Young Mungo: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Young Mungo: Roman' von Douglas Stuart
4.65
4.7 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Young Mungo: Roman"

Für die hypermaskuline Welt der Arbeiterviertel im Glasgow der 90er Jahre ist Mungo zu hübsch und zu sanft. Sein Bruder Hamish, gefürchteter Bandenführer, will ihn zum Mann machen und schleift ihn zu den brutalen Kämpfen zwischen Protestanten und Katholiken – nur wer hart genug ist, kann hier überleben. Dann trifft Mungo auf James und mit ihm kann er sein, wie er ist. Mit ihm lernt er ein Begehren kennen, das geächtet ist, das ihn mit Scham erfüllt, aber auch mit Glück, das er selbst vor seiner Schwester Jodie verleugnen muss, mit der er sonst alles teilt. Denn die Liebe, die zwischen den Jungen wächst, ist lebensgefährlich – und zugleich ihre Rettung. Ein großartiger Roman über Liebe in einer von Gewalt geprägten homophoben Welt und die Verheißung von Aufbruch und Befreiung.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:416
Verlag: Hanser Berlin
EAN:9783446275829

Rezensionen zu "Young Mungo: Roman"

  1. 4
    30. Mär 2024 

    This Boys life

    St. Mungo ist der Schutzpatron der Stadt Glasgow und nach ihm ist Mungo benannt. Ein empfindsamer, schüchterner und zarter Junge, knapp 16 Jahre alt, der der Kälte, Härte und Gewalt von Glasgows Arbeiterviertel in den 90er Jahren nur wenig entgegen zu setzen hat. Hier herrschen annähernd täglich gewalttätige Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten und einer der Bandenführer ist sein älterer Bruder Hamish. Hamish will aus Mungo einen echten Kerl machen, mit ihm in den "Kampf" ziehen, statt sich um Arbeit und sein eigenes, uneheliches Kind zu kümmern. Jodie, die Schwester der beiden Jungen hat die Rolle der Mutter übernommen und versorgt die Familie. Den die Mutter, Mo-Maw, ist nicht nur Alkoholikerin, sondern meistens auch Tagebis Wochen verschwunden. In dieser verkehrten, brutalen und rauen Welt verliebt sich Mungo. Eine Liebe die auf gleich mehreren Ebenen nicht sein darf, denn Mungo verliebt sich in James, einen protestantischen Jungen. Eine geheime, keidenschaftliche und schmerzliche Affaire beginnt. Und weil sowohl Hamish als auch Mo-Maw sehen, dass Mungo anders ist als erhofft, muss er sich zu einem Wochenende mit zwei "echten Männern" aufmachen, damit aus ihm auch ein Mann wird.

    Dieses Buch hat mich sehr berührt, hart getroffen, mitgerissen und unglaublich zurückgelassen. Es ist eine Milieustudie voller Sozialkritik und nimmt kein Blatt vor den Mund. Die drei Teenager Mungo, Jodie und Hamish wachsen praktisch schutzlos als Halbwaise mit einer schwer alkoholkranken Mutter, die sich nur um ihre eigenen Probleme kümmert in einer Gegend auf, in der Gewalt an der Tagesordnung steht, das Gesetz des stärkeren herrscht und Not den Tag bestimmt. In so einer Umgebung noch "anders" zu sein, sensibel, weich, paszifistisch und letztlich schwul, ist keine Herausforderung, sondern eine Strafe für Mungo. Und als Mo-Maw klar wird, dass ihr Sohn anders ist, trifft sie eine fürchterliche, folgenschwere Entscheidung, indem sie ihn auf ein Angelwochenende mit zwei alkoholkranken Straftätern schickt.

    Dieses Buch ist nichts für zart Besaitete und schwache Nerven. Der Spannungsbogen wird relativ früh aufgebaut, spitzt sich stetig weiter zu und entlädt sich in einer sehr expliziten und grausamen Vergewaltigungsszene. Das war sehr hart zu lesen und überhaupt nur möglich, weil der Handlungsstrang immer wieder unterbrochen wurde durch Rückblenden zu Mungo und James oder Mungo und Jodie.

