Regen: Eine Liebeserklärung
Als großer Fan von Ferdinand von Schirach lese ich alles von ihm ohne großartig vorher zu recherchieren was mich da erwarten wird. Etwas schade fand ich dann aber, dass man für diesen stolzen Buchpreis 50 Seiten Theaterstück bekommt und dann ein Interview, was bereits anderweitig erschienen ist. Und das alles in Großdruck, einer Schriftgröße, die man sonst eher aus Kinderbüchern kennt.
Das Theaterstück als Monolog des unfreiwilligen Schöffen und Autors ist natürlich spannend und entspricht der Qualität, die man von Schirach kennt. Die Gedankengänge stimmen nachdenklich, regen an zu hinterfragen und man denkt noch lange darüber nach. So eine Wirkung soll Literatur ja haben. Ich stelle es mir sehr wirkungsvoll vor, wenn der Autor damit auf einer Bühne auftritt.
Ich habe das Geschrieben laut und mit Betonung gelesen, so hatte es nochmal einen anderen Eindruck auf mich als Leser, weil man sich mehr in die Figur einfühlen kann.
Fazit: Definitiv gut geschrieben, aber auch leider Wucher. Bei der aktuellen Lage muss man sich als Leser wirklich sehr gut überlegen, ob es einem das wert ist oder man dies vielleicht besser in der örtliche Bücherei leiht. Punktabzug gibt es ausschließlich aufgrund des Preises.
Ich liebe Regen
Ein Buch, das mit der Frage „Mögen Sie Regen?“ beginnt, muss ich einfach gernhaben. Ich liebe Regen (nicht durchgehend natürlich) und komme aus einer Familie von Regenliebhabern – Regen gibt einem viel Lesezeit, ein tolles Wetter.
„Regen“ von Ferdinand von Schirach hatte mich also bereits nach den ersten drei Worten eingefangen und das blieb auch so für den Rest des Monologs. Der Erzähler, der sich selbst als Schriftsteller bezeichnet, spricht an ein stummes Gegenüber gewandt über seine Schöffentätigkeit, über das Leben, über Verrücktheiten unserer Zeit und natürlich über Regen. Der Text ist scharfsinnig, fließend, pointiert, liest sich wie aus einem Guß und wie im Flug, plötzlich blickt man auf und hat schon die letzte Seite erreicht. Von Schirach schafft eine authentische und faszinierende Charakterstudie seines Erzählers mit vielen Wahrheiten, die mir überaus gut gefallen hat. Die Gedankensprünge, die Ausführungen, die leichte Selbstironie und Entlarvung des Selbst, die häufige Ansprache, die den Leser immer wieder einbindet, haben mich bestens unterhalten und an der ein oder anderen Stelle zum Schmunzeln angeregt, so mancher fast weise anmutende Satz hat mich länger beschäftigt.
Eine lohnenswerte Lektüre also, intelligent, erhellend und amüsant, die, und hier kommt mein massiver Kritikpunkt, allerdings von ihrem Umfang her besser in eins der gelben Hefte von Reclam gepasst hätte. Der Text von „Regen“ füllt gerade einmal 50 Seiten, selbst bei gemächlichem Lesetempo ist man spätestens nach 90 Minuten fertig. Da finde ich eine gebundene Ausgabe zum Preis von 20 € doch schon recht üppig, denn die zweite Hälfte des Bandes besteht aus einem bereits 2022 im SZ Magazin abgedruckten Interview, dessen Qualität ich keinesfalls bestreite – im Gegenteil, es ist ebenso interessant und lehrreich wie „Regen“ selbst – es ist nur einfach nichts, wofür ich ein halbes Buch drucken und kaufen würde. Um es also vorsichtig auszudrücken: das Preisleistungsverhältnis stimmt hier, trotz aller Authentizität des Monologs und der Freude, die es macht, diesen zu lesen, nicht.