Das unsichtbare Band: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Das unsichtbare Band: Roman' von Haneen Al-Sayegh
3.15
3.2 von 5 (6 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Das unsichtbare Band: Roman"

In den Bergen des Libanon wächst die junge Amal in der strengen, patriarchalischen Religionsgemeinschaft der Drusen auf. Sie will nur eines: die Schule besuchen und studieren, doch Mädchen haben dort keine Rechte. Der Großvater lässt zwischen sich und seiner Frau eine Mauer errichten, aber die Mutter darf immerhin Brot backen, und damit bezahlt sie das Schulgeld ihrer Töchter. Als Amal, die jüngste, mit fünfzehn verheiratet wird und das Elternhaus verlässt, schweigt die Mutter. Unbeirrt, wenn auch gegen viele Widerstände, geht die junge Frau ihren Weg und beginnt zu begreifen, was es heißt, selbstbestimmt zu leben und wahrhaftig zu lieben.

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Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:336
EAN:9783423283984

Rezensionen zu "Das unsichtbare Band: Roman"

  1. 3
    09. Mai 2024 

    Ein vielversprechender Anfang und ein enttäuschendes Ende

    Der Roman „Das unsichtbare Band" ist das Debüt der libanesischen Autorin Haneen Al-Sayegh und erzählt die Geschichte der Drusin Amal, die in einem Bergdorf im Libanon aufgewachsen ist und in dieser patriarchalisch geprägten Gesellschaft viele Jahre gelebt hat. Übersetzt wurde dieser Roman von dem deutsch-ägyptischen Publizisten Hamed Abdel-Samad, der für seine Islamkritischen Veröffentlichungen weltweit bekannt ist. Ähnlichkeiten zwischen Autorin, Übersetzer und Protagonisten dieses Romans scheinen nicht zufällig zu sein.

    Der Anfang dieses Romans ist vielversprechend: Die Protagonistin Amal reist nach Beirut, um sich hier an der renommierten American University of Beirut einzuschreiben. Eigentlich ein normaler und selbstverständlicher Vorgang für eine junge Frau, die sich einen sehr guten Schulabschluss erarbeitet hat. Nicht so für Amal, die seit ihrem 15. Lebensjahr verheiratet ist und als Drusin dem Regelwerk dieser Religionsgemeinschaft unterworfen ist. Das Drusentum ist eine verschworene Gemeinschaft, die zwar über die ganze Welt verteilt ist, aber den größten gesellschaftlichen Einfluss im Orient hat. Über das Drusentum ist nur wenig bekannt. Daher sind Romane wie „Das unsichtbare Band" hochinteressant, da sie Einblicke in die Lebensweise dieser Glaubensgemeinschaft gewähren.
    Bereits mit den ersten Seiten ist klar, dass Frauen innerhalb dieser Kultur eine untergeordnete Rolle spielen ... gelinde ausgedrückt. Denn als drusische Frau geboren zu sein bedeutet, dass frau vollständig fremd bestimmt wird: zunächst vom Vater, später wird die Verantwortung für seine Tochter nahtlos auf den Schwiegersohn übergehen, so geschehen bei Amal, die im Verlauf der Handlung auf das Familienleben ihrer Kindheit zurückblickt, auf ihre Ehe und auf ihre Bemühungen, Stück für Stück die Hoheit über ihr eigenes Leben zu gewinnen. Der Besuch der Uni ist dabei ein einschneidendes Ereignis in ihrem Leben und auf ihrem Weg zur Emanzipation. Doch Amal muss Opfer bringen, um diesen Weg zu beschreiten. Der ständige Kampf mit ihrem Ehemann, der seine Männlichkeit und sein Ansehen in der drusischen Gemeinschaft gefährdet sieht, genauso wie der Druck ihrer Familie hinterlassen seelische Spuren bei Amal. Im Verlauf dieses Romans wird Amal jedoch immer stärker werden, und es wird ihr gelingen, das drusische Regelwerk für sich aufzubrechen.

