Die Dauer der Liebe: Roman
![Buchseite und Rezensionen zu 'Die Dauer der Liebe: Roman' von Sabine Gruber](https://m.media-amazon.com/images/I/31Gc-Q7uKxL._SL500_.jpg)
„Es klopft, Renata sitzt am offenen Fenster, die Platanenblätter versperren den Blick zum Kanal.“ (Erster Satz) Vor der Tür steht ein Polizist und teilt Renata mit, dass ihr geliebter Lebensgefährte Konrad plötzlich verstorben ist. Seit 25 Jahren waren die beiden ein Paar, allerdings ohne Trauschein – eine Entscheidung, die sich nun rächen soll, denn Konrad hatte keine Vorsorge für den Ernstfall getroffen, sein niedergeschriebenes Testament ist nicht rechtsgültig. Als wäre Renata nicht schon durch den schweren Verlust hart genug getroffen, drängt sich nun noch die Herkunftsfamilie des Verstorbenen massiv auf: Sie beansprucht nicht nur dessen materiellen Besitz, sondern missachtet auch seine Wünsche bezüglich Bestattung und letzter Verfügungen. „Sie lassen dich nicht mehr fort, sagt Renata zu Konrad. Sie behalten dich für immer dort, wo du nie begraben sein wolltest.“ (S. 65) Weder Renata noch ihre Trauer werden akzeptiert. Ohne Empathie oder Rücksicht formuliert man eigene Wahrheiten und will ihr sogar letzte Erinnerungen entreißen.
Es ist bemerkenswert, wie tief sich die Autorin in diese trauernde Frau, in ihren Kummer und ihre schlaflosen Nächte, hineinversetzen und diese in einfühlsame Worte kleiden kann. Als Leser empfindet man diese Gefühle zwischen Schmerz, Zorn, Wut und Galgenhumor intensiv nach. Man ist zudem sprachlos angesichts der Pietät- und Gefühllosigkeit, der die Protagonistin andauernd ausgesetzt ist. Es ist vollkommen nachvollziehbar, dass Renata nach dem ersten Schock erst einmal mit sich selbst ins Reine kommen muss und sich nicht mit den habgierigen Angehörigen befassen kann. „Totschweigen ist Ruhe. Totschweigen ist Schonung. Der Schmerz ist schon groß genug.“ (S. 181)
Mit Hilfe ihres engen Freundeskreises taucht Renata aus dem Tal der Trauer auf, ganz langsam begibt sie sich wieder ans Licht und wendet sich dem Leben zu. Dabei erinnert sie sich auch an gemeinsame Reisen und Unternehmungen, die sie oft nach Italien geführt haben. Konrad war Architekt und Fotokünstler, der sich insbesondere mit faschistischer Architektur beschäftigt hat, über die man im Roman einiges erfährt. Mit gewonnenem Abstand ist es Renata endlich möglich, den künstlerischen Nachlass zu sortieren. Dabei stößt sie auf Notizen, die sie misstrauisch machen, die möglicherweise etwas freilegen, das Konrad vor ihr geheim gehalten hat… „Verlassenschaften führen die Hinterbliebenen auf Spuren, denen sie besser nie gefolgt wären.“ (S.62) Renata stellt sich dieser emotionalen Herausforderung.
Sabine Gruber ist eine Sprachvirtuosin. Ihr Text verfügt über wunderschöne poetische Bilder. Er ist facettenreich gestaltet, zahlreiche Formulierungen haben mich in ihrer Tiefenschärfe und Ausdruckskraft berührt und begeistert. Die Autorin nähert sich ihrer Hauptfigur mit großem Respekt und psychologischem Einfühlungsvermögen, wodurch man die verschiedenen Stimmungen im Rahmen der Trauerarbeit sehr intensiv nachempfinden kann. Die ernste Thematik wirkt trotzdem zu keinem Zeitpunkt niederdrückend oder deprimierend. Sowohl die Entwicklung der Hauptfigur als auch die nebengelagerten Handlungsfäden rund um Konrad und seine Familie bringen die Geschichte voran. Man liest den Roman mit latenter Spannung.
