Harlem Shuffle: Roman
![Buchseite und Rezensionen zu 'Harlem Shuffle: Roman' von Colson Whitehead](https://m.media-amazon.com/images/I/51M-YLI4IZS._SL500_.jpg)
Der ganze Stolz von Ray Carney ist sein Möbelladen in Harlem. Was für ein Gefühl als er den Mietvertrag unterschrieb. Doch im Jahr 1958 lebt es sich mehr schlecht als recht davon. Rays Frau Elizabeth arbeitet in einem Reisebüro, das Reisen abgestimmt auf die afro-amerikanische Kundschaft zusammenstellt. Ray ist immer auf der Suche nach neuer Ware und neuer Kundschaft. Er ist immer am Puls der Zeit. Sein Cousin Freddie dagegen ist ein Schlawiner, der Ray immer mal wieder in krumme Dinge hineinzieht. Grundsätzlich will Ray ehrliche Geschäfte machen, doch manche Transaktionen finden besser nach Feierabend statt.
Mit seinem neuen Roman widmet sich Colson Whitehead den Harlem zwischen 1958 und 1964. Ray Carney hat Betriebswirtschaft studiert und will seiner Familie eine sichere Lebensgrundlage bieten. In der lebendigen Nachbarschaft ist das nicht immer ganz einfach. Die schwarze Community findet gerade ein neues Selbstbewusstsein und dass geht nicht ohne Schwierigkeiten. Und Ray muss sich mühen, nicht zu sehr in dunkle Machenschaften hineingezogen zu werden. Auch wenn dafür hin und wieder ein Umschlag den Besitzer wechseln muss. Unterbuttern lässt sich Ray allerdings auch nicht. Und die Lebenserfahrung bringt ihm Ideenreichtum und Schläue.
Mit seinen Romanen „Underground Railroad“ und „Die Nickel Boys“ vermochte der Autor wirklich zu fesseln. Das gelingt ihm mit seinem neuen Roman nicht in gleicher Weise. Doch auch das Harlem um den Wechsel von den 1950ern zu den 1960ern bietet einen schillernden Hintergrund für die Handlung. Freddie ist ein kleiner Ganove, der seinen Cousin in seine Gefilde zieht. Man bekommt nicht den Eindruck, dass Ray sich konsequent dagegen wehrt. Gegen einige Gepflogenheiten kann er sich vielleicht auch nicht wehren. Dennoch wirkt Ray wie ein treuer Familienmensch, der mit seinen Mitteln versucht, dass Beste zu erreichen. Dabei wirkt er gewitzt und sympathisch. Auch wenn einem das Setting diesmal ein wenig fremd bleibt, folgt man Ray Carney gerne durch drei Episoden seines Lebens.
3,5 Sterne
Kurzmeinung: Feine Charaktere. Feine Sozialstudie. Feines Thema.
Das Leben in New York ist nicht für alle gleich. Die Reichen wohnen in gediegenen Wohnvierteln und werden von der meist weißen Polizei beschützt. Hier gilt „Die Polizei, dein Freund und Helfer“. Aber die Polizei ist nicht so wie sie erscheint, hilfreich und gut, sondern in der Wolle gefärbt und korrupt bis ins Mark. Das wissen die Bewohner der späten 1950er und frühen 60er Jahre in Harlem genau, überwiegend wohnt hier die schwarze Bevölkerung. Selten setzt man einen Fuß dorthin, wo die Weißen agieren, das ist eine andere Welt, ein eigener Planet.
Wollen die Schwarzen in Harlem mit der Polizei klar kommen, heißt es, zu bezahlen oder zu rennen. Man bezahlt aber nicht nur die Bullen, auch die Kriminellen werden geschmiert, damit sie einen in Ruhe lassen und man seine Geschäfte abwickeln kann. Es ist ein kompliziertes Lavieren für Menschen, die gerne aus dem Sumpf der Kriminalität herauskommen möchten und ehrbare Bürger sein wollen. Es hilft weder Studium noch Wille, man muss das Geflecht der gegenseitigen Abhängigkeiten kennen. Und selbst dann, schafft man es höchstwahrscheinlich nicht.
