Inhaltsangabe zu "So weit der Fluss uns trägt: Roman"
Am Fuße der Berge Colorados strömt der Gunnison River an einer alten Pfirsichfarm vorbei. Hier lebt in den 1940ern die 17-jährige Victoria mit ihrem Vater und ihrem Bruder in rauer Abgeschiedenheit. Doch der Tag, an dem sie dem freiheitsliebenden Wil begegnet, verändert alles. Bald ist Victoria gezwungen, das Leben, das sie kennt, aufzugeben und in die Wildnis zu fliehen. Dort muss sie ums Überleben kämpfen – um ihr eigenes und um das ihres ungeborenen Kindes. Als sie endlich die Kraft findet, neu anzufangen, droht der Fluss, alles zu zerstören, was ihrer Familie seit Generationen ein Zuhause war.
Ein lebenskluger Roman über unsere Verbindung zur Natur, über Familie und die Stärke einer Frau, die Unglaubliches erlebt und doch niemals den Mut verliert.
Bahnbrechender Schicksalsstrom
Das Buch "So weit der Fluss uns trägt" von Shelley Read lädt ein, um tief in die Fluten des Lebens einzutauchen.
Iola, eine Kleinstadt mitten in Colorado, in den schwierigen Aufbruchjahren nach dem zweiten Weltkrieg: Die siebzehnjährige Victoria Nash weiß um das fruchtbare Land, das von dem Gunnison River durchströmt wird, bis dieser bezähmt wird und mit seinen Fluten die Stadt verschlingen wird. Die Nash' sind seit Generationen erfolgreiche Pfirsichbauern und die harte Arbeit prägt die Landschaft und die Menschen, zu allem Übel auch die Vorurteile gegenüber Fremden - Ausländern und Indigenen. Eine Tragödie entwickelt sich, als sich Victoria auf den ersten Blick in den amerikanischen Ureinwohner Wil Moon verliebt, was im weiteren Verlauf zu einer ungewollten Schwangerschaft führt. Ein unlösbares Dilemma für die junge Frau, die sich nach einem Schicksalsschlag, bei dem sowohl ihre Mutter als auch ihre Tante mit Cousin ums Leben kamen, allein um den Haushalt und die Viehwirtschaft der Ranch kümmern muss. Ihr Vater und ihr Bruder sowie der kriegsversehrte Onkel Og sind ihr keine Hilfe. Im Gegenteil - ihre aufopferungsvolle Fronarbeit wird als selbstverständlich hingenommen. Dramatisch wird es, als Wil ermordet aufgefunden wird. Der Täter soll Vicotrias Bruder Seth mit einem Spießgesellen gewesen sein, die als aufbrausend und gewalttätig gelten. Victoria ist verzweifelt. Als Ausweg bleibt ihr nur die Flucht in die Berge, wo sie unter schwierigsten Umständen ihr Kind, den Jungen Baby Blue, entbindet. Völlig entkräftet und halb verhungert sieht sie nur einen Ausweg: Sie schiebt das Neugeborene unbemerkt einer jungen Familie beim Picknick unter, zu der eine ebenfalls stillende Mutter mit einem etwa gleichaltrigen Kind gehört. Ein Glücksfall für das Überleben. Victoria selbst kommt ohne jemandem zu begegnen bei einer wunderlichen Alten im Dorf unter, die von allen wegen ihrer angeblichen Verrückheit gemieden wird. Auch sie hatte schwere Verluste erlitten, was sie zu dem machte, was alle sehen. Nachdem Victoria auf die Ranch zurückkehrt, trifft sie nur noch ihren Vater wieder, der nach einem Versöhnungsversuch an einer Lungenentzündung verstirbt. Seth floh vorsorglich vor einer möglichen Strafverfolgung und der ungehobelte und verbitterte Onkel fand eine andere Bleibe. Victoria nutzt die Regierungspläne für den Bau eines Staudamms, um ihr Grundstück zu verkaufen und woanders neu anzufangen. Dabei lässt sie mit Hilfe eines Botanikers sämtliche Pfirsichbäume umpflanzen. Das Einzige, was ihr aus dem alten Leben geblieben ist. Eines nagt weiter an ihrem Gewissen: Was geschah mit Baby Blue? Sie besucht jährlich die Stelle, an dem sie ihn weggegeben hatte und legt dort für jedes Lebensjahr ein Stein ab. Und tatsächlich: Was kaum für möglich gehalten wird, geschieht. Auch die Ersatzmutter kehrte an diesen Platz zurück. Eine Chance, Kontakt aufzunehmen, mehr über das Schicksal über das Kind, das sie mit Wil hatte, zu erfahren und endlich zu begreifen, was der Fluss des Lebens - ähnlich wie der Gunnison River - für wechselvolle Manöver bereithält.
Shelley Read ist ein Meisterwerk gelungen. Nicht nur zu Marketingzwecken wird der Roman gerne mit dem Weltbestseller "Gesang der Flusskrebse" verglichen, wenngleich dort die noch größere Spannung durch die Ermittlungen in einem Kriminalfall getragen wird. Sprachlich ist das Buch ein Genuss. Sehr einfühlsam, mit klugen, zielgenauen Vergleichen und kraftvollen Worten, schafft Read eine unbeschwerte, lebendige Atmosphäre, mit stofflichen, einprägsamen Figuren und starken Emotionen. Die Geschichte ist stark geprägt durch romantische Vorstellungen, nicht zuletzt durch die anfänglich naive Träumerei eines verliebten Mädchens, später durch die gereiften Gedanken einer Mutter, die zum äußersten getrieben das schier Undenkbare vollzieht - die Weggabe des eigenen Babys. Ihr ermorderter Liebhaber, der unschuldige Wil Moon, bleibt bis zuletzt ihre Verbindung zu allem Guten, der Natur, der Familienwerte, der Liebe. Viele Passagen lassen einen nachdenklich über das Für und Wider des Schicksals grübeln und gleichzeitig lassen sie einen freudestrahlend über die Leichtigkeit der sich weiter entwickelnden Lebensschritte lesen. Einfach phantastisch!
Wer eine besondere Geschichte über das 23jährige Schicksal einer Familie im Mittleren Westen der USA, einen flüssigen Schreibstil mit herzerwärmenden Metaphern und ein versöhnendes Ende mag (auch wenn sich einige vielleicht ein anderes Happy End oder auch eine andere "Gerechtigkeit" in Bezug auf Wils Ermordung wünschen würden), dem kann ich Shelley Reads Fluss-Roman nur empfehlen.