Wir werden jung sein: Roman
Vier Herzkranke verschiedenen Alters nehmen an einer Medikamentenstudie teil. Plötzlich verschwinden ihre Symptome und es stellt sich heraus, dass durch die Einnahme des Medikaments ein körperlicher Verjüngungsprozess eingesetzt hat. Es ist eine wissenschaftliche Sensation und die ganze Welt reißt sich um dieses Medikament. Doch was passiert, wenn die Menschen plötzlich in der Lage sind, sich stetig zu verjüngen? Diese und viele andere Fragen keimen auf und die Entwicklung nimmt einen Spießrutenlauf, der den Versuchspersonen einiges abverlangt...
Maxim Leo greift in "Wir werden jung sein" ein Thema auf, dass die Menschheit wohl schon bewegt, seit sie sich zu einer Hochkultur entwickelt hat: können wir uns verjüngen und diesen Zustand vielleicht ewig aufrecht erhalten? Der Roman beginnt humorvoll, der Schreibstill ist mitreißend, das Thema spannend. Die Leser:innen folgen insgesamt sechs verschiedenen Charakteren verschiedenen Alters - den vier Teilnehmer:innen der Studie, dem Schöpfer des Medikaments - ein kauziger Wissenschaftler - und einer Ethikerin, welche die Bundesregierung berät. Was zuerst humorig beginnt, stellt sich schon bald als schier unlösbares Gedankenexperiment heraus. Was wird die Entdeckung mit der Menschheit machen? Wird das Medikament nur für die Reichsten zugänglich sein oder wird jeder darauf Zugriff haben? Und wie verändert es die Menschen, wenn sie sich stets erneuern können? Bald aber läuft nicht alles so rund und es stellt sich heraus, dass es auch Komplikationen gibt. Nichts desto trotz gieren viele nach der mutmaßlichen Verjüngungskur.
Leo wägt anhand seiner Charaktere das Für und Wider ausgewogen ab. Ich wurde durch das Lesen des Romans sehr dazu angeregt, über die möglichen Probleme einer solchen wissenschaftlichen Entdeckung intensiv nachzudenken. Nach den ersten hundert Seiten kommt es zu einer Gradwendung, die die Geschichte vorerst auf eine neue Bahn schickt. Die Grundstimmung dreht sich hier von lustig-sensationell auf tendenziell deprimierend und bedrohlich - ein Kunstgriff des Autors, der mich sehr fasziniert hat. Die Protagonist:innen sind unterschiedlich zugänglich, einerseits konnte ich mich mit einigen von ihnen sehr identifizieren, einen anderen fand ich äußerst nervig, andere blieben für mich nicht sonderlich greifbar. Immer jedoch schwingen individuelle Befindlichkeiten mit, die die Figuren mit ihrer Situation unterschiedlich umgehen lassen.
So großartig die Idee und das schreiberische Talent des Schriftstellers sind, so lückenhaft ist für mich die Erzählung der Geschichte. Es sind einige Fakten, die auf den Tisch gelegt werden, die allerdings nicht kongruent auserzählt werden. Beispielsweise wird der Eindruck vermittelt, dass die Proband:innen das Medikament dauerhaft einnehmen müssen und dann genügt es anderen lediglich eine Kapsel zu nehmen, um den Verjüngungsprozess in Gang zu setzen. Die Geschichte nimmt Wendungen, die für mich teilweise nicht nachvollziehbar waren und ich hatte ab und an das Gefühl, dass ein Thema angerissen, aber nicht fertigerzählt wurde. Das Ende der Geschichte wirkte auf mich sehr abrupt - meines Erachtens hätte das Buch 200 - 300 Seiten mehr vertragen, um das Erzählte adäquat abzurunden. Vielleicht wäre es auch einfacher gewesen, sich auf nur zwei oder drei Charaktere zu beschränken, sodass sich für mich alles nachvollziehbarer entwickelt hätte. Was das Medikament körperlich mit den Teilnehmenden macht, wird zwischendurch thematisiert, aber schlussendlich - nach meinem Empfinden - nicht ausreichend fertigerzählt. Zwar wird am Ende ein Abschluss für die einzelnen Figuren gefunden, das macht aber für mich nicht das Manko wett, dass große gesellschaftspolitische Fragen aufgeworfen und auszuverhandeln begonnen wurden, die Idee aber nicht weitergesponnen wurde, sondern zu einem jähen Ende fand. Angesichts der Brisanz und Größe dieses Themas ist es wahrscheinlich grundsätzlich schwer, einen zufriedenstellenden Abschluss oder Ausgang zu finden, ich bin mir aber nicht sicher, ob der Versuch hierzu überhaupt gestartet wurde.
