Ein anderes Land: Roman
![Buchseite und Rezensionen zu 'Ein anderes Land: Roman' von James Baldwin](https://m.media-amazon.com/images/I/41489Qe2ITL.jpg)
Baldwins Sprache ist ein Gedicht, ich bin immer aufs Neue begeistert von seiner eleganten Sprachgewalt. Er malt Bilder mit seinen Worten, baut scheinbar mühelos Atmosphäre auf; in jeder Passage schwingt eine Vielzahl von Bedeutungsmöglichkeiten und Themen mit. Manchmal hörst du geradezu den Jazz, der aus den diversen Clubs auf die Straßen hallt.
Dennoch entpuppt sich auch dieser Roman wieder als unbequeme Lektüre: Jazz-Schlagzeuger Rufus ist ein Mann, der unter dem Druck einer Gesellschaft, in der er als Schwarzer stets und überall auf der Hut sein muss, zerbricht. Er wird bedroht, geschmäht und marginalisiert – leider ist das auch sechzig Jahre nach Erscheinen der Originalausgabe immer noch brandaktuell. So weit fühlt und leidet die:r Leser:in noch mit ihm mit, aber seine Wut, seine Angst und sein Hass entladen sich darin, dass er seine weiße Freundin Leona schlägt und demütigt und… Ja, vergewaltigt. Bis er nicht mehr damit leben kann, was aus ihm geworden ist.
Baldwin spürt nach Rufus’ Selbstmord dem Leben seiner Schwester und seiner weißen Freunde nach, ohne dem sinnlosen Tod seines Protagonisten einen Sinn aufzuzwingen. Niemand wird dadurch geläutert oder erleuchtet. Niemand ist weniger gefangen in seinen persönlichen -Ismen.
Ein wiederkehrendes Thema bei Baldwin:
Unterdrückung und Gewalt gebären eine toxische Gesellschaft, die emotional verkrüppelte Menschen hervorbringt, sie von innen zerfrisst wie Krebs. Selbstverachtung wird zu Verachtung wird zu Gewalt. Baldwins Protagonisten sind der Inbegriff dieser fatalen Spirale und machen es den Leser:innen daher durchaus schwer. Sie quälen sich selbst, sie quälen andere, sie verzweifeln an ihrem eigenen pervertierten Selbst. Zwar kommt immer wieder die Liebe ins Spiel, in all ihren Facetten, doch sie bringt öfter das Unheil als das Heil – Leid, nicht Liebe, ist das einende Element der verschiedenen Episoden.
Als moderne Leserin muss ich mich bei Baldwin insbesondere gegen die Homophobie und Frauenfeindlichkeit wappnen, die in fast jedem seiner Romane präsent ist. Aber sind diese nicht ein logischer Schluss? Seine Helden entladen ihre blinde Wut gegenüber den Menschen in ihrem Leben, die noch schwächer, noch machtloser sind als sie selbst.
Das wird so eindringlich, so authentisch und verstörend beschrieben, dass es schwer sein kann, da noch zu trennen zwischen Autor und Werk. Aber in meinen Augen verdient es Baldwin und verdienen es auch seine Bücher, dass Leser:innen sich nicht verstricken in moralische Empörung und fehlgeleitete Verurteilung. Baldwin zeigt die Abgründe der Gesellschaft, doch er hat sie nicht verursacht, sondern gilt zu Recht als Ikone der Gleichberechtigung – don’t shoot the messenger!
Seine Übersetzerin sagt indes über ihn: »Baldwin wollte keine Ikone sein, er wollte Zeugnis ablegen.« Und das tut er.
Zugegeben, für mich ist „Ein anderes Land“ womöglich der schwächste von Baldwins Romanen, aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Das kleinste Stückchen Gold ist immer noch Gold. Ja, großartige Szenen und komplexe Charaktere werden ein wenig geschmälert durch Längen in der Handlung. Ja, das Buch ist deutlich dialoglastiger, als ich es ansonsten von Baldwin kenne, was manchen Szenen stilistisch einen eher altbackenen Anstrich verleiht. Dennoch ist auch ein Baldwin mit Abstrichen immer noch großartig und ein unschätzbares, einmaliges Bild seiner Zeit; der Roman ist das Lesen auf jeden Fall mehr als wert!