Der Roman „Harlem Shuffle“ richtet den Scheinwerferstrahl auf drei Zeitabschnitte des Lebens des schwarzen Möbelhändlers Raymond Carney, Inhaber von Carneys Furniture. 1959 laufen die Geschäfte schleppend, aber einigermassen zufriedenstellend. Ray läuft unter dem Schirm. Aber dann wirft sein Cousin Freddy seinen Namen in den Ring der organisierten Kriminalität und Ray ist nicht länger unsichtbar. Das heißt, Ray muss sich neu erfinden.
1961 sitzt Raymond nächtelang wach und sinnt auf Rache, weil ihn ein ranghoher Schwarzer gelinkt hat und ihm den Zugang zum DumasClub absprachewidrig verwehrt hat und 1964, als Raymond eigentlich gesettelt ist, gerät die Welt aus den Fugen. Aber Raymond ist endlich im Club, wo die wichtigen Geschäfte besprochen und gemacht werden. Er hat es geschafft, soweit man es in seinem Milieu schaffen kann, allerdings ist seine Weste nicht so weiß geblieben, wie er es sich gewünscht hätte, und er hat einen Trauerfall zu verzeichnen.
Der Kommentar:
Dass Colson Whitehead seinen Roman in die Historie einbettet,
Zitat von Marc Pitzke Spiegel Online, vom 17.07.2014 :
-- „Der gewaltsame Tod des Teenagers James Powell am 16. Juli 1964 durch einen weißen Polizisten löst die schwersten Rassenunruhen aus, die New York City seit Kriegsende erlebt hatte. Sechs Tage und sechs Nächte lang lieferten sich Abertausend aufgebrachte Schwarze Straßenschlachten mit der Polizei“. --
macht den Roman ganz besonders lesenswert. Bedrückend auch. Weil man unter dem Eindruck kürzlicher Vorkommnisse und Berichterstattung, das Gefühl hat, es hätte sich nichts Entscheidendes verbessert.
Der feine Humor Whiteheads, der unterschwellig ständig zu spüren ist, macht den Roman außerdem zu einem richtigen Lesevergnügen.
Kostprobe:
„Harlem war so groß und hektisch, dass die Polizei keine Zeit hatte, die Leute so zu schickanieren, wie sie es gerne getan hätten“.
„Das Hotel Theresa auszurauben war so, als würden man gegen die Freiheitsstatue pinkeln“.
„Es war schön, in einer solchen Nacht unterwegs zu sein und ein linkes Ding zu drehen“.
Auch das legendäre Hotel Theresa gibt es natürlich.
Fazit: Die feine Schreibweise des Autors lässt das Harlem der 50er und 60er auf sensible Weise lebendig werden. Ich bin sehr angetan.
Kategorie: Belletristik
Hanserverlag, 2021, wer sonst.
Harlem in den Sechzigern: Ray Carney kommt aus üblen und ärmsten Verhältnissen, die Mutter früh verstorben, sein Vater ein Harlemweit bekannter Kleinkrimineller. Doch Ray nimmt sich fest vor, seinem Vater nicht nachzueifern. Er absolviert ein Wirtschaftsstudium und nach diversen Jobs eröffnet er seinen eigenen Möbelladen, heiratet Elizabeth aus gutem Hause und beide erwarten bald ihr zweites Kind. Doch das Geld ist knapp; es reicht kaum für die Miete und die Schwiegereltern, unzufrieden mit der Wahl ihrer Tochter, lassen ihn spüren, dass er für sie nur ein Underdog ist. So macht er hin und wieder kleine und etwas größere nicht ganz so legale Geschäfte mit seinem Cousin Freddie, der für ihn wie ein Bruder ist. Doch als der plötzlich bei den Großen mitmischen will, steht für Ray sein bürgerliches Leben auf der Kippe.
Colson Whitehead beschreibt das Harlem dieser Jahre 1959 bis ca. 1965 unglaublich bildreich und anschaulich, sodass man es förmlich vor sich sieht. Doch das hat auch eine nicht so schöne Seite. Der Autor ergänzt seine Beschreibungen um derart viele Menschen, Gruppen und Dinge, die damals eine Rolle spielten, dass ich immer wieder den Überblick verlor. Um es verständlicher zu machen: Auf den Seiten 136 bis 138 tauchen die folgenden Namen und Bezeichnungen auf: Adam Clayton Powell Jr., Clarence Darrow, NAACP, Dyckman Six, WASP. Für US-AmerikanerInnen dürften die Namen kein Problem sein, für EuropäerInnen aber schon viel eher. Ein Glossar wäre sehr sehr hilfreich gewesen, denn das ständige Suchen unterbricht den Lesefluss immens.