Mein Fazit: "Wir werden jung sein" ist ein Roman, der intensiv dazu anregt, sich über die Frage, ob ewiges Leben oder ewige Verjüngung erstrebenswert ist, Gedanken zu machen. Leider ist er für mich aber zu kurz geraten, da viele Themen zwar angesprochen, aber nicht ausreichend abgerundet werden. Er ist kurzweilig zu lesen, aber die Geschichte lässt für mich zu viele Fragen offen - nicht nur philosophisch, sondern auch figurentechnisch.
Das hatte sich Professor Martin Mosländer nun wirklich anders vorgestellt. Sein an der Berliner Charité neu entwickeltes Medikament sollte doch eigentlich nur Herzinsuffizienzen beheben und für eine Erneuerung der lebensnotwendigen Zellen sorgen. Doch siehe da: Die vier Proband:innen erfreuen sich nicht nur immer besserer Gesundheit, sie verjüngen sich auch. Problematisch wird das Ganze erst, als absehbar ist, dass sich dieser Prozess nicht ohne Weiteres stoppen lässt. Und plötzlich merken auch die Patient:innen, dass so ein ewig sprudelnder Jungbrunnen vielleicht doch nicht die Rettung der Menschheit ist...
"Wir werden jung sein" ist der neue Roman von Maxim Leo, der jüngst bei Kiepenheuer & Witsch erschienen ist. Leo erzählt darin von den unbegrenzten Möglichkeiten der Medizin und was diese für die Gesellschaft bedeuten würden. Die Idee ist zweifelsohne genial und wurde meines Wissens nach so in der deutschen Gegenwartsliteratur noch nicht behandelt. Der Autor fokussiert sich dabei auf sechs verschiedene Hauptfiguren. Das sind neben dem Professor die vier Patient:innen Jakob, Wenger, Jenny und Verena sowie Miriam, wissenschaftliche Beraterin der Regierung. Gut gelingt es dem Autor, die Erzählstimmen rund um die einzelnen Figuren auch völlig unterschiedlich klingen zu lassen. So sind beispielsweise die Texte rund um den 16-jährigen Jakob jugendlich-flapsig, während beim 80-jährigen Immobilienmagnaten Karl Wenger stets eine gewisse Autorität mitschwingt. Positiv hervorheben muss man zudem, wie Maxim Leo es schafft, ein vordergründig wissenschaftliches Thema unterhaltsam, spannend und mit einem Augenzwinkern so zu vermitteln, dass der Roman durchaus eine breite Leserschaft ansprechen dürfte.
Womit wir beim Aber wären. Denn so genial diese Idee auch ist, so wirkt die literarische Umsetzung manchmal ein wenig unterkomplex. Dies ist vor allem bei der Figurenzeichnung zu spüren. Wir folgen den Charakteren in wortreichen Dialogen, Konflikte und Probleme werden fast ausschließlich darüber gelöst. Über das Innenleben der Figuren erfährt man viel zu wenig. Ein paar innere Monologe der Figuren, gerade in Bezug auf Ethik und Moral, hätten hier in meinen Augen eine größere Wirkung erzielt. Am stärksten sticht noch Verena heraus, ihrerseits Leistungsschwimmerin und Olympiasiegerin. Als die Folge der Tablettenneinahme ein neuer Schwimm-Weltrekord im fortgeschrittenen Alter ist, sieht sie sich plötzlich mit Dopingvorwürfen konfrontiert. Bei ihr spürt die Leserschaft noch am stärksten, was solche Vorwürfe bewirken können. Zudem gewinnen die Patient:innen allesamt im letzten Drittel unvermittelt an Kontur, als sie - leider jedoch aus recht absurden Gründen - dazu gezwungen sind, plötzlich zusammenarbeiten zu müssen.
Misslungen sind hingegen der Professor und insbesondere Miriam, die wissenschaftliche Beraterin. Martin nimmt selbst die von ihm kreierten Kapseln und verabreicht sie auch seinem geliebten Hund, was jedoch anders als bei den Patient:innen keine große Rolle spielt. Der eigentliche Protagonist, bei dem die wissenschaftlichen und erzählerischen Fäden zusammenlaufen sollten, ist eher eine Mischung aus albernem Hanswurst und nettem Onkel und lässt bis kurz vor dem Ende jegliche Haltung vermissen.
Miriam ist gar ein echtes Ärgernis. Die Figur wird offenbar nur eingeführt, um den Leser:innen mit dem Holzhammer die gesellschaftlichen Auswirkungen der Verjüngungskapseln einzutrichtern. In einer ermüdenden Szene diskutiert sie darüber mit den Politiker:innen und man hätte Maxim Leo hier mehr Vertrauen in die mitdenkende Leserschaft gewünscht. Letztlich verliert selbst der Autor sein Interesse an Miriam, im Finale findet sie schlichtweg nicht mehr statt.