Dazu kommt noch, dass die Neuübersetzung von Miriam Mandelkow nach meinem Empfinden den Ton des Originals wesentlich besser trifft als die Übersetzung, die in den späten 70ern unter dem Titel „Eine andere Welt“ erschien. Daher lohnt sie sich auch für Leser:innen, die diese erste Übersetzung bereits gelesen haben.
James Baldwin war ein Autor der Extreme: mit einem extremen Sprachstil und extremen Charakteren war er in der Lage, ein extremes Kopfkino zu erzeugen. Baldwin lesen bedeutet, in eine Gedankenwelt und Szenerie abzutauchen, die einen packt und bis zum Ende eines Romans mitreißt. Zwischen den Zeilen spürt man eine Besessenheit des Autors, die auf mich eine große Faszination ausübt.
In den letzten Jahren habe ich mich in schöner Regelmäßigkeit von seinen bisher erschienen Romanen vereinnahmen lassen. Daher habe ich nun in gespannter Erwartung Baldwins letzten seiner Romane gelesen, die mir noch in meiner Sammlung fehlten: "Ein anderes Land" aus dem Jahr 1962, nun vom dtv Verlag in einer Neuübersetzung wieder veröffentlicht.
In diesem Roman begegnet uns eine Gruppe von Menschen im New York der 50er Jahre. Allen voran Rufus, ein Schlagzeuger und der einzige Schwarze. Die Menschen dieser Gruppe sehen sich selbst als Bohémians, ihren Lebensunterhalt verdienen sich sich mehr oder weniger erfolgreich als Schriftsteller, Schauspieler oder Musiker. Diese Menschen begegnen sich hauptsächlich im New Yorker Nachtleben. Man frönt dem bohemischen Dasein unter dem Einfluss von Alkohol, Drogen und Sex. Zum Entsetzen aller wird sich Rufus das Leben nehmen, und der Roman beschäftigt sich mit der Frage nach Rufus' Motiv für seine Lebensmüdigkeit.
Eines haben alle Charkatere aus dem Personenkreis um Rufus herum gemeinsam: sie hadern mit sich und ihrem Leben. Sind auf der Suche nach ihrer Identität, die augenscheinlich von ihrer Hautfarbe und sexueller Orientierung bestimmt ist und scheitern bei dieser Suche.
Der Roman beginnt mit einem Teil, der Rufus in der Zeit vor seinem Tod zeigt. Er lebt mit Leona zusammen, einer Weißen, die er auf einer Party kennengelernt hat. Die Beziehung ist zerstörerisch und extrem. Denn sowohl Liebe als auch Aggressivität und Gewalt bestimmen den Alltag. Scheinbar können die beiden nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander. Dieser Abschnitt endet mit dem Selbstmord von Rufus. Danach richtet sich die Aufmerksamkeit auf Freunde und Familie von Rufus und deren Leben nach seinem Tod. Alle haben unterschiedliche Sichtweisen auf Rufus Charakter. Selbst der Leser hat Rufus anders wahrgenommen, als seine Freunde den jungen Musiker in Erinnerung haben. Die Suche nach dem Motiv für Rufus' Selbstmord wird von der Darstellung der Einzelschicksale begleitet. Waren Freunde und Familie im ersten Abschnitt noch Nebenfiguren, werden sie im weiteren Verlauf des Romans zu Hauptcharakteren, die an ihrem Leben verzweifeln.
Es wäre ein leichtes, die Verzweiflung dieser Charaktere durch den Rassismus-Gedanken dieses Buches zu begründen. Denn wie in fast allen Romanen von James Baldwin ist auch hier die Diskriminierung von Schwarzen ein zentrales Thema. Doch die Gruppe der Protagonisten besteht aus Menschen beider Hautfarben - schwarz und weiß. Daher war es für mich schwierig, die Ursachen für die "Verzweiflung" herauszulesen.