Zudem wird man mit Orts- und Straßennamen regelrecht zugeschüttet. Hätte man einen Stadtplan Harlems jener Zeit vor sich, könnte man Rays Wege sicherlich exakt nachvollziehen, aber so liest man bei dieser großen Anzahl über die Ortsangaben irgendwann einfach hinweg.
Schade, denn die Geschichte Rays, die auch eine Geschichte Harlems ist, wäre mit diesen Ergänzungen vermutlich richtig grandios geworden; ein regelrechtes Eintauchen in eine vergangene Zeit in einer für uns fremden Stadt. So ist es immerhin kein schlechter, aber verwirrender Roman mit viel Atmosphäre, für den es aufgerundete vier Sterne gibt.
Das Cover, eine belebte/typisch amerikanische Straßenkreuzung, ist ganz im Stil der 60-er Jahre - es führt auch schon etwas an das Thema heran, überall Müll und nur Bewohner mit dunklerer Hautfarbe im Bildausschnitt.
Gleich zu Beginn des Buches wird die Problematik deutlich gemacht: hier herrscht Rassentrennung vor. Es gibt Geschäfte für "Weiße" und es gibt Geschäfte für "Schwarze". Ein absolut wichtiges Thema, deswegen erachte ich das Buch insbesondere von der Thematik mit einem großen Mehrwert.
Das Buch zeigt auch die zeitliche Entwicklung mit auf bis hin zum heutigen Stand - wie ist das Leben in New York heutzutage, eben insbesondere für Menschen mit dunklerer Hautfarbe.
Die Charaktere und Protagonisten wurden für dieses Buch ausgesprochen gut skizziert - sie wirken sehr authentisch und haben Ecken und Kanten.
Schreibstil und Herangehensweise des Autors sind für diesen Roman gut passen.
Ein sehr interessantes Buch, welches ich jedem ans Herzen legen kann. Wichtig für unsere Gesellschaft und für die Entwicklung unserer Gesellschaft.
Inhalt (Klappentext):
Eigentlich würde Ray Carney am liebsten ohne Betrügereien auskommen, doch die Einkünfte aus seinem Laden reichen nicht aus für den Standard, den die Schwiegereltern erwarten. Cousin Freddy bringt gelegentlich eine Goldkette vorbei, die Ray bei einem Juwelier versetzt. Doch was tun mit dem Raubgut aus dem Coup im legendären „Hotel Theresa“ im Herzen Harlems, nachdem Freddy sich verdünnisiert hat? Als Polizei und Gangster Ray in seinem Laden aufsuchen, steht sein waghalsiges Doppelleben auf der Kippe.
Der Beginn des Buches hat mich sofort mitgenommen. Colson Whitehead fängt sehr gut die Stimmung und Atmosphäre des New Yorker Stadtviertels Harlem Ende der 50er Jahre ein. Es gibt kleine geschichtliche Ausflüge und Anekdoten aus dieser Zeit, die so nebenbei eingeflochten werden und für das richtige Flair sorgen. Zwischenzeitlich konnte ich mir das Ganze auch gut als Film vorstellen. Der Protagonist Ray ist ein sympathischer Kerl. Trotz seiner schwierigen Kindheit und denkbar schlechten Voraussetzungen versucht er, seinem Leben einen Aufwärtstrend zu verpassen, was ihm auch so nach und nach zu gelingen scheint. Doch ab dem zweiten Teil schleichen sich erhebliche Längen ein. Was am Anfang noch vergnügliche Einwürfe waren, wächst sich hier leider oft zu Abschweifungen aus, die zu sehr ablenken und die Geschichte unnötig in die Länge ziehen. Es ist kein schlechtes Buch, es ist unterhaltsam und beiläufig bekommt man auch einen Einblick in das Leben der schwarzen Bevölkerung zu dieser Zeit, mit dem ganzen herrschenden Alltagsrassismus, der mir so manches Mal doch den Atem verschlagen hat. Aber die Leichtigkeit und das Augenzwinkernde, das mir das Buch so schmackhaft gemacht hat, ging leider etwas verloren, so dass ich doch nur 3 Sterne vergeben kann.
Colson Whitehead kann meisterhaft erzählen. Er kann sich in eine Zeit einfühlen und darin schwelgen, unfassbar detailreich Zeitkolorit und Atmosphäre erschaffen. Leider macht Atmosphäre allein noch kein gutes Buch.