    Wie bereits erwähnt ist der Anfang dieses Romans gut gemacht und vielversprechend; den großen Reiz haben für mich dabei die Einblicke in einen unbekannten Kulturkreis ausgemacht sowie die Darstellung der Rolle der Frau innerhalb dieses Kulturkreises. Meine Erwartungen sind dahingehend in der ersten Hälfte dieses Romans voll erfüllt worden. Nur leider gab es in der zweiten Hälfte diesen einen Moment, in dem meine Begeisterung kippte: Amal hat das Studium aufgenommen und pendelt täglich zwischen zwei Welten: zwischen der modernen Welt einer Studentin und der streng reglementierten traditionellen Welt einer drusischen Ehefrau. In Beirut lernt sie an der Uni einen Mann kennen, der sich als Mann ihres Lebens und Seelenverwandter entpuppt, und der einen enormen Anteil an ihrer Emanzipation hat.
    Von diesem Moment an ändert sich leider der Spirit dieses Romans genauso wie sein Sprachstil. Denn das Geschehen in diesem Roman wird fortan von der Beziehung der beiden Liebenden dominiert. Gleichzeitig reduzieren sich die Einblicke auf das Drusentum und werden von dem Seelenleben der Protagonistin überlagert. Der Sprachstil wird sehr blumig und nimmt Züge an, die man in einem romantischen Liebesroman erwartet, aber nicht in einem Roman, in dem es um Unterdrückung, Widerstand und Emanzipation geht.

    Mein Fazit: Ein vielversprechender Anfang mit interessanten Einblicken in die streng religiöse
    Gemeinschaft der Drusen und das Leben der weiblichen Religionsangehörigen im Besonderen. Nur leider verliert dieser Roman sein anfängliches Niveau und konzentriert sich ab der zweiten Hälfte zu sehr auf das Seelenleben der Protagonistin. Dieser Bruch hat dem Roman leider nicht gutgetan.

    © Renie

  1. Der Preis der Emanzipation

    "Das unsichtbare Band" ist der Debütroman von Haneen Al-Sayegh. Es hat mich gereizt, wieder mal in eine mir weitgehend fremde Kultur einzutauchen und in diesem Fall mehr über die Religionsgemeinschaft der Drusen zu erfahren. Die Autorin erzählt von eigenen Erfahrungen mithilfe der Hauptprotagonistin Amal.

    Diese wächst in einem kleinen Dorf am Rand des Libanon auf. Sie ist eine gute Schülerin und träumt von einem Studium an der amerikanischen University of Beirut. Doch wie man weiß, sind arabische Kulturen in der Regel dominiert von Patriachat, den sich Frauen unterzuordnen haben. DIes gilt einmal mehr für Frauen, die der Religionsgemeinschaft der Drusen angehören. Es gibt dort sehr strenge Regeln, nach denen es zu leben gilt. Doch Amal hat ihr Ziel klar vor Augen und sie hält auch daran fest, als sie im Alter von 15 den von ihren Eltern für sie ausgewählten Salem heiratet. Eine Liebesheirat ist das gewiss nicht. Doch wittert Amal die Chance, sich hier auf Salem und seine Bedürfnisse einzulassen, umso dennoch studieren zu können. Der Preis für ihre Emanzpation ist hoch: Sie muss viel über sich ergehen lassen, bevor sie ihre Tochter zur Welt bringt. Doch Amal kämpft und muss schmerzhaft lernen, dass die Emanzpation ihren Preis hat...

    Über die Thematik patrichialer Kulturen im fernöstlichen Raum habe ich immer mal wieder Romane gelesen, nicht aber über die Drusen. Über diese Religionsgemeinschaft und ihre strengen Regeln wusste ich bislang so gut wie nichts. Es war interessant darüber zu lesen. Ich hätte mir jedoch noch mehr Detailinformationen gewünscht. Eigentlich geht es primär um den strukturellen Rahmen, den die Drusen vorgeben, nicht so sehr um einzelne Rituale und Gewohnheiten, die den Alltag durchdringen. Hier Genaueres zu erfahren, hätte der Geschichte sicher gut getan. Ich bin gerne Amal auf ihrem schmerzhaften Weg gefolgt. Es ist aus "westlicher Perspektive" schier unglaublich und auch v.a. unverständlich, was man als arabische Frau so alles auf sich nehmen muss, einfach aufgrund des Frau-Seins. Es macht jedoch Mut, dass sich arabische Frauen in ihren Kampf für Freiheit und Emanzipation zusammen tun und so um eine eigene Stimme kämpfen. Darüber zu lesen, ist immer wieder sehr lehrreich und hilft dankbar zu sein für die Möglickeiten, die man selbst hat. Am Ende ist Al-Salyeghs Raum vielleicht nicht sonderlich innovativ, aber nach wie vor wichtig; eine Mahnung und Hoffnungsschimmer zugleich.

  1. Jede für sich allein

    In ihren Heimatländern Syrien, dem Libanon, Israel und Jordanien bilden die vor über tausend Jahren vom Islam abgespaltenen Drusengemeinschaften nur eine verschwindende Minderheit. Zentrale Elemente ihres Glaubens sind die Einheit Gottes und die Seelenwanderung. Da das Wissen über die Religion, in die man nur als Kind zweier drusischer Elternteile gelangt, wenigen „wissenden“ Scheichs und Scheichas vorbehalten bleibt, gilt das Drusentum als Geheimlehre.

