Das Salzfass

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Salzfass' von Simon Sailer
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Inhaltsangabe zu "Das Salzfass"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:128
Verlag:
EAN:9783990650462

Rezensionen zu "Das Salzfass"

  1. Mysteriöses Salzfass mit Eigenleben

    Mysteriöses Salzfass mit Eigenleben
    Bei Simon Sailers „Salzfass“ handelt es sich um ein kleines Juwel. Die Aufmachung ist sehr hochwertig. Zahlreiche schwarz-weiß Illustrationen von Jorghi Poll ergänzen die schaurig-skurrile Geschichte auf wunderbare Art und Weise.
    Im Mittelpunkt der Erzählung steht ein altes Salzfass aus Silber und Kobaltglas, in dessen Inneren sich noch Spuren einer weißen Substanz befinden. Schon bald entpuppt sich das Salzfass als äußerst eigensinniges Objekt, das sich immer mehr in Maurices Antiquitätenladen ausbreitet und auf mysteriöse Art und Weise Besitz von Maurice ergreift. Auf die unterschiedlichsten Arten versucht der verzweifelte Antiquitätenhändler das Salzfass loszuwerden und ist schließlich sogar zum Äußersten bereit. Die Erzählung wirkt wie aus einer anderen Welt, reiht sich ein in eine Tradition der Schauergeschichten, ist zuweilen tragisch-komisch, rätselhaft und äußerst skurril. Ich mochte die Atmosphäre sehr gerne und habe noch nichts Vergleichbares gelesen.

  1. Eine neue, moderne Variante des klassischen Schauerromans

    „Nur dieses Salzfass war hier. Mitten im Lager stand es. Nicht einmal versteckt, ganz so, als hätte er es noch mitnehmen wollen.“ (Zitat Seite 9)

    Inhalt
    Als die Antiquitätenhändlerin das Geschäft übernimmt, ist es vollkommen leer, sowohl der Geschäftsraum, als auch das Lager. Nicht ganz, im Lager steht ein einziger Gegenstand, ein altes Salzfass aus englischem Silber und Kobaltglas. Sie beobachtet den Mann, der ihr Geschäft betreten hat, schon seit einer Weile und spürt deutlich sein Interesse an dem Salzfass, also erzählt sie ihm die Geschichte dieses Gegenstandes. Schon sein Vater war Antiquitätenhändler gewesen und nach seinem Tod hat sein Sohn Maurice Demel das Geschäft übernommen. Eines Tages wird ihm ein Nachlass angeboten, das hübsche kleine Salzfass gehört dazu. Doch bald bemerkt Maurice, dass dieser Gegenstand geheimnisvolle Kräfte zu haben scheint, es ist nicht nur ein weißes Geflecht, das er zunächst für Salzreste hielt, das aber die Größe verändern kann und immer mehr auch in seine Gedanken zu dringen scheint und bald sein Leben bestimmt. Er will es verkaufen, notfalls auch verschenken, doch so einfach ist das nicht.

    Thema und Genre
    Diese Erzählung spielt im modernen Wien von heute und ist eine eigenwillige Version eines klassischen, phantastischen Schauerromans mit Ereignissen, für die es keine logische Erklärung gibt.

    Charaktere
    Maurice Demel ist ein erfolgreicher Antiquitätenhändler, bis sich dieses Salzfass in sein Leben drängt. Seine Hilflosigkeit diesem Phänomen gegenüber erzeugt auch beim Lesenden Beklemmung und gespannt folgen wir seinen Versuchen, sich irgendwie mit dem Ding zu arrangieren und es so rasch als möglich loszuwerden.

    Handlung und Schreibstil
    In der Rahmenhandlung begegnen wir einer gesprächigen, engagierten Antiquitätenhändlerin in ihrem ersten eigenen Geschäft in der Wiener Innenstadt. Sie ist überzeugt, sofort zu erkennen, ob ein Kunde kaufen will, oder sich nur umsieht. Als sich ein Kunde für das Salzfass zu interessieren scheint, beginnt sie, ihm die Geschichte ihres Vorgängers Maurice Demel zu erzählen, wobei nicht sicher ist, was sie darüber tatsächlich weiß und was sie erfindet, um das Objekt für den möglichen Kunden spannend zu machen. Diese Geschichte von Maurice, in deren Mittelpunkt das Salzfass steht, ist die Haupthandlung. Der Autor beginnt leise, mit einer Schilderung eines durchaus üblichen Geschäftsvorganges im Antiquitätenhandel. Stetig und rasch steigt dann die Spannung und sorgt für unvorhersehbare Situationen und eine völlig überraschende Wendung. Zahlreiche schwarz-weiße Illustrationen, passend zum Genre, ergänzen die Geschichte.

    Fazit
    Die moderne, facettenreiche Version eines klassischen Schauerroman, packend und beklemmend.