Mein Fazit:
Diesmal bin ich zwiegespalten. Konnte mich James Baldwin bisher immer mit seinen Romanen überzeugen, bin ich diesmal nicht ganz so euphorisch in meinem Urteil.
Das Positive vorweg: Sprachlich fand hier wieder großes Baldwin-Kino statt. Wie immer hat Baldwin mich mit seiner Intensität mitgerissen. Herausragend war auch der Schauplatz: Baldwin lässt uns durch "sein" New York der 50er Jahre wandeln. Diese Bilder vermitteln eine großartige Stimmung, die Kopfkino in den schillerndsten Farben präsentiert.
Das Negative: die Charaktere dieses Romans sind mir fremd geblieben. Ich habe begriffen, dass jeder an seinem momentanen Leben verzweifelt. Doch leider wurde mir nicht klar, worin diese Verzweiflung begründet ist. Leider gab es für mich auch keine Auflösung, was das Motiv für Rufus' Selbstmord angeht.
Der Roman ist immer noch durch Baldwins Sprachgewalt lesenswert. Doch inhaltlich konnte er mich diesmal nur im Ansatz erreichen.
© Renie
New York, Anfang der 1960er: Rufus war Jazzmusiker. Er hatte eine Beziehung mit einer Frau aus dem amerikanischen Süden, die hauptsächlich aus Sex und Gewalt bestand. Rufus ist schwarz. Man weiß von Beginn des Buches, dass etwas schief läuft in Rufus‘ Leben. Wir begegnen ihm schon auf den ersten Seiten des Buches, als er obdachlos, mittellos, planlos durch die Straßen der Stadt irrt. Rufus nimmt sich das Leben, springt von einer Brücke.
James Baldwin wählt in seinem Roman „Ein anderes Land“ einen dramatischen Beginn, führt einen Protagonisten ein, der noch im ersten Drittel des Buches stirbt und trotzdem Dreh- und Angelpunkt der Geschichte bleibt. Nach Rufus‘ Suizid lernen wir seine Freunde und vor allem seine Schwester Ida kennen. Bis auf Ida sind es alles weiße Menschen, vielleicht Künstler. Lebenskünstler jedenfalls. Sie alle versuchen, mit dem Rufus‘ Tod klarzukommen. Sie alle versuchen mit ihrem eigenen Leben klarzukommen. Es sind Außenseiter, weil sie die Gesellschaft dazu macht manche auch aus Eigensinn.
„Leiden hat keine Farbe. Oder?“
James Baldwin, afroamerikanischer Schriftsteller, Ikone der Gleichberechtigung, hat „Ein anderes Land“ in den 1960ern veröffentlicht. Es wurde zum Bestseller, angeblich der expliziten erotischen Szenen halber. Es ist er viel mehr als ein Buch über Sex, obwohl es durchaus einen Reigen an sexuellen Eskapaden gibt. Es ist ein scharfer Blick auf eine Gesellschaft, in der zählt, woher man kommt, wer man ist, welche Hautfarbe man trägt.
Ich mag viel an dem Buch, die sehr intensiven Szenen des Begehrens, Baldwins äußerst scharfes Beobachtungs- und Beschreibungstalent, die essenzielle Frage: Wer wollen wir sein.
Ich mag Baldwins Haltung zu Frauen nicht, Gleichbehandlung hin oder her, für mich ist er ein Chauvinist wie er im Buche steht. Doch ist er einer der Wegbereiter für heute etablierte Bewegungen, in der LGBTQ Szene, in der blacklivematters Bewegung.
Baldwin war ein Außenseiter - wie seine Protagonisten in diesem Buch – schwarz, Künstler, bisexuell. Er ließ sich nicht vereinnahmen, weder durch politische noch durch religiöse Gruppierungen. Er lebte wie seine Protagonisten in „einem anderen Land“.
„Die Hoffnung muss jeden Tag neu erfunden werden.“ (James Baldwin)
Mit „Ein anderes Land“ habe ich vor kurzem bereits meinen dritten Roman von James Baldwin gelesen. Und wieder hat er es geschafft, mich mit seinem kritischen Blick auf die weiße Gesellschaft bzw. den allgegenwärtigen Rassismus im New York der 1960er Jahre zu packen, zu faszinieren. So viel als Fazit vorab.
