Muna oder Die Hälfte des Lebens -

Buchseite und Rezensionen zu 'Muna oder Die Hälfte des Lebens -' von Terézia Mora
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Muna oder Die Hälfte des Lebens -"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:448
EAN:9783630874968

Rezensionen zu "Muna oder Die Hälfte des Lebens -"

  1. Ein Irrer und eine Hörige

    „Muna“ hatte ich schon lange auf meiner Wunschliste, bevor ich wusste, dass dieser Roman auf der Longlist (und später auf der Shortlist) des Deutschen Bücherpreises 2023 landen würde. Einfach, weil Terézia Mora unvergleichlich ist und ich ihren Roman „Das Ungeheuer“ so umwerfend gut fand, dass ich gerne wieder etwas Neues von ihr lesen wollte. Dafür erhielt sie verdienterweise den Deutschen Buchpreis 2013.

    Irgendwie sind ja gerade toxische Beziehungen (nicht nur) in der Literatur angesagt und dieses Thema ist immer wieder neu und auch immer wieder alt, bzw. unvergänglich.

    Hier also bewegen wir uns im Germanisten-Milieu, was mich ohnehin schon reizt. Muna, die Protagonistin, und Ich-Erzählerin wächst in einer fiktiven DDR-Stadt auf, der Vater ist lange verschwunden und die Mutter ist Schauspielerin am Theater. Bei einem Volontariats-Job lernt Muna Magnus kennen, der ist Fotograf und Französischlehrer. Und ja, er sieht umwerfend gut aus, hat aber m. E. ansonsten so gut wie keine Qualitäten. Eher im Gegenteil. Muna und Magnus landen im Bett, danach verschwindet er spurlos. Er will sich halt nicht festlegen, dauerhaft nicht festlegen.

    Alle anderen Männer sind nicht gut genug für Muna. Zwar gibt es Einige und Interesse haben viele, denn Muna ist blond und attraktiv, aber gegen das imaginäre Dauervorbild Magnus können die anderen Männer nicht anstinken. Keiner von ihnen.

    Bis irgendwann, bei einem total bescheuerten Freilichttheater Magnus von Muna erblickt wird und mehr oder weniger widerstrebend lässt er sich auf eine Beziehung ein. Jedenfalls auf das, was er unter Beziehung versteht. Es findet sogar eine gemeinsame Reise statt, aber immer geht alle Initiative von Muna aus. Er behandelt sie schlecht, aber das hält sie nicht davon ab, ständig bei ihm und um ihn sein zu wollen. So schade um diese intelligente und schöne Frau, die so die Hälfte ihres Lebens buchstäblich verschwendet.

    "Der Schlüssel ist, so zu tun, als wärst du eine von ihm unabhängige Frau mit einem eigenen Leben, einer eigenen Laufbahn. Unkompliziert sein und gut aussehen. Nicht zu viel Quatsch erzählen, nicht klagen und nicht zu viel fragen." (Seite 254)

    Wie man sieht, betreibt Muna hier Selbstverleugnung ohne Grenzen, erreicht aber nie, was sie erreichen möchte: Dass sie für Magnus genauso wichtig ist, wie er für sie. TM seziert ihre Protagonisten so tiefgründig, als lägen sie bereits in der Pathologie.

    Es gibt sehr, sehr viel Neues zu entdecken in diesem Buch, es wimmelt nur so vor Weisheiten, bekannten und unbekannten, und ist (trotzdem oder gerade deswegen) so spannend und so bravourös und ungewöhnlich geschrieben, dass man immer dranbleibt.

    Zum Glück hält sich der Ausflug ins „Gendern plus Kultur“ extrem kurz und schmerzlos auf den Seiten 300 und 301. „Das Ziel, ebenso vielen Frauen wie Männern wie anderen Geschlechtern einen Platz in Spitzenpositionen der Wissenschaft und der Wissenschaftspolitik zu gewähren, …“ (S. 301) Ansonsten wäre es wirklich höchst bedauerlich gewesen, wenn dieser grandiose Roman dadurch zum woken Geschreibsel verkommen wäre.

    Fazit: 441 Seiten, die man nicht verpassen sollte und auch, wenn ich die anderen Bücher der Shortlist 2023 nicht kenne, wünsche ich Terézia Mora den erneuten Gewinn des Deutschen Buchpreises von ganzem Herzen.

  1. 4
    17. Sep 2023 

    Die bessere Hälfte

    Muna steht kurz vor dem Abitur als ihre Mutter ins Krankenhaus muss. Zum ersten Mal auf sich allein gestellt, streift sie durch die Stadt. Während eines Praktikums lernt sie Magnus kennen, älter als sie, Lehrer und Fotograf. Muna glaubt, es sei für immer. Doch in der Zeit der Wende verschwindet Magnus. Es ist schon ein unglaublicher Zufall, dass sich Muna und Magnus nach sieben Jahren wieder begegnen. Wieder ist Muna Feuer und Flamme. Sie und Magnus müssen ein Paar werden und sein. Doch reicht es für ein ganzes Leben, wenn nur eine Hälfte die ganze Überzeugung hat?

    Eine nicht ganz einfache Jugend ist es für Muna. Ihr Vater starb früh, ihre Mutter muss wegen ihrer Alkoholkrankheit in die Klinik und dann kommen die Umwälzungen durch den Fall der Mauer. Und Muna gewinnt und verliert Magnus beinahe an einen Tag. Es ist schon viel, was auf die junge Frau einprasselt. Wie wird Muna ihren Weg wählen? Muna studiert, geht ihren Weg über Berlin nach London und Wien. Was könnte sie alles erreichen. Doch wirft sie alle Pläne über Bord, nachdem Magnus wieder in ihr Leben tritt. Was ist sie alles bereit zu geben, kann sie nichts dafür erhoffen? Schon währen ihres ersten Urlaubs wird klar, dass sich einige Hoffnungen bald zerschlagen werden.

    Für den Deutschen Buchpreis 2023 ist dieser Roman einer bekannten Autorin sicher zurecht. Das Buch liest sich äußerst gut. Welche Gedanken und Wünsche die junge Muna dazu treiben, mit ihren Entscheidungen, was Männer oder auch ihr berufliches Fortkommen angeht, dermaßen daneben zu greifen, ist nicht immer nachvollziehbar. Man denkt sich, bleib doch am Ball oder ergreif lieber die Flucht. Aber Muna rennt nicht, wo sie sollte, sie plant nicht, wo es sinnvoll wäre. Sie flieht die sympathischen Menschen und ergibt sich den Widerlingen. War diese Zeit wirklich so? Oder ist Muna einfach ein spezieller Mensch, deren Staat untergegangen ist? Sie macht aus einer Jugend, die hipp hätte sein können, die einen Aufbruch hätte darstellen können, eine spießige und abhängige. Dieser Roman hat etwas, weil er etwas auslöst. Was das ist wird auf unterschiedliche Leser unterschiedlich wirken. Doch irgendwie sind Gedanken der Schriftsteller, die eine Reaktion hervorrufen, immer sehr lesenswert und sie bilden sicher einigen Gesprächsstoff.