Mit den Jahren
Lukas verbringt die meiste Zeit im Atelier. Jemand hatte seine Bilder einmal als depressiv bezeichnet, worüber er sich ärgerte, weil es einfallslos war und stimmte. Am Abend hängt er meist noch auf einige Biere mit seinem best Buddy Henner, im Dorfkrug ab. Henner baut Installationen und reißt ständig Frauen auf. Lukas Frau Eva hat sich in ihrem Leben als Lehrerin, Ehefrau und Mutter etwas geregelter eingerichtet. Meistens gibt sie vor zu schlafen, wenn Lukas nach Hause kommt.
Jette kommt aus Hamburg und lebt noch nicht lange in Leipzig. Sie hat sich bisher nicht auf feste Beziehungen eingelassen. Ihr Beuteschema sind Frauen, mit einem Mann hat sich bisher nichts ergeben. An dem ersten Abend, an dem sie sich in ihrer kleinen Wohnung einmal nicht einsam fühlen will, geht sie in den Dorfkrug. Schnell kommt sie mit Lukas ins Gespräch, er gibt eine Runde Pfeffi, dann sie und als der Abend sich dem Ende ergibt, geht Jette mit ihm in sein Atelier.
Eine Woche danach interessiert Jette sich für Lukas Facebookprofil. Obwohl die Fotos von Lukas Frau und seinen Kindern schon älter sind, versetzt es Jette einen Stich, sie zu sehen. Sie spaziert nach der Arbeit durch die Gegend, bis zu dem Haus in dem Lukas mit seiner Familie lebt. Sie sieht Lukas Frau auf dem Balkon stehen und eine Zigarette rauchen. Jette versucht sich vorzustellen, wie es sich mit zwei Kindern lebt und ist sicher, die falschen Schlüsse zu ziehen.
Fazit: Ich mag es, wie die Autorin erzählt. Wie sie jeder ihrer Figuren genug Raum gibt, um deren Intention zu zeigen. Die Autorin blickt in die Köpfe und verwebt Lukas, Evas und Jettes Gedanken miteinander. Die Geschichte lebt nicht so sehr durch die Interaktion, obwohl einzelne Szenen sehr gelungen sind, sondern dadurch, dass ich die Vorstellungen und Ideen der drei erfahre. Lukas und Eva haben sich in ihrem zwanzigjährigen Beisammensein eingerichtet und es sich bequem gemacht. Sie neigen zu Fehlinterpretationen über die Reaktionen ihres Gegenübers, weil sie nicht reden. Die angenommene Gewohnheit lässt vieles auf der Strecke, vor allem Spontanität. Lukas versucht seinen Selbstwert in seinen Seitensprüngen zu finden, während Eva ihren Wert in ihrer Arbeit findet. Dann hat das Schicksal ihnen Jutta ins Leben gespült, die, ohne den Anspruch zu haben, alles verändert. Das Ende hat mich überrascht und befremdet, aber ich möchte den Verlauf der Geschichte nicht bewerten. Zum Ende hat sich meines Erachtens ein zeitlicher Fehler eingeschlichen, den ich nicht monieren möchte, weil die Ereignisse so liebe- und humorvoll erzählt wurden, dass ich gebannt an den Worten der Autorin hing. Ich habe dieses zweite Buch von Janna Steenfatt gerne gelesen.
Jette ist Single und hat sich in einem Leben mit Gelegenheitsjobs eingerichtet. Eines Abends trifft sie in einer Kneipe auf Lukas und beginnt eine Affäre mit ihm – und das, obwohl sie doch bisher nur an Frauen interessiert war. Lukas ist Künstler, in einer Schaffenskrise und eigentlich mit Eva verheiratet, mit der er zwei gemeinsame Kinder hat. Die ist zwar mit ihrem Beruf als Lehrerin ganz zufrieden, fragt sich aber im Privaten, ob das Leben mit ihrem Ehemann noch das ist, was sie sich einmal darunter vorgestellt hat.