Wobei das Finale insgesamt eher recht wirkungslos verpufft. Zwar werden bis auf Miriam noch einmal die Erzählstränge der einzelnen Charaktere recht warmherzig aufgenommen, doch die große Überraschung oder gar ein Aha-Effekt bleiben aus. So bleibt die Kooperation der vier Patient:innen zugleich erzählerischer wie auch Spannungshöhepunkt.
"Wir werden jung sein" ist insgesamt ein moderner und flott erzählter Unterhaltungsroman, dem eine große Aufmerksamkeit und Leserschaft gewiss sein sollte. Allerdings kratzt das Buch vor allem in den ethisch-moralischen Fragen und bei der Figurenzeichnung nur an der Oberfläche.
Maxim Leo macht es sich in seinem aktuellen Roman zur Aufgabe die Frage, wie einzelne Menschen, die Gesellschaft und die Politik auf eine zufällig entdeckten Verjüngungsmedikation reagieren könnten. Das ist ein spannendes Gedankenexperiment, welches hier aber auch literarische Schwächen aufweist.
Ein Forscher der Berliner Charité wollte eigentlich Herzinsuffizienzen heilen, indem er ein Medikament entwickelte, welches die DNA der Herzzellen verjüngen und damit eine symptomatische Verbesserung bis hin zu einem vollkommen gesunden Herzen anstoßen sollte. Ein Jahr nach dem Start der Studie an vier Patient:innen sowie zwei weiteren Testobjekten, die außerhalb der Studie stehen, stellt sich allerdings heraus, dass nicht nur das Herzleiden kuriert ist, sondern eine allgemeine Verjüngung des gesamten Organismus stattfindet. An diesem Punkt der Geschichte setzt die Erzählung ein und verfolgt die nicht nur persönlichen sondern auch gesellschaftlichen Entwicklungen, die ein solches Forschungsergebnis nach sich ziehen kann.
Die Geschichte wird durch einzelne Kapitel strukturiert, welche mithilfe der personalen Erzählperspektive immer wieder die Geschehnisse aus der Sicht einer der betroffenen Testpersonen, als auch des Forschers sowie der Leiterin des Deutschen Ethikrates und in Personalunion Beraterin der Bundesregierung in (medizin-)ethischen Fragestellungen vermittelt. Hier gelingt es Leo sehr gut die einzelnen Erzählstimmen authentisch zu erschaffen, die von einem sechzehnjährigen Jugendlichen, über eine Mitte dreißigjährige Ex-Profischwimmerin, eine Frau Ende Dreißig, die verzweifelt eine Fertilisierungsbehandlung nach der nächsten durchläuft, um endlich schwanger zu werden, bis hin zu einem achtzigjährigen Firmenchef, sowie dem Forscher als auch der Ethikerin rangieren. Das ist wirklich sehr gut gemacht.
Während der Plot seinen Lauf nimmt, der mitunter richtig Spannung erzeugt wie bei einem Wissenschaftsthriller, webt Leo alle erdenklichen Vor- und Nachteile eines solchen Verjüngungsmedikaments für die einzelne Person als auch die Gesellschaft, Wirtschaft, Politik ein. Das passiert meines Erachtens aber manchmal etwas zu gewollt, sodass das Buch über weite Strecken recht edukativ wirkt. Da wirklich jeder Aspekt beleuchtet wird, wird aber auch der Leserschaft das selbstständige Denken fast vollständig abgenommen. Zumindest kann man sich nach Abschluss der Lektüre als hervorragend informiert zum Themenbereich fühlen. Maxim Leo hat hier herausragende Recherchearbeit geleistet. Von der ethisch-wissenschaftlichen Seite finde ich das auch durchaus toll, ist es doch als hätte man gerade einen Bericht des Deutschen Ethikrats in Romanform gelesen. Somit wird die Causa niemals trocken oder langweilig vermittelt. So bleibt einem eigentlich zum Schluss nur noch sich selbst einzuordnen mit seiner informierten Meinung zu den Verjüngungsmedikamenten, denn eine abschließende Einschätzung drückt einem der Roman zum Glück nicht auf.
