Mama Odessa: Roman
Aljona und Gena Grinbaum mit ihrem 10-jährigen Mischa nehmen 1971 die Chance wahr – dank Henry Kissinger – aus Odessa auszureisen. Sie ließen Mutters Vater Jaakow Gaikowitsch Katschmorian, der wunderschöne Bilder nach Fotos von Mischa malte, zurück und haben doch immer Sehnsucht nach ihm und Odessa. Hamburg, Bieberstraße 7 im Grindelviertel wird ihre neue Heimat.
Erzählt von Mischa, lernen wir auch die neuen Nachbarn kennen: z.B. Frau Ould oder ‚die böse, verlogene, arme, traurige, hinterhältige Martha‘ mit ihrer tragischen Geschichte ihrer Mutter. Wir lesen vom Zerfall der Familie nach 30 Jahren und den Umzug des Vaters nach Othmarschen mit ‚seiner Natzihure‘, sowie eingestreute Kurzgeschichten seiner Mutter und Anekdoten aus Verlagen. (Bei Letzteren hatte der Roman eindeutig autobiographische Züge des Autors.)
Gefallen haben mir die Erinnerungen an Odessa und die historischen Fakten, die ich noch nicht kannte und die kraftvolle und lebhafte Sprache. Mit dem eigenbrötlerischen Ich-Erzähler Mischa und seinen Frauengeschichten konnte ich jedoch nicht viel anfangen! Vier Sterne gibt es deshalb von mir!
„Im Mai 1987 – ich war erst sechsundzwanzig Jahre alt – schrieb mir meine Mutter auf einer alten russischen Schreibmaschine einen Brief, den sie nie abschickte.“ (Zitat Pos. 55)
Inhalt
1971 durfte die jüdische Familie Grinbaum aus der Sowjetunion ausreisen, doch statt in Tel Aviv, wie sein Vater Gena es sich gewünscht und geplant hatte, landen sie in der Bieberstraße 7 im Hamburger Grindelviertel. Hätte Aljona Grinbaum Jahre später ihren Mann auf einer seiner Reisen nach Israel begleitet, hätte dieser vielleicht die junge Deutsche nicht kennengelernt, wegen der er nun seine Frau verlässt. Mischa Grinbaum, der Sohn, ist noch ein Kind, als sie Odessa verlassen, inzwischen ist er längst erwachsen und Schriftsteller. Die großen Lücken in der Geschichte seiner Familie füllen sich erst langsam, verbinden sich mit seinen plötzlich wieder auftauchenden Kindheitserinnerungen, als er nach dem Tod seiner Mutter neben den alten Unterlagen und Fotoalben auch das Manuskript für ihr zweites, nicht mehr veröffentlichtes, Buch findet, und ein Bündel Briefe, die sie im Laufe vieler Jahre an ihn geschrieben, aber nicht abgeschickt hatte.
Thema und Genre
Im Mittelpunkt dieses Generationen- und Familienromans einer russisch-jüdischen Familie steht der Schriftsteller Mischa Grinbaum und natürlich sind Literatur und das Schreiben Themen, doch vor allem geht es um die Konflikte in Eltern-Kind-Beziehungen, um Familiengeheimnisse und der Geschichte der Juden in Russland.
Charaktere
Im gedanklichen Hintergrund der Familie immer präsent ist Jaakow Gaikowitsch Katschmorian, Aljonas Vater, Mischas Großvater, der in Odessa geblieben ist. Mischa beginnt seine Laufbahn als Schriftsteller schon in jungen Jahren, während seine Mutter zwar ihr ganzes Leben lang ihre eigenen Erfahrungen als Erzählungen niederschreibt, doch als ihr erstes Buch herauskommt, ist sie weit über sechzig Jahre alt. Sie lieben einander, aber besonders Mischa braucht viel Abstand. Den Zugang zu seiner Mutter findet er, indem er über sie schreibt.
Erzählform und Sprache
Mischa schreibt die Geschichte seiner Familie in der ersten Person, in Kapiteln, doch es gibt keine chronologische, fortlaufende Handlung. Es sind, wie in der persönlichen Erinnerung, Episoden, die je nach Situation und Ereignis auftauchen, und daher auch lebhaft wiederholt zwischen den Zeiten wechseln, von der Gegenwart in unterschiedliche Jahre in der Vergangenheit, und wieder zurück. Erzählungen aus dem Buch der Mutter, jeweils ein eigenes Kapitel, vertiefen mit weiteren Details, die der Ich-Erzähler nicht wissen kann. Dennoch, und hier zeigt sich auch in diesem Roman das besondere Können des Autors, entsteht nie eine Unruhe in den Abläufen, es bleiben am Ende keine offenen Erzählstränge, sondern die Einzelteile füllen die Lücken eines im Hintergrund immer präsenten Gesamtbildes einer Familiengeschichte mit allen Höhen, Tiefen, Konflikten und Geheimnissen. Die Sprache ist einfühlsam, in den Beschreibungen präzise, bunt und lebhaft und man liest dieses Buch mit Vergnügen.
Fazit
Eine beeindruckende, vielseitige Familiengeschichte über den Verlust der Heimat, und die Suche nach dem Platz und Sinn im eigenen Leben, in deren Mittelpunkt eine von Konflikten und dennoch tiefer Zärtlichkeit füreinander geprägte Mutter-Sohn-Beziehung steht.
Mit Odessa im Herzen
Aljona und Gena Grinbaum mit ihrem 10-jährigen Mischa nehmen 1971 die Chance wahr – dank Henry Kissinger – aus Odessa auszureisen. Sie ließen Mutters Vater Jaakow Gaikowitsch Katschmorian, der wunderschöne Bilder nach Fotos von Mischa malte, zurück und haben doch immer Sehnsucht nach ihm und Odessa. Hamburg, Bieberstraße 7 im Grindelviertel wird ihre neue Heimat.
Erzählt von Mischa, lernen wir auch die neuen Nachbarn kennen: z.B. Frau Ould oder ‚die böse, verlogene, arme, traurige, hinterhältige Martha‘ mit ihrer tragischen Geschichte ihrer Mutter. Wir lesen vom Zerfall der Familie nach 30 Jahren und den Umzug des Vaters nach Othmarschen mit ‚seiner Natzihure‘, sowie eingestreute Kurzgeschichten seiner Mutter und Anekdoten aus Verlagen. (Bei Letzteren hatte der Roman eindeutig autobiographische Züge des Autors.)
Gefallen haben mir die Erinnerungen an Odessa und die historischen Fakten, die ich noch nicht kannte und die kraftvolle und lebhafte Sprache. Mit dem eigenbrötlerischen Ich-Erzähler Mischa und seinen Frauengeschichten konnte ich jedoch nicht viel anfangen! Vier Sterne gibt es deshalb von mir!