Für mich war dieses Buch ein Highlight. Man spürt, dass die Autorin bereits persönliche Erfahrungen mit Verlust und Tod hat machen müssen, sonst wäre der hohe Grad an Authentizität möglicherweise nicht zu erreichen gewesen. Etwas stören tut mich die alte Deutsche Rechtschreibung, die sich nach rund 25 Jahren allmählich überholt haben sollte.
Ansonsten aber bin ich sehr begeistert und spreche eine riesige Leseempfehlung für „Die Dauer der Liebe“ aus, einem Roman von Tod und Trauer, aber ebenso vom Loslassen und Weiterleben. Ein Buch mit Tiefe, das einen zum Nachdenken bringt über die Dinge, die wirklich wichtig sind im Leben. Vielleicht kann dieses Buch sogar Trost spenden. Ein großer Wurf!
Lebensechte Geschichte meisterhaft erzählt
Eine unerwartete, schreckliche Nachricht unterbricht Renatas morgendliche Routine; an ihrer Wohnungstür steht ein Polizist, der sie über den plötzlichen Tod ihres Lebensgefährten Konrad informiert. Renata und Konrad lebten seit fünfundzwanzig Jahren zusammen, glücklich und immer noch ineinander verliebt.
Von der schockierenden Nachricht erstarrt, will Renata sie nicht wahrhaben: „löscht das Gehörte in ihrem Kopf, vergisst gleichmäßig zu atmen“ (12)
Der Verlustschmerz ist unermesslich, sie denkt dann an ihren eigenen Tod, würde gerne dem geliebten Konrad ins Jenseits folgen.
„Wenn ich vor dir tot sein sollte, werde ich aus Sehnsucht nach dir im Jenseits noch einmal sterben.“ (27)
Nur ihren engsten Freunden, die sie unterstützen, verdankt sie eine langsame Rückkehr ins Leben. Konrads Familie, besonders seine Mutter, hat sie nie respektiert, und als eine „unverheiratete Witwe“ - ohne ein rechtsgültiges Testament - hat sie auch kein Recht auf Konrads Hinterlassenschaft. Konrads Familie ist hier skrupellos, sie räumt alles im wahrsten Sinne des Wortes ab.
Beim Aussortieren von Konrads Sachen entdeckt Renata Hinweise, die womöglich auf ein Geheimnis in seinem Leben deuten würden. Diese Entdeckung und die stetige Unterstützung ihrer Freunde geben ihr die Kraft der Sache nachzugehen und für die Klarheit zu sorgen. Und mit der Zeit, nach und nach, beginnt Renata ihr eigenes Leben neu zu gestalten.
In ihrem ergreifenden Roman erzählt Sabine Gruber über den größten Verlust, den man im Leben erleiden kann. Es ist der Tod eines geliebten Menschen, ein Verlust, den man trotz aller Widersprüche erdulden und akzeptieren muss. Diese Erfahrung macht Renata, die ihren langjährigen, geliebten Lebenspartner plötzlich und völlig unerwartet verliert.
Behutsam und voller Empathie erzählt sie über das schmerzliche Ereignis und Renatas Trauerbewältigung. Es bewegt und rührt oft zum Tränen, wie Renata mit ihrem Verlust umzugehen versucht; es macht zornig und wütend, wie Konrads Familie sie behandelt und beraubt.
Interessant sind Renatas Recherchen nach dunklen Seiten in Konrads Leben, sowie die Versuche ihr Leben neu zu gestalten.
„Die Dauer der Liebe“ ist eine sehr schön erzählte lebensechte Geschichte, die ich gerne gelesen habe.
Wärmstens zu empfehlen!