätze wie z.B. „……fragte er sich, ob es überhaupt einen Sinn hatte, am Leben zu sein, wenn man einander nicht half. War es möglich, all die Jahre, die Jahrzehnte, ein ganzes Leben lang weiterzumachen, ohne wenigstens einmal den Mut aufzubringen, gegen die Gegebenheiten anzugehen, und sich dennoch Christ zu nennen und sich im Spiegel anzuschauen?“ werden lange in mir nachhallen.

    Fünf Sterne vergebe ich diesem inhaltsstarken Buch und ich wünsche ihm von ganzem Herzen viele Leser!

  1. Aus der Nähe betrachtet

    Dieser kleine, nur 112 Seiten starke, Roman ist es wert, etwas genauer betrachtet und vorgestellt zu werden. Schauplatz ist das Städtchen New Ross, im Südosten der Republik Irland gelegen. Man schreibt das Jahr 1985, ein kalter Winter steht bevor und der Kohlenhändler Bill Furlong hat alle Hände voll zu tun. Fünf Töchter hat er, die bislang gut einschlagen, Musikinstrumente erlernen, im Kirchenchor singen und in der angesehenen Schule St. Margarets unterrichtet werden, die Seite an Seite und in Verbindung zum Nonnenkloster steht, das Furlong regelmäßig mit Brennmaterial beliefert. Furlong ist zu jedermann freundlich, verschenkt zum Verdruss seiner Frau gerne das Kleingeld in seinen Taschen, er hat eine soziale Ader.

    Wir verfolgen Furlongs Gedankengänge, haben Anteil an seinem arbeitsreichen Alltag und seinen Begegnungen mit anderen Menschen. Bill Furlong ist ein guter, christlich geprägter Charakter, der zu schätzen weiß, was er erreicht hat, der aber auch weiß, dass nicht jedem Menschen ein so glückliches Schicksal beschieden ist. „Furlong war aus dem Nichts gekommen. Aus weniger als dem Nichts, könnte man sagen.“ Sein Werdegang hätte ganz anders verlaufen können, wenn nicht die gut situierte Mrs. Wilson seine damals 16- jährige schwangere Mutter weiter in ihrem Haushalt beschäftigt hätte, anstatt sie, wie seinerzeit üblich, als moralisch verworfenes Mädchen fortzujagen. Über seinen Vater weiß Furlong nichts, seine Sehnsucht nach Identität und Wurzeln ist jedoch unverkennbar.

    Über dem Ort thront das Kloster. Man erzählt sich seltsame Geschichten darüber, denen Furlong zunächst aber keinen rechten Glauben schenkt. Junge „gefallene“ Mädchen sollen dort unter unwürdigen Bedingungen leben und als Arbeitskräfte in der angeschlossenen Wäscherei Buße tun. Die allgemeine Empörung hält sich in Grenzen, da die Kirche Einfluss und Macht besitzt. Eine gute Portion Doppelmoral hört man heraus - was hinter den dicken Mauern passiert, ist nicht von Interesse.

    Weihnachten steht vor der Tür. Bei einer weiteren Kohlelieferung zum Kloster macht Furlong Entdeckungen, die ihn zutiefst verstören. Er fühlt sich hin und her gerissen zwischen den Verpflichtungen seiner Familie gegenüber und jenen als Christenmensch. Was soll er tun?

    Das schmale Buch liest sich wie eine Parabel, entwickelt dabei große Intensität. Der Schreibstil ist ruhig, aber sehr atmosphärisch. Man kann sich die Winterkälte, den Nebel, die leeren Straßen mit den frierenden Menschen bildlich sehr gut vorstellen. Insbesondere lernt man Bill Furlong sehr gut kennen, der immer wieder feststellt, dass auch kleine Dinge aus der Nähe betrachtet ganz anders wirken als aus der Ferne. Die Geschichte hätte das Zeug zum Weihnachtsklassiker, wenn auch der komplette Verlauf nichts Märchenhaftes an sich hat, sondern sehr realistisch gehalten ist, wie uns die Autorin in ihrem kurzen Nachwort belegt.

    Wenn der Steidl Verlag sagt: „Mit wenigen Worten erschafft Claire Keegan eine ganze Welt“, möchte ich ihm uneingeschränkt zustimmen. Riesige Lese-Empfehlung!