Was bringt einen (durchaus) erfolgreichen schwarzen Jazzmusiker dazu, seinem Leben freiwillig ein Ende zu bereiten? Von dieser Frage ausgehend (und nach etwa einem Viertel der gut 570 Seiten) tritt Rufus, den die Leserschaft durch seine letzten Stunden bis hin zu seinem Selbstmord begleitet, in den Hintergrund.
Stattdessen lernen wir nach und nach seinen Freundeskreis kennen, der zu einem Großteil aus Weißen besteht und begleiten sie durch die Zeit der Trauer und darüber hinaus. Baldwin gewährt den Leserinnen und Lesern dabei einen tiefen Blick in die Gefühlswelt von Menschen, die zwischen Verzweiflung, Hingabe und Liebe ihren „Platz“ suchen. Das gelingt ihm mit einer grandiosen Mischung aus Harlem-Slang (zart besaitet sollte die geneigte Leserschaft nicht sein) und poetisch-philosophischen Passagen. Natürlich erfahren wir auch wieder viel über den vorherrschenden und mürbemachenden Alltagsrassismus, (dem (nicht nur) die Schwarzen ausgesetzt waren und sind, sondern auch queere Menschen) der leider – wenn man sich die Entwicklungen der letzten Jahre vor Augen führt – nichts von seiner menschenverachtenden Durchschlagskraft verloren hat.
Dazwischen gibt es immer wieder Auszüge aus oder zumindest die Erwähnung von Jazz- und Bluesstandards, was mich als Hörer dieser Musikrichtungen dazu animiert hat, eben jene Songs in einer Playlist zusammenzustellen (wer Interesse hat, melde sich *g*).
Mich hat Baldwin (wieder einmal) überzeugen können und ich zücke deshalb nicht weniger als 5* und gebe eine glasklare Leseempfehlung aus.
©kingofmusic
Rufus, ein farbiger Jazz-Musiker aus Harlem, hat sich das Leben genommen. Gleich zu Beginn des Buches lernen wir ihn in seiner letzten Nacht kennen, als er rastlos durch die Straßen und Bars New Yorks läuft. Er scheint ziemlich am Ende der Gesellschaft angekommen zu sein, hat sich zuvor prostituiert und bettelt um etwas zu essen. Schon hier bekommt der Buchtitel einen Sinn: Rufus fühlt sich in einem anderen Leben. Es muss einen Bruch gegeben haben, der ihn schließlich auf die Brücke und zum Sprung ins tödliche Wasser treibt.
Rufus lässt uns an verschiedenen Erinnerungen teilhaben in seiner Todesnacht. Er hatte eine sexuelle Beziehung mit der weißen Südstaatlerin Leona. Was zunächst harmonisch begann, entwickelte schnell ein toxisches Verhältnis aus Leidenschaft, Sex und Gewalt. Die junge Frau scheint eine einsame, verlorene Seele zu sein. Auch von Rufus wird ein zerrissenes, haltloses, wütendes und doch sensibles Psychogramm gezeichnet, das im Verlauf des Buches um diverse Blickwinkel seiner Freunde und seiner Schwester bereichert wird.
Seine Freunde, das sind das Ehepaar Cass und Richard, sein bester Kumpel Vivaldo, sein ehemaliger, nach Frankreich gereister Geliebter Eric sowie seine Schwester Ida. Auch nach Rufus´ Tod kommen sie immer wieder zusammen, denken und sprechen oft über ihn, er ist deren Bindeglied. Rufus´ Freitod löst natürlich Schuld- und Schamgefühle aus, auch (Selbst-)Vorwürfe werden in den Raum gestellt. Im Zuge der Lektüre wird der Leser intensiv in dieses Beziehungsgeflecht hineingezogen.