    Sprachlich ist das Buch schwer einzuordnen. Ich kann verstehen, dass es eine Notwendigkeit gab den Glasgower Dialekt irgendwie in der deutschen Übersetzung mit abzubilden. Das ist auch gelungen, lässt aber die Charaktere durch den wilden Mix an verschiedenen deutschen Dialekten etwas dümmlich erscheinen. Zudem waren manche Szenen, besonders zwischen James und Mungo, teils sehr blumig beschriebenen, hart an der Kitschgrenze.

    Dennoch hat mich das Buch sehr gepackt, gefesselt und tief berührt. Wen die expliziten Szenen und Wortwahl nicht abschreckt, hat hier ein kleines Juwel gefunden.

  1. Liebe kann alles schaffen, oder?

    Mir war bewusst, dass dieses Buch mich emotional mitnehmen würde, aber dass ich so weggefegt werde, das habe ich nicht ahnen können.

    Stuart schafft es hervorragend eine Gesellschaftskritik auf die Beine zu stellen und ein authentisches Bild der 90er Jahre in Glasgow zu zeichnen, bei dem es einem beim Lesen einfach nur Angst und Bange wird. Die Armut der Menschen, die Sucht nach Alkohol und Drogen, all das hat Einfluss auf das Großwerden so vieler Kinder, hier im Speziellen auf Mungo und seine Geschwister.

    Mich hat am meisten berührt wie Mungo seinen James kennen- und lieben lernt. Das war so natürlich geschildert, dass man als Leser direkt verstanden hat warum die beiden zueinander gefunden haben und sich brauchen.

    Stuart mutet nicht nur seinen Figuren viel zu, sondern auch seinen Lesern, die einiges aushalten müssen. Gerade zum Ende hin wusste ich nicht mehr, ob ich das Geschilderte noch ertragen kann oder ob es mir einfach zu hart und zu brutal ist. Doch die Neugier siegte und auch wenn ich viel gelitten habe, so habe ich schon lange nichts mehr gelesen, was mich so geflasht hat wie dieses Buch.

    Fazit: Absolute Kauf- und Leseempfehlung. Für mich ein Highlight im Lesejahr 2023.

  1. 5
    21. Feb 2023 

    Furchtbar hässlich und zugleich wunderschön

    Glasgow der Neunziger ist ein hartes Pflaster. Protestanten und Katholiken leisten einander brutale Straßenschlachten. Das Leben ist von Armut und Alkohol geprägt. Und mittendrin lebt Mungo. Als Bruder von einem der berühmt berüchtigten Bandenanführer wird eigentlich von ihm erwartet, dass er sich auch beteiligt und ordentlich austeilt. Aber Mungo ist zu sanft für seine Umgebung. Er möchte nicht die Schlachten seines Bruders kämpfen.
    Irgendwann begegnet er James. Beide verlieben sich ineinander, was in dieser Gegend zu dieser Zeit höchst gefährlich ist.

    Das Buch ist etwas Besonderes in meinen Augen. Es ist wirklich Wahnsinn, wie das Buch es handhabt, zwischen Schrecken und absoluter Schönheit zu springen. Es ist an einigen Stellen übelerregend brutal, während es an anderen Stellen mit solcher Sanftheit und Schönheit aufwartet, dass man ganz bezaubert ist. Dabei hilft der Schreibstil meiner Meinung sehr. Die Art, wie Douglas Stuart Charaktere beschreibt, muss eine meiner neuen Lieblingssachen sein. Die Charaktere werden teilweise so zart und poetisch beschrieben, dass ich mich in diese Art des Beschreibens verliebt habe.
    Die Brutalität dieser Zeit, dieser Gegend wurde wahnsinnig gut gegen unseren Protagonist aufgewogen, dessen Art zu denken so nachfühlbar und weich war, dass man am liebsten weinen möchte.
    Das Buch behandelt Homofeindlichkeit und toxische Maskulinität. Es zeigt auf, wie dumm und furchtbar es ist, zu erwarten, dass Jungen diesen Standard, wie ein Mann zu sein hat, gerecht werden müssen.
    Die überaus komplizierten Familienverhältnisse zu verfolgen, war auch herzzerreißend. Die Liebe zwischen den Familienmitgliedern, die doch wieder an Konditionen gebunden ist, und unter den ärmlichen Umständen keine gute Chance hat zu gedeihen.

    Dieses Buch hat mich sehr berührt und ich kann es nur wärmstens weiterempfehlen.