Für mich zeigen sich kleinere Schwachstellen eher in der literarischen Verarbeitung des Stoffs. Zum einen möchte ich als Leserin gern noch ein wenig selbst nachdenken beim Lesen. Zum anderen finde ich den Abschluss des Romans nicht sonderlich gelungen. Er erscheint etwas schnell runtererzählt. Dabei taucht die Figur der Ethikerin einfach gar nicht mehr auf und verschwindet einfach in der Bedeutungslosigkeit, was meines Erachtens ein Kardinalfehler ist, wenn diese Figur doch zu Beginn zu den Hauptcharakteren gehört hat und sogar immer wieder Einzelkapitel zugestanden bekommen hat. Es wirkt, als hätte der Autor sie einfach in seinem etwas hektischem Schluss tatsächlich vergessen. Zum anderen schließt das Buch mit einer Art Epilog, in dem noch einmal blitzlichtartig ein Blick auf die Leben der einzelnen Protagonist:innen geworfen wird. Das erschien mir zu gewollt angepfropft und machte den Roman eher unrund.
Insgesamt halte ich den sehr soliden Roman als definitiv lesenswert, besonders aufgrund der wirklich ausführlichen Betrachtungen zur Debatte. Wenn man den Roman dann eher als leichtgängigen, unterhaltsamen Beitrag sieht und weniger als ausgefeiltes, literarisches Werk, kommt man definitiv auf seine Kosten. Im besten Falle werden viele Menschen durch den Roman von Maxim Leo für die Thematik sensibilisiert und werden dadurch im – nicht ganz unwahrscheinlichen – Falle der realen Entdeckung eines solchen Medikaments zu mündigeren Bürger:innen. Deshalb habe ich mich abschließend doch für ein Aufrunden entscheiden.
3,5/5 Sterne
Ein Medikament verspricht ein langes gesundes Leben
An der Charité unter der Leitung von Prof. Martin Mosländer beginnt eine Medikamentenstudie mit 4 Probanden, die alle an einer angeborenen Herzmuskelschwäche leiden, eine Krankheit, die ihr Leben stark beeinträchtigt. Seine Studie an einer gezielten Herzmuskelregeneration wird nun in der nächsten Stufe zur Medikamentenzulassung an Jakob, Jenny, Verena und der Unternehmer Wenger erprobt, ein bunter Mix aus unterschiedlichen Gesellschafts- und Altersklassen.
Was anfänglich vielversprechend, sogar bahnbrechend, für die Medizin andeutet, wird bald zum Horrortrip, denn das Medikament bewirkt eine allgemeine Verjüngung in rasantem Tempo und biologisches Alter und Zeitalter kommen aus dem Gleichgewicht. Die Probanden stehen vor Herausforderungen, die sie an den Rand des Erträglichen bringen, und die Gesellschaft steht vor einer Zerreißprobe.
Meine persönlichen Leseeindrücke
Maxim Leo ist ein guter Erzähler. Er bietet in seinem neuen Roman „Wir werden jung sein“ vier Lebenssituationen, die er vor, während und nach der Teilnahme am Forschungsprojekt, von Prof. Mosländer streift. Die Geschichten lesen sich anfangs sehr gut, und ich kann mich mit allen Romanfiguren anfreunden, besonders Jakob gefällt mir. Leider gerät das Ganze ziemlich schnell aus dem Ruder und der Plott wird überladen durch Themen wie Ethik, Lobbyismus, Kosmetik- und Anti-Aging-Industrie, WHO, Kirche, und selbst der Bundeskanzler kommt zu Wort, bis der Spannungsbogen birst. Das ist zu viel des Guten, und die „Causa Jungbrunnen“ bricht in sich zusammen. Ein Unterhaltungsroman eignet sich nicht für ethische Fragen, dafür ist er nicht das richtige Mittel.
Maxim Leo hat Fantasie, das hat mir bei seinem vorherigen Roman „Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ schon so gut gefallen. Hier aber lässt er unwahrscheinlich viele Themen aufeinanderprallen und denkt überhaupt keinen Gedankenstrang zu Ende. Die Themen schweben angeschnitten in der Luft, weil das alles nicht in ein einziges Buch passen kann, und ich muss als Leserin immer wieder selbst aus der Sackgasse rauskommen. Manch exaltierte Szene weniger hätte der Geschichte sicher nicht geschadet und es wäre Platz für die großen Themen des ewigen Lebens und die Verbannung des Sterbens gewesen. Sie hätten etwas mehr Tiefsinnigkeit verdient.
Fazit
„Wir werden jung sein“ von Maxim Leo ist ein chaotischer Versuch sich auszumalen, welche Risiken ein Medikament, das das Altern verhindert und ein langes, gesundes Leben verspricht, birgt. Leider folgt auf mögliche gesellschaftliche und politische aufgezeigte Konsequenzen konfuses Antworten. Einziger Trost ist der Unterhaltungscharakter des Romans, der auf Leos guten Schreibstil zurückzuführen ist.