Die Vegetarierin: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Vegetarierin: Roman' von Han Kang
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4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Vegetarierin: Roman"

Ein seltsam verstörendes, hypnotisierendes Buch über eine Frau, die, laut ihrem Ehemann an Durchschnittlichkeit kaum zu übertreffen ist – bis sie eines Tages beschließt, kein Fleisch mehr zu essen.



»Bevor meine Frau zur Vegetarierin wurde, hielt ich sie für nichts Besonderes. Bei unserer ersten Begegnung fand ich sie nicht einmal attraktiv. Mittelgroß, ein Topfschnitt, irgendwo zwischen kurz und lang, gelbliche unreine Haut, Schlupflider und dominante Wangenknochen. So fühlte ich mich weder von ihr angezogen noch abgestoßen und sah daher keinen Grund, sie nicht zu heiraten.«

Yeong-Hye und ihr Ehemann sind ganz gewöhnliche Leute. Er geht beflissen seinem Bürojob nach und hegt keinerlei Ambitionen. Sie ist eine zwar leidenschaftslose, aber pflichtbewusste Hausfrau. Die angenehme Eintönigkeit ihrer Ehe wird jäh gefährdet, als Yeong-Hye beschließt, sich fortan ausschließlich vegetarisch zu ernähren und alle tierischen Produkte aus dem Haushalt entfernt. »Ich hatte einen Traum«, so ihre einzige Erklärung. Ein kleiner Akt der Unabhängigkeit, aber ein fataler, denn in einem Land wie Südkorea, in dem strenge soziale Normen herrschen, gilt der Vegetarismus als subversiv. Doch damit nicht genug. Bald nimmt Yeong-Hyes passive Rebellion immer groteskere Ausmaße an. Sie, die niemals gerne einen BH getragen hat, fängt an, sich in der Öffentlichkeit zu entblößen und von einem Leben als Pflanze zu träumen. Bis sich ihre gesamte Familie gegen sie wendet.



Die Vegetarierin ist eine kafkaeske Geschichte in drei Akten über Scham und Begierde, Macht und Obsession sowie unsere zum Scheitern verurteilten Versuche, den Anderen zu verstehen, der ja doch, wie man selbst, Gefangener im eigenen Leib ist.

Autor:
Format:Kindle Edition
Seiten:191
EAN:9783841211545

Rezensionen zu "Die Vegetarierin: Roman"

  1. 4
    19. Okt 2024 

    Lebensringe

    Yong-Hye wurde von ihrem Mann ausgesucht, weil sie so normal und unauffällig ist. Inzwischen sind die eine Weile verheiratet, Yong-Hye ist still und bringt immer schmackhaftes Essen auf den Tisch. Ihr Mann ist zufrieden und so langsam könnte man vielleicht mal an Kinder denken. Dann fängt Yong-Hye an, nur noch vegetarisch zu essen. Das ist in Südkorea nicht an der Tagesordnung und ihr Mann versucht sie davon abzubringen. Alle Überzeugungsarbeit hilft jedoch nicht, es bleibt dabei, dass für Yong-Hye der Fleischkonsum unerträglich ist. Als letztes Mittel soll die junge Frau während einer Familienveranstaltung doch nicht überzeugt werden, wieder normal zu essen.

    Aus drei verschiedenen Perspektiven wird die Geschichte von Yong-Hye beleuchtet. Sie selbst ist zwar immer dabei, ergreift aber selten das Wort. Zunächst lässt sich ihr Ehemann aus, der sich als sehr gefühllos entpuppt. Dann gerät Yong-Hye an ihren Schwager, was zunächst hilfreich zu sein scheint, schließlich aber doch bergab geht. Schließlich versucht ihre ältere Schwester sich um sie zu kümmern.

    Nicht alles erfährt man über oder von Yong-Hye. Dass sie sich von Menschen abgrenzen möchte, die ihr gegenüber nicht wohlwollend auftreten, kann man allerdings gut nachvollziehen. Ob man die gänzliche Abgrenzung noch verstehen kann, obliegt dem eigenen Empfinden. Selbst wenn einen einiges fremd bleibt, so besticht dieser Roman durch eindringliche Beschreibungen, die einen mitunter einen Schauer nach dem anderen den Rücken runterlaufen lassen. Die Extremität ist nicht ganz nachvollziehbar, aber man wünschte, die Familie wäre untereinander liebevoller und verständnisvoller gewesen.

    Hat man sich bei Erscheinen des Romans noch gefragt, ob man die Handlung gänzlich durchdringen kann und dann die mögliche Lektüre erstmal verschoben, ist das Interesse durch den Gewinn des Literatur Nobelpreises 2024 der Autorin neu geweckt. Und man ist sehr froh, dass man diesmal nichts verschoben hat.