60 Kilo Kinnhaken: Roman
Ein aussergewöhnliches Cover. Im Stil wie das des Vorgängerbuches 60 Kilo Sonnenschein, nur Farbgebung und Schiffsmodell sind anders. Ich wunderte mich sehr über den Titel. Nach ein bisschen Recherche ist klar, dass das auch ein Markenzeichen von Hallgrímur Helgason ist. Er hat auch Preise gewonnen für Titel wie " Zehn Tipps, das Morden zu beenden und mit dem Abwasch zu beginnen " .
In der Übersetzung von Ohrfeigen auf Kinnhaken verliert der Titel nicht, aber die grosse 60 als Zahl dominierend hätte man besser weglassen sollen.
Nun zum Buch. Ich war nicht ganz glücklich mit der Dicke und Schwere des Buches. Auch die Eigennamen und indirekten Verweise auf isländische Geschichte, vor allem Alltagsgeschichte, sind für mich schwer zu lesen.
Auch die manchmal langen Beschreibungen einer Landschaft, einer Situation von Wetter und Stimmung unter den Menschen ist für mich etwas befremdlich. Silberabend auf Goldgefilden. Und kurz zuvor die Beschreibung einer Art Strandparty beim Bergen von Waren aus einem Schiffswrack: Saufen, Kotzen und sich entleeren. Das Buch war für mich zu lang, zu dick und ich glaube der hochgelobte Sprachwitz und die Wortneuschöpfungen von Hallgrímur Helgason sind natürlich nur im isländischen Original so toll.
Der 2. Band
- 60 Kilo Kinnhaken -
rund um den Waisen Gestur und den kleinen Ort Segulfjörður (fiktiv) auf Island, ist am 16.09.2023 in Deutschland erschienen.
Der Schriftsteller Hallgrímur Helgason, geboren 1959 in Reykjavík, konnte sich seit 1996 einen Namen als Autor machen.
Für mich ist es das erste Buch von ihm gewesen.
Das wunderschön gestaltete Cover bildet genau den Schwerpunkt der Gemeinde Segulfjörður, mit ihrer größten Einkommensquelle ab.
Der Fischfang.
Die Farben und der verwendete Schriftsatz sind im Zusammenspiel ein toller Hingucker und machen neugierig.
Zum Inhalt:
Wir sind 1906 in Segulfjörður. Der Ort hat durch seine erfolgreichen Fischer, eine steile Erfolgsgeschichte hinter sich.
Der Ort und seine Menschen streben nun nach mehr. Hinzu gesellt sich der junge Gestur welcher inzwischen volljährig ist. Er findet bald Arbeit in der örtlichen Fischfabrik, nicht ahnend, dass das Schicksal für ihn und alle Ortsansässigen, bald eine gewaltige Überraschung parat hält.
Mein persönlicher Eindruck
Ausfertigung: Das Buch ist mit seinen weit über 600 Seiten ein beeindruckendes Werk. Die Gesamt - Komposition hat mich gleich zu Beginn positiv beeindruckt.
Das beinhaltete Glossar - Personen und Orte -, sowie die grafische Skizze der örtlichen Gegebenheiten, erleichtern mir den Einstieg in die Geschichte.
Insgesamt macht das Buch einen wirklich wertigen Eindruck und eignet sich dadurch gut, als Geschenk.
Deutsche Übersetzung: Karl-Ludwig Wetzig hat hier eine sehr gute Arbeit verrichtet. Durchgehend ist die Übersetzung sehr gut lesbar und lässt mich vergessen, dass es ein isländisches Buch ist.
Schreibstil, Lesefluss & Momentum:
Insgesamt hat mich das gesamte Buch an Bücher im Märchen-Genre denken lassen. Auch hier wird die Geschichte in einem eher langsamen Momentum vorgetragen. Die Schwerpunkte werden sorgfältig vorbereitet und ohne Hast, deren Botschaften & reaktiven Aktionen, sorgfältig erläutert.
Ist es möglich diesen 2. Band zu verstehen ohne den ersten gelesen zu haben?
Ein klares Ja.
Es wird sicher bei den Lesern einige geben, die sich den ersten Band nach genussvollem Lesen dieses 2. Bands, zulegen werden.
Zusammenfassung:
Eine gut sortierte, sich gemächlich entwickelnde Erzählung, denen viel mit der Erzählart von Märchen, gemeinsam hat.
Leser, die gerne klar definierte Erzählungen lesen und Wert auf sorgfältige Ausgestaltung legen, werden hiermit viel Freude haben.
Fazit:
Es ist kein _ mal so zwischendurch Buch! Hierfür sollte man sich Zeit nehmen können.
Es handelt sich um den 2. Teil einer Erzählung aus dem Erleben der Waise Gestur auf Island, welcher jedoch ohne Vorkenntnisse genossen werden kann.
Ich vergebe insgesamt sehr gute 4* Lesesterne verbunden mit einer Empfehlung an Leser, die sich sorgfältig entwickelnde Geschichten zu schätzen wissen.
ISDN: 978-3-608-50184-1
Verlag: Tropen
Seitenzahl: 672
Formate: elektr. & gebundene Ausgabe
Der Fortschritt kommt nach Segulfjörður
Es läuft gut in dem kleinen Ort Segulfjörður, denn die Heringsfänge sind seit einige Jahren gut. Menschen aus anderen Ländern bringen Fortschritt und verändern das Leben in der kleinen Gemeinde. So eröffnen sich auch für den Waisen Gestur unverhoffte Möglichkeiten, die er auch bereitwillig annehmen will. Es ist eine Zeit des Umbruchs, die aber natürlich auch neue Probleme mit sich bringt.
Ich lese gerne Bücher, die in nordischen Ländern spielen. Daher hat mich auch dieser Roman angezogen. Dieses Buch ist nach „60 Kilo Sonnenschein“ der zweite Band um den jungen Gestur, der inzwischen volljährig ist. Ich hatte den Vorgängerband nicht gelesen, was auch nicht unbedingt notwendig ist für das Verständnis. Aber mir ist Gestur so ans Herz gewachsen, dass ich das gerne noch ändern will.
Der Autor Hallgrímur Helgason schreibt wortgewandt und humorvoll, manchmal sogar poetisch. Allerdings schildert er manches auch in einer sehr direkten, bissigen und markigen Sprache. Man muss Zeit und Muße haben, um dieses seitenstarke Werk zu lesen, das leider einige Längen aufweist. Auch die fremden Namen machen es einem nicht immer leicht. Wir erfahren beim Lesen aber sehr viel über die Geschichte und Kultur Islands.
Mit den Neuankömmlingen aus dem Ausland verändert sich der kleine Ort Segulfjörður, der zwar fiktiv ist, aber genauso ausgesehen haben könnte. Der Fortschritt bringt viele technische Errungenschaften in diesen zuvor etwas rückständigen Ort, was das Leben rundum wandeln. Die Menschen wollen an diesem Fortschritt teilhaben. Doch solche Veränderungen bringen nicht nur Positives mit sich, leider gibt es auch Schattenseiten.
Auch Gestur trifft Entscheidungen, von denen sein Ziehvater nichts weiß, denn er hat Träume, die er wahr werden lassen möchte. Wir erleben mit, wie er erwachsen wird und die Liebe erlebt.
Doch es kommt, wie es kommen muss: Dass Schicksal schlägt zu in Segulfjörður.
Die Personen sind lebendig und oft etwas eigenwillig dargestellt.
Eine interessante Geschichte, humorvoll und tiefgründig zugleich, die mich gut unterhalten hat.