    Der lange Weg zur Freiheit
    In ihrem vom Verlag als „autofiktional“ beworbenen Roman "Das unsichtbare Band" schildert die libanesisch-drusische Autorin Haneen Al-Sayegh, die heute zwischen Berlin und Beirut pendelt, das Leben der jungen Amal. Sie wächst als Tochter von "Wissenden" in einem abgelegenen libanesischen Bergdorf mit den widersprüchlichen Vorschriften dieser Religion auf und erlebt die Rechtlosigkeit der Frauen und ihre Unterdrückung mittels physischer und psychischer Gewalt. Das begabte Mädchen will aus dem jahrhundertealten Kreislauf aus Schweigen und Unterordnung ausbrechen.

    Gedrängt von den Eltern, stimmt sie mit 15 Jahren einer Eheschließung mit einem zehn Jahre älteren vermögenden Kaufmann zu, nachdem sie ihm die Zustimmung zu Schulbesuch und Studium abgerungen hat. Ihr Preis dafür sind fortgesetzte Vergewaltigungen und demütigende, unfreiwillige Prozeduren in einem Kinderwunschzentrum. Obwohl sie ihre Agenda zielstrebig umsetzt und ihren Master in Literaturwissenschaft glänzend besteht, leidet sie unter fehlendem Selbstbewusstsein und Depressionen. Ihre Ehe steht vor dem Aus:

    "Die Magie hat sich gegen den Zauberer gewendet, die Figuren auf dem Schachbrett sind weitergezogen worden." (S. 199)

    Ein nicht eingelöstes Versprechen
    Ohne Vorwissen über das Drusentum habe ich den Roman Das unsichtbare Band zur Hand genommen um mehr über diese Religion und weibliche Biografien in dieser ultra-strengen Gemeinschaft zu erfahren. Ich war neugierig auf das titelgebende „unsichtbare Band“ zwischen den unterdrückten Frauen. Dass ich kaum mehr über das Drusentum als im Wikipedia-Artikel erfahren habe, mag darin begründet liegen, dass die Autorin keine „Wissende“ ist. Dass das „unsichtbare Band“ sich jedoch als haltloses Versprechen erwies, hat mich sehr enttäuscht. Ganz im Gegenteil sind es immer wieder Frauen, die ihren Geschlechtsgenossinnen Leid zufügen und das Patriarchat stützen, sei es Amals Mutter, die den favorisierten Schwiegersohn ermutigt, oder die Helferin in der Kinderwunschklinik. Die durchweg traumatisierten Frauen in Amals Familie leiden jede für sich allein. Amal selbst lässt ihre Tochter zunächst wegen ihres Studiums von ihrer Mutter im zerstörerischen Ambiente ihrer eigenen Kindheit betreuen und opfert sie dann für ihre Freiheit, indem sie das Kind ohne Vereinbarungen über seine Zukunft dem Vater überlässt. Das Buch las sich für mich wie eine Verteidigungsschrift und die Widmung für die Tochter scheint dies zu bestätigen.

    Bis zur knappen Hälfte habe ich den Roman mit Interesse gelesen und war auf Amals Seite, dann allerdings verlor die auf sich fixierte Protagonistin für mich die Glaubwürdigkeit, denn als erfolgreiche Universitätsabsolventin hätte sie das Rüstzeug für einen Blick über den eigenen Tellerrand gehabt, nutzt es jedoch nicht. Endgültig enttäuscht hat mich das Buch im letzten Drittel, als sich Amal in einen arabisch-deutschen Schriftsteller verliebt: Kitsch statt Poesie und triviale, aufgesetzt wirkende Dialoge und Briefe, garniert mit philosophischen Passagen, die einer genaueren Betrachtung nicht standhalten. Spätestens beim Umarmen von Bäumen war meine Schmerzgrenze überschritten.

    Schade, dass ich trotz der spannenden Thematik weniger als erhofft aus der Lektüre mitnehme. Mag Amal sich durch ihr Weggehen schließlich gerettet haben – ein Hoffnungszeichen für die Zurückgebliebenen ist das nicht.

