Die schwarze Lilie: Roman
Viele Morde, viel Lokalkolorit, viel Geschichtliches, viel Gesellschaftskritisches – von allem zu viel in diesem überbordenden Roman
Ich bin froh, diesen dicken Wälzer beendet zu haben. Gute Ideen, aber eine viel zu opulente Erzählweise, nicht sprachlich, sondern inhaltlich. Als Leser fühle ich mich überschüttet.
Wir tauchen tief ins Florenz des 14. Jahrhunderts ein. Die Pest hat die Stadt in ihren Grundfesten erschüttert, klingt aber gerade ab. In überbordender Fülle macht uns der Autor mit der Geschichte und den Machenschaften der Reichen bekannt, vor allem mit den finanziellen Transaktionen der Bankiers und ihrer Anhänger. Parallelen zur Gegenwart sind nicht von der Hand zu weisen, nur dass hier alles viel drastischer zutage tritt. Die Armen wie z.B. Weber, Sackweber, Ballenträger und viele andere erschaffen den Reichtum und die Bankiers profitieren in zynischster Weise ohne einen Funken Mitleid davon.
Erstaunlicherweise hat es einen Deutschen in diese Gesellschaft verschlagen, der auch Ich-Erzähler ist: Wittekind Tentronk, ein gebildeter Mensch, der aber als Agent in Diensten des mächtigen Bankhauses Peruzzi steht, sozusagen als persönlicher Assistent des alten Pacino Peruzzi. Das passt nicht so ganz zu diesem sympathischen liebevollen Menschen, was auch seine Geliebte, die Gemüsefrau Cioccia findet.
Nach und nach werden die Söhne des alten Padrino ermordet, was er seltsamerweise ziemlich mitleidslos und kalt hinnimmt. Wittekind soll in seinem Auftrag die Mörder finden.
Und weiter geht es mit der Überforderung des Lesers: Rückblick in die Zeit, als er den verlorenen Sohn Amerigo am Schwarzen Meer finden soll, viele Anspielungen an die Maler und Dichter, die zur damaligen Zeit gelebt haben. Vor allem Dantes 'Göttliche Komödie' wird immer wieder erwähnt. Auch gibt es viel Lokalkolorit: wie es in den Marktgassen zugeht, wie die Zustände im Gefängnis Stinche sind und etliches, was man hätte weglassen können wie z.B. die Flagellanten, die keine Bedeutung für die Handlung haben. Auch Gesellschaftskritik wird immer wieder eingeflochten: Ansichten über Frauen oder die Beeinflussung der Massen.
Es wird immer rätselhafter und spannender und im Hintergrund schweben fürchterliche Verbrechen, die möglicherweise zu den Morden geführt haben. Jedenfalls überstürzen sich zum Ende die Ereignisse etwas zu sehr und die Zufälle häufen sich. Es wird unglaubwürdig. Über die Geschehnisse am Ende darf natürlich nichts verraten werden... aber sie lassen vermuten, dass es einen weiteren Band geben wird.
Fazit
Zwar bewundere ich die Recherchearbeit, die Dirk Schümer hier geleistet haben muss, aber wie ich schon am Anfang schrieb: es ist von allem zu viel; der Leser wird überschüttet und von der Fülle überwältigt. Aus diesem einen dicken Buch hätte man mindestens zwei machen können. Es gibt zu viel Historisches, Politisches, Gesellschaftliches, das nicht organisch in die Storyline eingewoben ist und am Ende passieren zu viele unwahrscheinliche Dinge.
Wittekinds Abenteuer in Florenz
Ein wunderschönes Cover und ein geheimnisvoller Titel machten mich neugierig: Da ich Romane mit historischem Hintergrund mag, ließ ich mich zunächst gerne und bereitwillig in die Stadt Florenz und in das frühe Mittelalter entführen. Ein Deutscher dient dort einem schwerreichen Bankier , in dessen Auftrag soll er dessen verschwunden Sohn suchen - bei einer seiner Huren wird er sein, vermutet man. Die Stadt Florenz erholt sich gerade von einer Seuche, die Pest wütet noch hier und da und Wittekind macht sich auf den Weg… soweit, so gut. Doch was dann auf über 500 Seiten folgt, enttäuschte mich leider auf breiter Linie. Zahllose Handlungsstränge entfalten sich, unzählige Personen treten auf und verschwinden wieder, Zufälle reihen sich aneinander, gesellschaftskritische Ergüsse und Informationen über das Wohl und Wehe der Menschen im Mittelalter gehen auf den Leser nieder. Der rote Faden geht dabei verloren, verheddert sich und löst sich auf - meine Geduld wurde hier mehr als einmal strapaziert. Vieles erscheint mir fragwürdig oder nicht folgerichtig, der Lesespaß kam mir öfter mal abhanden. Sicher, der Autor hat gründlich recherchiert und schreibt flüssig - aber worüber denn eigentlich? Vieles hier hätte eher in ein Sachbuch gepasst.
Fazit: Beschäftigt euch mit der Theorie eures Handwerks, Leute. Ein guter Stil, eine ehedem vielleicht gute Idee und eine sorgfältige Recherche allein genügen nicht für einen Bestseller!