Hier sind wir in Harlem in den 60er Jahren, wo eigene Regeln herrschen und sich Kleinkriminelle oder auch Größere tummeln und wo man sich behaupten muss.
Carney hat ein Geschäft für Gebrauchtmöbel und ab und an auch andere Gebrauchtwaren. Er möchte ein rechtschaffener Geschäftsmann sein, aber das ist nicht so leicht, wie man meint. Immer wieder kommt sein Cousin Freddie mit Ideen oder heißer Ware. Schnell wird man in krumme Dinge hineingezogen, manchmal kann man sich auch freikaufen, bis man sich schließlich freikaufen muss.
In Harlem ist es schwer, ein ehrlicher Mann zu sein und zu bleiben. Die Gesellschaft dort bildet ein kompliziertes Geflecht aus Abhängigkeiten, die sich nach Einfluss, Hautfarbe, Familie oder Muskelkraft richten. Da gibt es nicht nur schwarz und weiß, sondern auch kaffeebraun in allen Schattierungen.
Das ist hoch interessant, so etwa 150 Seiten lang, dann hat man es verstanden, hat aber noch nicht einmal die Hälfte des Buches gelesen. Immer mehr zwielichtige Gestalten treten auf, deren Background beleuchtet wird, aber es passiert nicht so wirklich was.
Es gibt zahlreiche Rückblenden, Hintergründe, familiäre Befindlichkeiten, historische und politische Analysen oder Anekdoten, nur Handlung gibt es kaum.
Vielleicht muss man dieses Buch als Milieustudie betrachten. In dieser Hinsicht ist es grandios. Als Roman hat es Längen. Zu viel Drumherum verschleiern die sparsame Handlung und dem Helden kommt man nicht so recht nahe.
Dieses Buch hat mich anfangs beeindruckt, dann aber sehr gelangweilt.
3 Sterne
Klappentext:
„Eigentlich würde Ray Carney am liebsten ohne Betrügereien auskommen, doch die Einkünfte aus seinem Laden reichen nicht aus für den Standard, den die Schwiegereltern erwarten. Cousin Freddy bringt gelegentlich eine Goldkette vorbei, die Ray bei einem Juwelier versetzt. Doch was tun mit dem Raubgut aus dem Coup im legendären „Hotel Theresa“ im Herzen Harlems, nachdem Freddy sich verdünnisiert hat? Als Polizei und Gangster Ray in seinem Laden aufsuchen, steht sein waghalsiges Doppelleben auf der Kippe.“
Gleich vorweg: Colson Whitehead hat mich mit diesem Buch ein wenig enttäuscht. Nach seinem grandiosen Erfolg mit den Nickel-Boys, war natürlich die Vorfreude hierauf groß und die Messlatte weit oben angesetzt. Natürlich legt er auch mit diesem Buch wieder den Finger in die Wunde bzgl. Rassismus, Sozialverhalten etc. aber dennoch hakt es hier an so einigen Stellen. Erzählt wird auf/in drei Zeitebenen die es wahrlich schwer machen vielen Situationen noch sinnig zu folgen. Man verliert irgendwann den Überblick. Einige Parts wiederholen sich und man weiß gar nicht mehr, was bei wem oder wie auch immer warum passiert ist. Seine Sätze sind zu oft zu verschachtelt, aber vielleicht liegt es auch nur an der Übersetzung?! Jedenfalls war kein richtiger Lesefluss hier bei mir aufgekommen. Wie anderen Lesern ebenfalls auffiel, geht Whitehead bei allen Figuren nie in die Tiefe und das ist dadurch sehr oft eben nur eine oberflächliche Betrachtung. Die Figuren bleiben einem fremd, bekommen kein richtiges Gesicht und es sind einfach zu viele - da schwirrt einem echt der Kopf.
Was wirklich sehr gelungen ist, und da kommt Whitehead zu alter Stärke zurück, seine Beschreibungen und Erläuterungen von New York. Diese sind wieder so bildhaft und genau, das man sich durch die Zeilen in die Stadt gedanklich abtauchen konnte. Seine Beobachtungsgabe ist enorm, denn sonst wäre diese Betrachtung hier nicht möglich gewesen. Ja, es ist eine Liebeserklärung an New York aber das mit den Liebesbriefen an seine Protagonisten müssen wir nochmal üben….das sind einfach zu viele und das tut der Geschichte nicht gut. 3 von 5 Sterne.