  1. 3
    11. Apr 2024 

    Eine Frau in Beirut und den libanesischen Bergen

    Amal wächst in den Bergen des Libanon als Tochter des Drusenscheichs und einer Drusenscheicha auf. Haneen al-Sayegh berichtet ihren Lesern in dem Roman „Das unsichtbare Band“ über Amals Leben und ihre Entwicklung.
    Das Leben in dieser Umwelt ist für eine Frau einschränkend und wenig selbstbestimmt. Heirat ist die einzige Option und diese muss auch noch in den engen Kreisen mit einem unzweifelhaft drusischen Mann erfolgen. Im ersten Teil des Romans erhält der Leser viele Einblicke in diese abgeschlossene Welt der drusischen Weltanschauung. Welche Regeln gelten, welche Sünden drohen am Wegesrand des Lebens, welche Freiheiten sind möglich. Amal testet Vieles davon aus, denn ihr unbändiger Bildungswille erscheint mit den bestehenden Regeln und Möglichkeiten überhaupt nicht vereinbar. Sie geht eine Heirat ein, in der sie nicht das finden kann, was sie sich erhofft hat. Und doch erhält sie in dieser Verbindung die Möglichkeit, die American University in Beirut zu besuchen. Um den Preis allerdings, dass sie sich allen erniedrigenden Prozeduren einer künstlichen Befruchtung unterziehen muss und ihrem Mann ein Kind schenkt. Unter schier unmöglich scheinenden Tagesplanungen lebt sie dann ein Leben als Studentin und gleichzeitig Mutter, wie es es in der drusischen Welt nicht geben dürfte.
    Parallel erhält der Leser auch Einblicke in das Leben von Amals Schwester, die auf einem anderen Weg die Flucht aus der drusischen Umklammerung gesucht hat: Sie ist zu einem ihr unbekannten Ehemann in die USA ausgewandert.
    Im zweiten Teil des Romans verliert dieser an gesellschaftlicher Tiefe der Erzählung und wird zu einer Individualgeschichte Amals mit Geliebtem, Ehescheidung und Sorgerechtsstreit genauso wie zu einer Individualgeschichte ihrer Schwester, die die drusischen Wurzeln nicht abstreifen kann und ihr Eheglück hinschmeißt, da es für sie nach strenger Drusenauslegung Sünde und Verbannung bedeutet. Psychisch angeschlagen/erkrankt kehrt sie in die engen Grenzen des Elternhauses zurück.
    Der Roman „Das unsichtbare Band“ bietet seltene und nur schwer zu bekommende Einblicke in das Leben der Drusen, einer kleinen, exklusiven Glaubensgemeinschaft im Schatten des Islam. Es ist nicht abzustreiten, dass dies nur durch viele eigene Erfahrungen der Autorin möglich ist. Wie viel von dem Roman aber tatsächlich autobiografisch ist, ist nicht zu klären. Es ist wegen dieser seltenen Einsicht um so mehr zu bedauern, dass der Roman spätestens in seiner zweiten Hälfte immer mehr den Fokus und die Tiefe der Beschreibungen und der Themen verliert. Amals Schicksal wird immer mehr zu einem austauschbaren, das fast in jeder beliebigen Gesellschaftsschicht und Religion angesiedelt sein könnte. Ich komme wegen dieser Enttäuschung deshalb nicht über 3 Sterne hinaus.

  1. 3
    28. Mär 2024 

    "Das unsichtbare Band" blieb leider unsichtbar...

    "Das Schicksal einer arabischen Frau in der ultrastrengen Religionsgemeinschaft der Drusen in den Bergen des Libanon" - das verspricht der Umschlagsrücken-Text, und das hört sich spannend und interessant an.

    Die ersten Kapitel sind auch durchaus faszinierend. Der Leser blickt in eine streng patriarchalische Gesellschaft mit fremd anmutenden Sitten und Gebräuchen, die sich durch die abgelegene Lage in den Bergen bis heute lebendig erhalten haben. Die soziale Reglementierung ist sehr groß, und hier gelingen der Autorin sehr eindringliche Bilder, z. B. zum Glauben an die Reinkarnation, aber sie zeigt auch, wie einige ihrer Familienmitglieder an den religiösen Normen zerbrechen. Diese Bilder vermischt sie mit z. B. mit dem Portrait einer älteren Verwandten, die durch den Bürgerkrieg schwer traumatisiert wurde. Vor allem aber zeigt sie deutlich, wie fremdbestimmt das Leben einer Frau abläuft.