Der italienisch-stämmige Vivaldo verliebt sich in Ida. Schwarzsein hat nichts Selbstverständliches im Amerika der 1950er Jahre. Entsprechend auffällig sind die allgemeinen Reaktionen auf gemischtrassige Paare. Noch schlimmer sind allerdings die Hindernisse und Schwierigkeiten, die sich aus dem Paar selbst heraus ergeben. Vivaldo ist in derselben Gegend wie Rufus und Ida aufgewachsen, teilt dieselbe Vergangenheit. Vivaldo fühlt sich ebenfalls als Außenseiter und wehrt sich dagegen, Farbunterschiede gelten zu lassen. Ida wiederum identifiziert sich mit dem Leben als schwarze Frau, leidet am überall vorhandenen Rassismus. Beide sind auf der Suche nach Liebe und Glück, können sich jedoch gegenseitig nicht vertrauen oder sich öffnen. Permanente Konfliktsituationen und Zerreißproben sind die Folge, in denen es nicht nur verbal ans Eingemachte geht. Ähnlich muss es auch zwischen Rufus und Leona zugegangen sein.
Eric liefert einen Hoffnungsschimmer: er scheint sich in Frankreich mit dem deutlich jüngeren Yves wohlzufühlen. Die beiden scheinen eine intakte, ausgefüllte Beziehung zu haben. Da Eric aus guter Familie stammt, haben sie auch keine finanziellen Sorgen. Ein Schauspielengagement führt Eric allerdings wieder zurück nach New York. Geplant ist, dass Yves schnell nachreisen soll. Aber bis dahin fließt noch viel Wasser den Hudson hinunter…
Richard hat seinen ersten Erfolg als Schriftsteller, was zu einer positiven Wendung führen könnte, aber auch Eifersucht und Neid zur Folge hat. Er lebt mit seiner Frau Cass und den zwei Söhnen ein beschauliches, großstädtisches Leben als Bohemian. Sie alle sind weiß und gerne als Gastgeber aktiv. Cass fühlt sich allerdings zunehmend unzufrieden mit ihrer Rolle als Frau, auch hier bahnen sich Probleme an.
Der Roman portraitiert die rassistisch-gespaltene Gesellschaft der 1950er Jahre, als Schwarze permanent offen diskriminiert und ausgegrenzt wurden. Sie mussten ständig aufpassen, nicht mit Polizei und Justiz in Berührung zu kommen. Schnell wurden sie unter Generalverdacht gestellt. Diese Spaltung macht etwas mit dem Seelenleben. Das zeigt Baldwin mehr als deutlich. Auch heute ist die Diskriminierung Schwarzer noch ein großes Thema in den USA, man möchte allerdings hoffen, dass sich die Zustände zumindest verbessert haben.
Rassismus prägt die betroffenen Menschen. Insbesondere Rufus und Ida fühlen sich von ihrem weißen Umfeld latent unverstanden. In ihren Paarbeziehungen wirkt sich das besonders extrem aus. Baldwin nimmt kein Blatt vor den Mund. Er schildert Sexualität hemmungslos und direkt. Das kann er in einfühlsamen Liebeshandlungen, aber auch in gewaltsamen, übergriffigen Sexualakten beeindruckend authentisch schildern. Je intensiver die Gefühle, desto mehr ist der Autor in seinem Element. Es wird sich nicht nur auf homo- und heterosexuelle Sexualität beschränkt, insofern kann man den Autor als klassischen Vorreiter der LGBT-Bewegung verstehen.
Die bildreiche Sprache fasst die Hoffnungslosigkeit und Zerrissenheit seiner Figuren in Worte. Die Dialoge sind mitunter krass und vulgär, die Sprache insgesamt aber stilistisch auf einem hohen Niveau. Baldwin ist selbst in den Outskirts aufgewachsen, er kennt das Milieu der Verlorenen und Suchenden, in dem Liebe und Vertrauen eine Seltenheit sind. Die Beschreibungen dieser Umgebungen, dieser „anderen Welt“, gelingt ihm einzigartig, setzt Kopfkino in Gang. Es werden unheimlich viele harte Drinks konsumiert, man isst wenig, raucht dafür umso mehr – nicht nur Tabak. Auch das scheint authentisch für diese Zeit zu sein.
