Apeirogon: Roman, Nominiert für den Booker-Prize

Buchseite und Rezensionen zu 'Apeirogon: Roman, Nominiert für den Booker-Prize' von Colum McCann
5
5 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Apeirogon: Roman, Nominiert für den Booker-Prize"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:608
EAN:9783498045333

Rezensionen zu "Apeirogon: Roman, Nominiert für den Booker-Prize"

  1. Israel, mon amour.

    Kurzmeinung: Unaufdringlicher Appell an Friedenswilligkeit. Muss man eigentlich lesen.

    Der Roman „Apeirogon“ ist schon seit 2020 auf dem deutschen Markt und hat nichts von seiner Aktualität verloren. Im Großen und Ganzen geht es darum, wie sehr die Menschen unter der israelischen Besatzung leiden und dass Besatzung – egal, in welchem Land und egal von wem betrieben, immer mega-sch*** ist. Trotzdem ist dies kein Roman, der einseitig ist - gerade das ist sein großes Plus. Es geht nämlich auch darum, dass man Feindschaft und Feindseligkeit überwinden muss und dass man das nur kann, wenn man Böses nicht mit Bösem vergelten will und wenn man sich in Kopf und Verhältnisse „der anderen“ einfühlt. Solches ist auch in anderen Gesellschaften von nöten!

    Sich einfühlen und sich verständigen - das tun im Roman zwei Väter, die durch kriegsbedingte Gewalt ihre minderjährigen Kinder verloren haben. Rani Elhanan ist Israeli, Bassam Aramin ist Palästinenser. Beide Männer gibt es wirklich. Beide engagieren sich im sogenannten Parents Circle – einem überkonfessionellen und überstaatlichen Verein für Menschen, die in den blutigen Konflikten zwischen ihren Volksgemeinschaften Angehörige verloren haben. Auch diese Organisation gibt es. Die Männer halten Vorträge im In- und Ausland und erzählen ihre Geschichte. Das tut auch Colum McCann: er erzählt ihre Geschichte. Und noch einiges mehr. „Apeirogon“ bringt in kleinen Abschnitten, kaleidoskopartig zusammengestellt, diverse Informationen über den Landstrich Palästina zum Leser, zum Beispiel, dass dieses Land auf der Zugvogelstrecke liegt – und dass dies ein Unglück für die Vögel ist!

    „Apeirogon" ist ein halbdokumentarischer Roman. Das erhöht seine Authentizität und macht auch klar, so einfach ist es nicht. Es ist nicht einfach, Hass zu überwinden, vor allem dann nicht, wenn es die Regierungen oder Führerschaften gar nicht wollen. Aber einer muss anfangen, einer muss den ersten Schritt tun; wenn nicht, werden noch sehr sehr viele Kinder Opfer dieses Hasses werden.

    Fazit: Für eine bessere Verständigung und für den Frieden. Empfehlenswert.

