Inhaltsangabe zu "Kaltblütig"
Kaltblütig: Wahrheitsgemäßer Bericht über einen mehrfachen Mord und seine Folgen.
In Kansas wird eine von allen geachtete Familie auf ihrer Farm “kaltblütig” ermordet. Panik ergreift die Bürger der nahen Kleinstadt. Die beiden Täter werden schnell gefasst. Der autor besucht sie im Gefängnis und notiert alles, was sie ihm berichten. Sein aufregender Tatsachenroman ist eine zeitlose Studie über die Psychologie des Verbrechens.
Auge um Auge,
... Zahn um Zahn.
Im Jahr 1959 geschah im zweitausend Einwohner zählenden Örtchen Holcomb, Kansas, USA, ein Verbrechen. Vier Mitglieder der Farmerfamilie Clutter wurden in einer Novembernacht in ihrem Haus getötet. Eine Bestandsaufnahme der Polizei ergab, dass nur ungefähr 50 Dollar, hauptsächlich aus der Geldbörse des Vaters und ein Radio gestohlen wurden. Niemand aus der unmittelbaren Nachbarschaft hörte die Schüsse, mit denen Vater, Mutter, und die beiden Teenager-Geschwister regelrecht hingerichtet wurden. Es dauerte 3 Monate, bevor die Täter geschnappt und verurteilt und weitere 6 Jahre, bevor das Urteil, Tod durch Erhängen, vollstreckt wurde.
So wie halb Amerika, interessierte sich auch der damals 36-jährige Capote für diese Tat und recherchierte über Jahre im Umfeld aller Beteiligten und sammelte so den Stoff für seinen Sensationserfolg "Kaltblütig", einem True Crime Buch, das den New Journalism einführen sollte. Er unterhielt sich nicht nur mit den Ermittlern, besuchte nicht nur den Ort des Geschehens, sondern fing auch Stimmungen der Freunde, Bekannten und Einwohner auf. Er bekam Zugang zu den Tätern und interviewte sie für eine weite Rückblende, die über die unmittelbaren Stunden vor dem Mord bis in ihre Kindheiten zurückreichten. Sein Buch veröffentlichte er erst nach der Vollstreckung des Urteils.
Das Buch beginnt wie ein Roman. Capote stellt uns die Familie Clutter vor, ihre Reputationen, ihre Normalität im Bible-Belt von Amerika. Gleichzeitig aber lässt er zwei Gangster, die sich im Knast kennengelernt haben, Richard Hickock, 28, genannt Dick und Perry Smith, 31 zusammentreffen. Dick hat einen Coup geplant und nimmt von Perry an, dass er kaltblütig genug sei, Menschen umzubringen. Sie nehmen Kurs auf Holcomb.
Der Leser weiß natürlich was passiert, dennoch thrillt die Spannung, die Unruhe, angesicht aller Vergeblichkeit, überträgt sich. Erst ab circa 80 Seiten (bezieht sich auf neu Ausgabe von Kein&Aber) blitzt zum ersten mal Capotes Interviewrecherche durch, aber da ist man schon längst im Ablauf gefangen. Die Neugier auf die Täter wächst, denn sie sind kein eingespieltes Team. Und so sind es denn auch eher Zufälle und Unvorsichtigkeiten, die die Mörder in die Falle tappen lassen.
Trotz aller Nähe zum Geschehen und den Beteiligten, reicht Capotes Augenmerk auch auf Holcomb. Seine Bewohner verändern sich, sie spekulieren, sie haben Angst, ziehen weg, oder lassen das Leben mit aller Vehemenz weiterlaufen. So heiratet eine andere Clutter Tochter noch in der Woche der Beisetzung der Familie, weil alle Verwandten sowieso schon versammelt sind. Hier wird klar, mit welcher Nüchternheit und Klarheit Capote alle Fakten zusammentrug und alle seine Erkenntnisse wertungsfrei ins Buch fließen ließ.
Neben vielen anderen Gedanken zur Sozialisation, Recht und Gerechtigkeit, bleibt dann schließlich noch die Frage, ob man Mord durch Mord sühnen kann. Ein tolles Buch, großartig, und mit all den Hintergrundinformationen aus "Truboy" von Anuschka Roshani, entdeckte ich für mich einen neuen Autor, von dem ich mehr lesen möchte.