Der Fokus liegt auf dem Seelenleben der benachteiligten Figuren und dem Unverständnis, das ihnen selbst seitens ihrer Freunde entgegenschlägt. Die Beziehungen sind von permanenter Spannung erfüllt. Eifersucht, Betrug, Wut, Zorn, Schmerz, Liebe und Hass– ein großes Potpourri an Gefühlslagen in großer Schwankungsbreite begleitet den Leser durch den Roman. Manches vollzieht sich wie im Rausch, vorgetragen mit immenser Pathetik.
Mir ist diese Welt wohl zu fremd. Ich konnte mich nur sehr eingeschränkt in die deprimierenden Befindlichkeiten dieser Menschen einfühlen, in der fast jeder mit jedem schläft und wenig Freude und Optimismus verbreitet wird. Es gibt keine Sympathieträger in diesem Roman. Für mich stellt er tatsächlich eine „andere Welt“ dar. Der Ausflug dorthin war nicht langweilig, stellenweise sogar sehr packend. Baldwin fordert seine Leser, wie er sie auch in all seinen anderen Romanen fordert. Trotzdem habe ich gerade zu diesem keinen rechten Zugang gefunden. Mir war es ein Zuviel der Nabelschau und Problemsuche, dabei ein Zuwenig an Aufbruch und Streben nach Veränderung. Man sehnt sich nach Liebe und Glück, kann es aber nicht annehmen, wenn es in Reichweite ist.
Nicht mein Buch. Dennoch gibt es drei Sterne. Die literarische Qualität ist ohne Weiteres in hohem Maß vorhanden. „Ein anderes Land“ ist eine zeitlose, aktuelle Auseinandersetzung mit Rassismus, die unbedingt gelesen gehört. Die Wahrheit tut eben weh, und dazu passen nicht immer Begeisterungsstürme.
Herausheben möchte ich die gelungene Übersetzung von Miriam Mandelkow sowie das Nachwort von René Aguigah, das Einordnung und Interpretationshilfe bietet.
3/5 Sterne Große Leserunde Whatchareadin Mitte Juni 2021
Die Handlung dieses Romans steigt direkt ein und zeigt uns eine kurze Sequenz aus dem Leben des Jazzmusiker Rufus Scott. Rufus ist schwarz und es scheint beim lesen so, als ob dies das einzige ist, was in seinem Kopf existiert. Er sieht überall Probleme, die mit seiner Hautfarbe zusammenhängen, auch dort wo auf den ersten Blick keine erkennbar sind. Sicher lässt sich nicht leugnen, dass er zur damaligen Zeit mit vielen Vorurteilen zu kämpfen hatte. Rassismus stand definitiv an der Tagesordnung, doch Rufus Kopf beherbergt leider nichts anderes mehr.
Rufus hat weiße Freunde, die alle hinter ihm stehen,allen voran Vivaldo, doch auch diese Tatsache, verschafft Rufus nicht den nötigen Abstand zu seinem Gedankenkarussel. Als er seine Freundin Leona verprügelt, muss Vivaldo handeln und schafft sie dort heraus. Kurze Zeit danach sehen die Freunde Rufus zum letzen Mal.......
Nach dieser Einführung ist gerade einmal ein Viertel des Romans gelesen, und ich fragte mich, was wohl noch alles erzählt werden kann?! Schließlich pries der Klappentext uns einen Roman über Rufus an. Und im Grunde ist er dies auch, denn alle weiteren Beteiligten, sein damaliger, intimer Freund Eric, das Ehepaar Cas und Richard, Vivaldo und Ida, Rufus Schwester, erleben im weiteren Verlauf einiges, was mit ihren eigenen Erlebnissen mit Rufus verknüpft ist. Oft ist es nur eine kleine Erinnerung an ihn zur richtigen Zeit, aber greifbar, spürbar ist er nach wie vor. Er ist und bleibt ein Teil ihres Lebens.
Anhand der weiteren Handlung erfährt man als Leser wie Vivaldo und Ida ihre Beziehung erleben. Welche Hürden es mit sich bringt, wenn der Mann weiß und die Frau schwarz ist.