    Kategorie: Politischer Roman + Halbdokumentation.
    Verlag: Rowohlt 2020

  1. 5
    18. Jan 2024 

    Friedensarbeit in Israel

    Den sperrigen Titel “Apeirogon” musste ich erst überwinden, um nach Colum McCans Roman zu greifen und ihn dann mit Genuss und Freude zu lesen.
    McCan erzählt darin die Geschichte von zwei Menschen aus Israel, die auf ganz unterschiedlichen Seiten dieses schicksalhaften Landes stehen und die doch so viel verbindet: ein Jude, dessen Tochter bei einem Selbstmordattentat ums Leben gekommen ist und ein Palästinenser, dessen Tochter von einer Kugel in einem der alltäglichen Konflikte in diesem Land in den Kopf getroffen wurde. Beide engagieren sich trotz (oder gerade wegen?) dieser Schicksalsschläge für den Frieden im Nahen Osten, halten Vorträge und reisen mit ihren Botschaften um die Welt. Zusätzlich erzählt McCan noch so viel mehr von diesem Landstrich. Von den Zugvögeln bis zu den Bombenbauplänen, von den Wüsten bis zu den in Zonen der Zugangsbeschränkungen in den Städten. Und all dies schreibt er auf eine ganz besondere Weise, die den oben schon erwähnten sperrigen Titel untermauern soll. Er erzählt die Geschichte(n) in 1001 Kapiteln, die verteilt auf 595 Seiten (Taschenbuchfassung) eine Durchschnittslänge von jeweils knapp ½ Seite ausmachen, in Wahrheit oft aber auch nur aus einem einzigen Satz bestehen. Das deutet auf eine zerrissene, dekonstruierte Erzählweise hin, die anspruchsvolle Herausforderung für den Leser bedeutet. Doch: so ist es nicht. Die nummerierten Kapitel fügen sich erstaunlich gut in ein Ganzes und vermitteln gerade in der Vielfalt ein Bild des Landes, wie es nur schwer zu erreichen sein dürfte. Die Struktur und Inhalte des Romans greifen so ineinander, unterstützen sich gegenseitig und schaffen ein literarisches Erlebnis der Sonderklasse. Der Roman zeugt von einer ungemein akribischen, ausdauernden Recherchearbeit des Autors, die ganz sicher nicht immer einfach war. So beschreibt es auch der Autor selbst in seinem Nachwort:
    „Oft standen mir mehrere Quellen zur Verfügung. Ich habe gesammelt, gelesen und verglichen. Bekanntlich gibt es viele Versionen der Wahrheit. Manchmal widersprachen sich die Quellen, und auch die Fachleute sind oft konträrer Meinung. Letzten Endes gehen alle Fehler und alles Hinzugedichtete auf mein Konto.“
    Ich habe dieses Buch gelesen zu einem Zeitpunkt, als die hier beschriebene Region in einen ihrer wohl schwersten und grausamsten Konflikte geraten ist. Das Wirken der beiden Protagonisten erscheint vor diesem Hintergrund einerseits nie wichtiger als zuvor, aber andererseits auch nie naiver als zuvor. Welche Wahrheit ist die richtige? (Falsche Frage!) Das Buch „Apeirogon“ aber hat mit diesem Konflikt noch weitere Relevanz bekommen und noch mehr Leser verdient. Und verdient hätte es auch einen Titel, der mehr Leser anspricht und das wichtige Thema in den Fokus nehmen könnte. Von mir eine unbedingte Leseempfehlung und 5 Sterne!

  1. Wie die Spirale der Gewalt beenden?

    ‚Es wird erst vorbei sein, wenn wir reden‘ ist die übereinstimmende Meinung von Bassam Aramin, einem Palästinenser, und Rami Elhanan, einem Israeli. Gemeinsam haben sie auch noch die Trauer über den Verlust ihrer Töchter: Smadar (Elhanan) ist durch ein Selbstmord-Attentat 1997 umgekommen, Abir (Aramin) durch ein Gummigeschoss 10 Jahre später.

    Die Lebensumstände ihrer Familien unterscheiden sich jedoch gewaltig! Und wir lesen über Schikane und Leibesvisitationen am Checkpoint, die verwirrende Einteilung des Westjordanlands in verschiedene Zonen, außerdem von Verhaltensmaßregeln für Palästinenser wie z.B. ‚Lass nie den Helm auf, wenn du im Westjordanland einen geschlossenen Raum betrittst‘ und den Aufgaben der ZAKA-Helfer. (Nach Anschlägen die Körperteile für die Beisetzung bergen).

    Nachdem das Apeirogon eine geometrische Figur mit einer unendlichen Menge Seiten und Vorbild für dieses Buch ist, erfahren wir außerdem viel über Zugvögel, über Belfast, über die Sixtinische Kapelle, Hungerstreik, jüdische Freiheitskämpfer im Jahr 1947, das Fangen und Abrichten von Falken zur Jagd und vieles mehr!

    Manche Kapitel bestehen nur aus einem Satz und ab der Mitte des Buches werden die Kapitel abwärts gezählt. 609 Seiten umfasst es und es ist keine Seite zu viel: viel Wissenswertes wird vermittelt und wer Interesse an der Geschichte Israels und dem Konflikt Israel/Palästina hat, dem lege ich dieses Buch wärmstens ans Herz! Ich kann ihm leider nur die Höchstzahl von 5 Sternen geben. (Ich wünschte, es gäbe mehr). Dieses Meisterwerk hat mich gefesselt, an vielen Stellen fassungslos gemacht und aufgewühlt.

    Der Grund ist nicht nur, dass ich vor Jahren das Westjordanland und auch Belfast kennenlernen durfte, sondern vor allem das Bewusstsein, dass ‚das meiste der Geschichte wohl erfunden ist‘, Tatsachen und reale Personen hierfür aber den Grundstock bildeten!