Gefährliche Betrachtungen

Buchseite und Rezensionen zu 'Gefährliche Betrachtungen' von Tilo Eckardt
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Gefährliche Betrachtungen"

Nidden im Sommer 1930, ostpreußisches Fischerdorf und Künstlerkolonie auf der Kurischen Nehrung, einem archaischen Landstrich zwischen wilder Ostsee und stiller Lagune. An dieser weißen Küste „so schön geschwungen, dass man glauben könnte, in Nordafrika zu sein“, landet im Juli 1930 Thomas Mann mit Familie, um das neue Sommerhaus zu beziehen. Daheim in Deutschland droht nach der Auflösung des Reichstags das Ende der Weimarer Republik, und der tief beunruhigte Dichter arbeitet im Bademantel im Schatten seines Strandkorbes heimlich an einer großen Rede, mit der er das deutsche Volk vor dem erstarkenden Nationalsozialismus warnen will. Da kreuzen sich unter außergewöhnlichen Umständen die Wege des weltberühmten Dichters und des jungen litauischen Übersetzers Žydrūnas Miuleris, den Mann hartnäckig und eingedeutscht Müller nennt. Und es ist dieser Müller der den Dichter in größte Schwierigkeiten bringt, als er das Manuskript der brisanten Rede verliert. Die Suche danach scheint weitere rätselhafte Ereignisse in Gang zu bringen. Thomas Mann fühlt sich verfolgt und beobachtet und ein Mitglied seines Hausstandes verschwindet spurlos. Der Dichter und sein Übersetzer sehen sich einem ebenso seltsamen wie aufregenden Fall gegenüber. Zwischen Wanderdünen und Wald, umgeben von exzentrischen Künstlern, stoischen Fischern und neugierigen Kurgästen müssen Mann und Müller alles daransetzen, die Abschriften wiederzuerlangen, bevor sie in die falschen Hände geraten.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:304
Verlag: Droemer HC
EAN:9783426560181

Rezensionen zu "Gefährliche Betrachtungen"

  1. 4
    07. Nov 2024 

    Mann und Müller

    Im Jahr 1930 reist der junge Übersetzer Žydrūnas Miuleris nach Nidden auf der Kurischen Nehrung. Er hofft dort auf sein Idol Thomas Mann zu treffen, der für seinen Roman „Die Buddenbrooks“ den Literaturnobelpreis erhalten hat. Miuleris größter Wunsch ist es den großen Roman ins Litauische zu übersetzen. Während eines Strandaufenthaltes hat er Glück, ein paar Seiten eines Schriftstücks einzufangen, dass der Wind aus den Händen Manns davongetragen hat. Er memoriert einen Teil des Geschriebenen, in dem Thomas Mann seine Meinung zur politischen Lage und der herandrohenden Naziherrschaft kundtut. So kommt Miuleris mit Mann in Kontakt und ahnt nicht, was sich aus der kleinen Begegnung entwickeln wird.

    Zum 150. Geburtstag des Schriftstellers Thomas Mann erscheint dieser historische Kriminalroman. Die kritischen Blätter, von denen Miuleris, der von Mann nur Müller genannt wird, ein Faksimile angefertigt hat, führen dazu, dass die beiden unterschiedlichen Herren, ihre spontane Detektei Mann und Müller gründen. Müller hat das Pech sein Faksimile zu verlieren, wegen seines brisanten Inhalts, kann es gefährlich sein, wenn es an die Öffentlichkeit gelangt. Und so unternehmen Mann und Müller so einiges, um wieder in den Besitz des Schriftstücks zu kommen. Dabei erfahren sie das ein oder andere über ihre Persönlichkeiten und Vorlieben.

    Ist man mit dem Werk Thomas Manns bekannt ist, aber nicht so sehr mit dem Autor, bietet dieser Roman eine tolle Gelegenheit, dem Nobelpreisträger ein wenig näher zu kommen. Mit großem Interesse liest man von der Sommerfrische, von den Gedanken Thomas Manns zur politischen Lage und von seinen Familienleben. Gleichzeitig lernt man den jungen Übersetzer kennen, der nicht nur des Schriftstellers wegen nach Nidden gereist ist. Es ergibt sich eine sehr ansprechende Handlung, die spannender ist als erwartet, die einen berührt und einen zum Nachdenken bringt. Vielleicht hat man nicht viele Erwartungen an das Buch, diese werden bei weitem übertroffen durch diesen intelligenten Roman, den es sich zu lesen lohnt.

    Da Titelbild gibt die Stimmung des Romans sehr gut wieder, man denkt ein wenig an den großen Romantiker Caspar David Friedrich, aber auch an die im Roman erwähnten Strandspaziergänge des Schriftstellers Thomas Mann.

    4,5 Sterne

  1. Sherlock Mann und Dr. Müller

    Thomas Mann goes Crime? Coole Idee. Fand wohl auch der Autor Tilo Eckardt und hat mit „Gefährliche Betrachtungen“ seinen 1. Fall (ja, der 2. Fall erscheint 2025 *freu*) für das im wahrsten Sinne des Wortes ungleiche Ermittlerpaar Thomas Mann und seinen (fiktiven) litauischen Übersetzter Zydrunas Miuleris im Droemer Verlag veröffentlicht.

    Der Autor lässt Thomas Mann bereits während seines Sommerurlaubs 1930 auf der Kurischen Nehrung seine berühmte Rede „Ein Appell an die Vernunft“ schreiben und strickt daraus den eingangs erwähnten Kriminalfall. Denn nachdem Zydrunas Miuleris am Strand von Nidden durch einen im wahrsten Sinne des Wortes windigen Zufall Thomas Mann kennengelernt und ihm seinen Wunsch, die „Buddenbrooks“ ins Litauische übersetzen zu dürfen, vorgetragen hat, entspinnt sich ein Kriminalfall, der weder Raub noch Erpressung noch einen Toten auslässt. Allerdings dürften Die Hard-Krimileser:innen enttäuscht werden, wenn sie auf actiongeladene Verfolgungsszenen etc. setzen. Denn eigentlich steht in „Gefährliche Betrachtungen“ etwas ganz Anderes im Vordergrund, nämlich die kurische Nehrung, ihre Atmosphäre und wie sie sich dem herannahenden Nationalsozialismus stellt sowie den Auswirkungen auf Thomas Mann und seine Arbeit.

    Mit viel Witz, Humor und manchmal auch etwas Slapstick, aber auch dem ein oder anderen denkwürdigen Satz (egal ob real oder fiktiv) versuchen die zwei Hobbydetektive Thomas Mann und sein Übersetzer, der von Mann nur „Müller“ genannt wird, dem „Verbrechen“ auf die Spur zu kommen.

    In manchen Szenen spricht der inzwischen über 100-jährige Ich-Erzähler Zydrunas direkt mit der Leserschaft, was für zusätzlichen Witz sorgt.

    Natürlich ist der Großteil des Romans fiktiv und doch hat Tilo Eckardt genug Authentizität verarbeitet, dass man als Leser:in erschreckende Parallelen zur heutigen politischen Weltlage ziehen kann. Was Fiktion und Realität ist, wird auch in dem kurzen, aber durchaus relevanten Nachwort erklärt. Zusätzlich enthalten ist ein Literatur- und Quellenverzeichnis.

    Mir jedenfalls hat „Gefährliche Betrachtungen“ ein paar sehr unterhaltsame Lesestunden beschert und ich spreche eine absolute Leseempfehlung aus!

    ©kingofmusic