„Mit den Jahren“ ist der zweite Roman der Autorin Janna Steenfatt. Die Handlung springt stets zwischen den Perspektiven der drei Charaktere Jette, Eva und Lukas hin und her – mal erleben wir sie einzeln, mal in den verschiedensten Kombinationen. Lange Zeit wird hauptsächlich der Alltag der drei szenenhaft wiedergegeben: Jettes Verhältnis mit Lukas und ihre Arbeit in der Videothek, Lukas Ringen mit seinem neusten Gemälde und seine Versuche, sich in die eigene Familie einzufinden sowie Evas wachsende Frustration mit seiner ständigen Abwesenheit.
An einem gewissen Punkt geschieht plötzlich alles auf einmal: Eva bricht aus der Familiensituation aus und trifft nur durch Zufall auf Jette, die ihr sofort sympathisch ist. Es scheint beinahe so, als hätten alle Beteiligten die Plätze getauscht. Lukas ist nun viel stärker in die Betreuung seiner Kinder eingebunden, Eva führt zum ersten Mal seit vielen Jahren so etwas wie ein Singleleben und Jette kann nun mehr Zeit mit Lukas verbringen. Aber ist es das, was alle drei tatsächlich wollen?
Janna Steenfatt ist ein interessantes Porträt dreier Menschen gelungen, die zur gleichen Zeit Zweifel bekommen, ob das von ihnen gewählte Leben noch zu ihnen passt. Von Beginn an ist klar, dass sich hier ein Beziehungsdreieck entwickeln wird und ich muss zugeben, ich hätte mir das Dreieck als Linie gewünscht. Nicht, weil ich spießig bin, sondern weil ich das Gefühl hatte, dass zwei Personen ohne die dritte vielleicht glücklicher wären – was gleichzeitig auch bedeutet, dass ich einen anderen Schluss für den Roman vorgezogen hätte.
Moments
Nach längerer Zeit als Single fragt sich Jette, ob sie das besonders zufriedenstellt. Sie hat keinen Partner und auch sonst wenig Sicherheit. Ihre Jobs sind nicht unbedingt lukrativ. In einer Kneipe trifft sie Lukas, der einen ganz anderen Lebensentwurf hat. Mit seiner Frau Eva hat er zwei Kinder und sie sind schon seit Ewigkeiten zusammen. Vielleicht ist es dieser Gegensatz, der sie ins Gespräch kommen lässt. Und vielleicht ist auch ein wenig mehr drin. Jette jedenfalls kommt ins Nachdenken. Lukas will keine Affäre anfangen, aber er will einfach nicht immer in Familie machen.
Drei Menschen, die in Beziehung miteinander treten. Sie sind in ihren besten Jahren und wirken doch nicht ganz zufrieden. Da läuft es jobmäßig etwas mau, die Beziehung plätschert so dahin, selbst die Kinder nerven manchmal Jedoch will man ausbrechen? Das wäre wohl ein herber Einschnitt. Mehr als Stress würde es nicht bringen, oder? Jette, die am wenigsten zu verlieren hat, würde schon gerne was Ernsthafteres mit Lukas anfangen. Der allerdings erweckt nicht den Eindruck, als wolle er seine Bequemlichkeit aufgeben. Ein wenig naschen ja. Und was ist mit Eva? Auch sie hängt irgendwie fest. Unklar, ob sie die Kraft für eine Entscheidung aufbringt oder aufbringen will.
Familienromane können es in sich haben. Die Frage, was sich aus dieser Dreierkonstellation ergeben kann, erscheint spannend und interessant. Doch dann mäandert die Handlung so vor sich hin. Dieser in einzelne Szenen aufgespaltene Fortgang, muss eben den Geschmack des Lesers treffen. Für die anderen wechseln längere Passagen ohne Absätze mit durchaus berührenden Momenten. Einen glücklichen Moment gibt es. Leider erscheint es schwierig, Sympathien zu vergeben. Vielleicht sind manchmal auch die Erwartungen der Leserin an sich selbst zu hoch, denn eigentlich mag sie solche Romane. Vielleicht hätte das schön gestaltete Cover einen Hinweis geben können, denn dort schauen alle in unterschiedliche Richtungen und so scheint auch die Entwicklung zu laufen. Ein Roman, der etwas verloren stimmen kann.