  1. Kafka meets ‘Little Shop of Horrors’

    Antiquitätenhändler Maurice hat vor kurzem einen Nachlass abgewickelt: viel Schund, aber auch einige schöne Stücke, für ihn wenig mehr als Routine. Doch ein altes Salzfässchen, an sich hübsche Vexierware, erweist sich als unverkäuflich – und unersättlich… Bald schon dreht sich Maurices ganzes Leben nur noch um das sonderbare Salzfass und dessen Bedürfnisse, die es doch eigentlich gar nicht haben dürfte. Zunehmend verzweifelt versucht er, sich dieses gierigen Stücks Silberware zu entledigen.⁣

    Nachdem mir “Die Schrift” von Simon Sailer letztes Jahr so gut gefallen hatte, musste ich auch “Das Salzfass” unbedingt lesen. Die Novellen gehören zwar beide zur Essiggassen-Trilogie (der dritte Teil folgt) und es gibt gewisse Berührungspunkte, Leser:innen können sie aber gut unabhängig voneinander lesen.⁣

    Dieses kleine Hardcover ist beinahe genauso edel ausgestattet wie sein Vorgänger, mit wunderschönen Illustrationen von Jorghi Poll, die die Geschichte gleichzeitig unterstreichen und erweitern. Ein klitzekleiner Wermutstropfen nur: waren diese in “Die Schrift” noch farbig, sind sie in “Das Salzfass” schwarz-weiß, aber dennoch sehr stimmig und atmosphärisch. Das Buch bekommt auf jeden Fall einen Ehrenplatz hier im Regal, neben anderen hübschen Büchern aus dem Verlag.⁣

    Die Geschichte ist wieder wunderbar surreal. Der Held ist auch hier ein ganz normaler Mensch, der sich unversehens in einer verzweifelten Lage wiederfindet – gebunden an einen Gegenstand, der ihn in den Abgrund reißt, von dem er sich jedoch nicht trennen kann. Das scheint eine Spezialität des Autors zu sein: Protagonisten, die zu Opfern einer Macht werden, die sie weder steuern noch beeinflussen können. (Oder wollen?) Sie befinden sich eigentlich auf vertrautem Terrain, umgeben von Gegenständen, für die sie Experten sind. Und genau diese Gegenstände werden ihnen zum Verhängnis.⁣

    Aber sind es wirklich die Gegenstände, die das Verderben einläuten, oder sind diese nur ein Sinnbild für einen Aspekt der Persönlichkeit der Protagonisten?⁣

    Das Corpus Delicti ist dieses Mal jedenfalls ein kleines Salzfässchen in recht gutem Erhaltungszustand, das sich unerklärlicher Weise nicht verkaufen und nicht einmal verschenken lässt. Und es stimmt etwas nicht mit diesem weißen Film, der doch erst so harmlos wie ein bisschen hartnäckiger Salzrückstand aussieht…⁣

    Spätestens hier gibst du die reine Rationalität besser erstmal ab.⁣

    Keine Sorge, die kriegst du nach der letzten Seite unbeschädigt wieder. Denn es ist alles so albtraumhaft, abwegig, aberwitzig, absurd – und gleichzeitig liest es sich ganz plausibel… Irgendwo bist du halt falsch (oder richtig?) abgebogen und hast einen Abstecher in eine Realität gemacht, in der diese Geschehnisse Sinn ergeben. Bist vielleicht ins Kaninchenloch gefallen.⁣

    Doch auch wenn alles wie in einem Vexierspiegel verzerrt dargestellt wird, kannst du doch erahnen, dass dahinter etwas steht, das durchaus Wert und Bedeutung hat. Die Gegenstände bekommen fast schon menschliche Züge, während die Menschen, die sich von ihnen nicht lösen können, zwischendurch geradezu grotesk und sogar tierhaft erscheinen.⁣

    Simon Sailer kann einfach schreiben.⁣

    Er erhielt nicht von ungefähr im März den Clemens-Brentano-Preis für “Die Schrift”. Seine Sprache hat einen ganz eigenen Klang, dem du nachspürst, bis er ganz und gar verhallt ist… Und dann bemerkst du erst die subtilen Misstöne, die dich an diesem oder jenem Element der Geschichte zweifeln lassen. Gewürzt wird das Ganze mit einem herrlich eigenwilligen Humor.⁣

    Sailer hat ein ungemein feines Gespür für die menschliche Natur, die sich jedoch immer wieder als widersprüchlich und unzuverlässig erweist. Daher lassen sowohl “Die Schrift” als auch “Das Salzfass” am Schluss der jeweiligen Geschichte auch noch manches an Interpretationsspielraum offen, was ich jedoch keineswegs als Manko sehe.⁣

    Ein Teil des Vergnügens, diese Novellen zu lesen, liegt darin, sich einen eigenen Weg durchs Labyrinth zu suchen.⁣

    Fazit:⁣

    In einer atmosphärisch dichten Groteske erzählt Simon Sailer von Antiquitätenhändler Maurice, dem ein altes Silberfässchen zum Verhängnis wird – es verschlingt buchstäblich sein ganzes (Berufs)leben und er weiß nicht, wie er es loswerden soll. Kaufen will es keiner, nicht mal geschenkt haben, und ignorieren lässt es sich auch nicht.⁣

    Ich liebe den einzigartigen Schreibstil des Autors, seinen feinen Humor, die trügerische Vielschichtigkeit seiner Geschichten, deren Spiel mit Realität und Wahn… Auch wenn “Das Salzfass” nur 128 Seiten umfasst, enthalten diese doch viel mehr Bedeutung, als du bei einmaliger Lektüre begreifen kannst – definitiv ein Büchlein zum mehrfach lesen!