    Amal, die Protagonistin und offensichtlich das Alter Ego der Autorin, ist ein recht cleveres und willensstarkes Mädchen. Sie ist fest zu Schulbesuch und Studium entschlossen, und da ihre Familie schon aus finanziellen Gründen dies nicht ermöglichen kann, lässt sie sich früh mit einem reichen jungen Kaufmann verheiraten. Nicht jedoch, bevor sie mit ihm einen Handel geschlossen hatten, der ihr Schulbesuch und Studium ermöglicht. Damit wählt sie ein ungewöhnliches Lebensmodell, das ihr Mann streckenweise mitträgt.

    Schon hier hätte ich mir gewünscht, dass sich der Blick der Autorin etwas weitet und sie nicht nur ihren eigenen Frust und ihr eigenes Elend betrachtet, sondern auch ihr Umfeld in den Blick nimmt.
    Ihre Selbstbetrachtungen und die Schilderung ihrer Leiden nehmen zunehmend mehr Raum ein, ohne aber zu einer kritischen Betrachtung der Ursachen zu führen. Zusätzlich weist die Erzählung immer häufiger Lücken und logische Unschärfen auf. Der klischeehafte Schluss bedient schließlich romantisch-triviale Muster, ohne dass die Probleme einer Lösung zugeführt werden. Die sprachliche Gestaltung passt– bei aller Liebe zur orientalischen Opulenz - zur zunehmenden Trivialisierung.

    "Das Band, das die Frauen der arabischen Welt verbindet und für eine gerechtere Gesellschaft kämpfen lässt" - dieses Band, das der Klappentext verspricht, habe ich nicht gefunden. Amal kämpft nicht für eine gerechtere Gesellschaft, sondern ausschließlich darum, sich selbst aus ihrer Gemeinschaft zu lösen und im Westen zu leben. Zugegeben: das mag schwer genug sein.
    Ich finde es trotzdem sehr schade, dass die Chancen des Plots nur oberflächlich genutzt werden. Die Erzählerin verharrt im Lamento und riskiert keinen Blick auf strukturelle Ursachen. Ein solche kritische Reflexion hätte dem Roman gutgetan.

    2,5/5*

  1. 4
    26. Mär 2024 

    Eine junge drusische Frau

    Im Alter von 15 Jahren heiraten? Laut statistischem Bundesamt waren im Jahr 2022 in Deutschland Frauen bei ihrer ersten Heirat im Schnitt 32,6 Jahre alt und Männer 35,1 Jahre. Bei beiden Geschlechtern sei damit ein Höchststand erreicht worden. (Bei mir selbst war dieses Thema in diesem Alter noch sehr, sehr weit weg!) Anders jedoch im Libanon bei den Drusen: als Salem sich um die 15-jährige Amal bemüht, sind ihre Eltern hoch erfreut und forcieren sehr diese Heirat. Amal sieht in dieser Heirat eine Hoffnung, zu studieren. (Im Elternhaus wäre das unmöglich gewesen.)

    Wir blicken zurück in Amals Familiengeschichte und erkennen dabei ein strenges Patriachat und folglich wenden die weiblichen Familienmitglieder viele Tricks an, damit sie ein Minimum an Freiheiten gewinnen. Und so steht auch die Ehe von Amal und Salem unter keinem guten Stern – es ist ein Deal: Sex gegen Studium! (Dieses verfolgt Amal jedoch sehr strebsam.)

    Salems Kinderwunsch wird durchgedrückt auf Biegen und Brechen und die Leserinnen fühlen wahrscheinlich alle mit Amal, welche Strapazen sie auf sich nehmen muss. Nach der Geburt von Rahma, einer wunderhübschen Tochter, versinkt Amal in eine chronische Depression. Auch das Schicksal ihrer 6 Jahre älteren Schwester, die immer ein Vorbild für Amal war, schmerzt: sie gerät in den Würgegriff einer religiösen Paranoia.

    Das Ende des Buches ist etwas fürs Herz und sehr poetisch. (Man merkt, dass die Autorin schon Gedichtbände veröffentlich hat.) Jedoch ist die Geschichte von Amal 100%ig in den Augen von strenggläubigen Drusen ein Beweis dafür, dass die Regel ‚eine Frau darf nicht allein mit einem fremden Mann im Auto fahren‘ seine Richtigkeit hat.

    Ich fand die Informationen über die Drusen (insbesondere der Glaube an Reinkarnation) sehr interessant, hätte mir jedoch noch mehr Details (z.B. Kleidung oder Essen) gewünscht! Leider fand ich auch einige Widersprüche bei Amals Gedanken und Worten. Bei der Geschichte vermute ich sehr viel Autobiographisches! 4 Sterne vergebe ich an dieses Buch, das von Hamed Abdel-Samad übersetzt wurde, und der wie die Autorin in Beirut und Berlin wohnt.