Die Erzählerin ist eine junge Schweizerin, die ihr geisteswissenschaftliches Studium in Berlin unterbricht, um in ihrer Heimat als Erntehelferin ein wenig Geld zu verdienen. Sie wohnt und arbeitet in dem Städtchen Ferymont, in dessen Umgebung es mehrere große Höfe gibt. Nacheinander arbeitet sie bei der Spargel- und Erdbeerernte, pflückt Johannisbeeren und Brombeeren, erntet Tabak (auf einer Erntemaschine, die eingehend beschrieben wird) und fängt am Ende Hühner für die Schlachtung ein. Die Arbeit ist hart und meistens schlecht bezahlt, obwohl sie fürs Hühnerfangen immerhin 50 Franken die Stunde verdient, das sind etwas über 50 Euro - wobei man wohl die höheren Preisstandards in der Schweiz berücksichtigen muss.
Wie auch immer. Der Grundton dieses Romans ist keineswegs Klage oder Anprangern der Verhältnisse, obwohl sie dürftig genug sind. Das Thema ist nicht das Prekariat, sondern die Solidarität. Die Kollegen und Kolleginnen der Erzählerin, fast durchgehend Arbeiter und Arbeiterinnen aus dem Ausland - Moldavien, Rumänien, Polen - werden als grundsolide, integre und einfühlsame Menschen eingeführt. Man hilft einander, lädt einander ein, unterhält sich in den Pausen über die Familie daheim. Fast alle haben zu Hause noch einen anderen Beruf, die Vorarbeiterin Daria, mit der sich die Erzählerin anfreundet, arbeitet zum Beispiel im Winterhalbjahr zu Hause als Gerichtsvollzieherin; einer ihrer Kollegen berichtet, dass seine Frau daheim als Anwältin arbeitet. Es sind keine geistig Armen oder "Prolls", die hier vorgestellt werden. Aber, das ist wichtig zu wissen, es sind auch keine Protestler, die mit ihrem Schicksal hadern. Man richtet sich ein mit dem, was man hat. Sogar die Arbeitgeber sind hier keine rücksichtslosen Ausbeuter, sondern Menschen, die sich mit dem System arrangieren müssen.
Es passiert nicht viel in dem schmalen Buch, außer dass es zu einem tragischen Unfall kommt, der die Erzählerin lange beschäftigt. Ansonsten ist das ein Buch der sehr leisen Töne. Selbst die Liebesgeschichte, die sich anzuspinnen scheint, verläuft im Sand. Aber gerade die Zurückhaltung dieser Geschichte, die (fast) jedem sich andeutenden Drama die Spitze abschneidet, ehe etwas wirklich Aufregendes passiert, macht sie so besonders. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich auf den Erzählton so richtig einlassen konnte; vermutlich ist es gut, von vornherein zu wissen, dass es keine wirkliche Kulmination gibt in diesem Buch. Wenn man aber etwas erfahren will über das Milieu der bäuerlichen Saisonarbeiter, ohne gleich ein Pamphlet lesen zu wollen, kann ich es wirklich empfehlen.
Das Städtchen Ferymont gibt es übrigens tatsächlich; laut einer Online-Kritik, die ich heute gelesen habe, handelt es sich um die Gemeinde Ins im Berner Seeland. Die Autorin hätte den Namen auch nennen können. Hier wird nichts angeklagt und nichts vorgeführt, sondern nur geschildert und beschrieben. Die Unruhe, die sich im Kopf der Leserin rührt, steigt zwischen den Zeilen auf.
Unter Saisonarbeitern
Die Erzählerin ist eine junge Schweizerin, die ihr geisteswissenschaftliches Studium in Berlin unterbricht, um in ihrer Heimat als Erntehelferin ein wenig Geld zu verdienen. Sie wohnt und arbeitet in dem Städtchen Ferymont, in dessen Umgebung es mehrere große Höfe gibt. Nacheinander arbeitet sie bei der Spargel- und Erdbeerernte, pflückt Johannisbeeren und Brombeeren, erntet Tabak (auf einer Erntemaschine, die eingehend beschrieben wird) und fängt am Ende Hühner für die Schlachtung ein. Die Arbeit ist hart und meistens schlecht bezahlt, obwohl sie fürs Hühnerfangen immerhin 50 Franken die Stunde verdient, das sind etwas über 50 Euro - wobei man wohl die höheren Preisstandards in der Schweiz berücksichtigen muss.
Wie auch immer. Der Grundton dieses Romans ist keineswegs Klage oder Anprangern der Verhältnisse, obwohl sie dürftig genug sind. Das Thema ist nicht das Prekariat, sondern die Solidarität. Die Kollegen und Kolleginnen der Erzählerin, fast durchgehend Arbeiter und Arbeiterinnen aus dem Ausland - Moldavien, Rumänien, Polen - werden als grundsolide, integre und einfühlsame Menschen eingeführt. Man hilft einander, lädt einander ein, unterhält sich in den Pausen über die Familie daheim. Fast alle haben zu Hause noch einen anderen Beruf, die Vorarbeiterin Daria, mit der sich die Erzählerin anfreundet, arbeitet zum Beispiel im Winterhalbjahr zu Hause als Gerichtsvollzieherin; einer ihrer Kollegen berichtet, dass seine Frau daheim als Anwältin arbeitet. Es sind keine geistig Armen oder "Prolls", die hier vorgestellt werden. Aber, das ist wichtig zu wissen, es sind auch keine Protestler, die mit ihrem Schicksal hadern. Man richtet sich ein mit dem, was man hat. Sogar die Arbeitgeber sind hier keine rücksichtslosen Ausbeuter, sondern Menschen, die sich mit dem System arrangieren müssen.
Es passiert nicht viel in dem schmalen Buch, außer dass es zu einem tragischen Unfall kommt, der die Erzählerin lange beschäftigt. Ansonsten ist das ein Buch der sehr leisen Töne. Selbst die Liebesgeschichte, die sich anzuspinnen scheint, verläuft im Sand. Aber gerade die Zurückhaltung dieser Geschichte, die (fast) jedem sich andeutenden Drama die Spitze abschneidet, ehe etwas wirklich Aufregendes passiert, macht sie so besonders. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich auf den Erzählton so richtig einlassen konnte; vermutlich ist es gut, von vornherein zu wissen, dass es keine wirkliche Kulmination gibt in diesem Buch. Wenn man aber etwas erfahren will über das Milieu der bäuerlichen Saisonarbeiter, ohne gleich ein Pamphlet lesen zu wollen, kann ich es wirklich empfehlen.
Das Städtchen Ferymont gibt es übrigens tatsächlich; laut einer Online-Kritik, die ich heute gelesen habe, handelt es sich um die Gemeinde Ins im Berner Seeland. Die Autorin hätte den Namen auch nennen können. Hier wird nichts angeklagt und nichts vorgeführt, sondern nur geschildert und beschrieben. Die Unruhe, die sich im Kopf der Leserin rührt, steigt zwischen den Zeilen auf.