Das Ehepaar durchläuft ebenso eine schwere Phase. Eric kehrt zurück, mit vielen Erinnerungen im Gepäck und stellt das Gefüge der kleinen Truppe auf eine Probe, die Veränderungen ankündigen. Mehr muss man gar nicht wissen, die genauen Zusammenhänge sollte jeder selbst erlesen.
Ich war immer auf der Suche nach versteckten Verbindungen zu Rufus, und habe sie auch gefunden. Das machte für mich den Reiz des Romans aus, denn durch sie wurden viele alltägliche Probleme aufgegriffen, die entstehen wenn Menschen lieben, gemeinsam Zeit verbringen. Traurig machte der Umstand, dass die Hautfarbe durchaus eine Rolle spielen kann, ob dies gut oder schlecht gelingt.
Eine Kleinigkeit möchte ich noch erwähnen, damit nicht der Eindruck aufkommt, hier geht es vorrangig nur um Rassismus, er ist unterschwellig sehr präsent, aber Baldwin befasst sich in diesem Roman ebenso mit dem Thema Homosexualität. Auch hierzu lässt er seine Charaktere viele Emotionen durchlaufen wie zum Beispiel Selbstzweifel. Liebe und Hass, aber auch die Kraft von Freundschaft sind ebenso Zutaten dieses Werkes
Baldwin selbst wuchs in Harlem auf, lebt teilweise im Ghetto, er weiß wovon er schreibt. Oft erschien es mir, als ob er Bruchstücke seines eignen Lebens verarbeitet hat. Diesen Eindruck hatte ich in den anderen Romanen genauso. Baldwin ist ein Autor, der kein Blatt vor den Mund nimmt, und ihm kann es niemand übel nehmen, da er diese Hölle selbst durchlaufen hat, dennoch gab es nur wenige, die so direkt und so schonungslos sind wie er, und die es überhaupt zu einer Veröffentlichung und Verbreitung in dem Umfang geschafft haben.
Sein Stil ist teilweise hart, aber er schlägt auch Sanfte Töne an. Viele schöne Zitate lassen sich finden, trotz der Melancholie die vorherrscht, lockern sie die Handlung dadurch enorm auf.
Baldwin ist für mich jemand, dessen Bücher auch heute noch aktuell sind, da vieles leider immer noch präsent ist in der Welt. Sicher hat sich einiges getan, aber Rassismus gibt es immer noch und die Genderfrage ist zur Zeit in aller Munde. Ob Baldwin damit wohl gerechnet hat, dass er ein Buch verfasst, dessen Grundthematik über mehrere Jahrzehnte im Kern erhalten bleibt?
Rufus, ein junger begabter Jazzmusiker aus Harlem, nimmt sich das Leben, weil er mit dem rassistischen Alltag nicht mehr klar kommt. Seine besten Freunde und seine Familie sind entsetzt, haben jedoch mit ihren eigenen Problemen schwer zu kämpfen. Rufus' bester Freund Vivaldo, ein erfolgloser Schriftsteller aus armen Verhältnissen, hat sich in dessen Schwester Ina verliebt, doch diese ist trotz ihrer Beziehung zu Vivaldo völlig von ihrem Hass auf Weiße erfüllt. Cass und Richard, ein gut situiertes Paar Ende Dreißig mit zwei Kindern, wirken wie das Ideal einer glücklichen Familie. Doch auch ihr Leben zeigt Risse, sie scheinen sich auseinanderzuleben. Und da ist Eric, ein früherer Geliebter Rufus', der mittlerweile zufrieden in Frankreich lebt und jetzt plant, gemeinsam mit seinem französischen Freund Yves nach New York zurückzukehren.
Baldwin zeigt eindringlich, wie der alltägliche Rassismus es den davon betroffenen Menschen fast unmöglich macht, sich selbst zu lieben geschweige denn einen anderen Menschen. Ihm gelingen beeindruckende Beschreibungen von Zärtlichkeit, der Sehnsucht nach Nähe, aber auch von Wut und Zorn. Wir, die solchen Rassismus zum Glück nie erleben mussten, erfahren von dem Schmerz und den Wunden, die dadurch verursacht werden und nicht so ohne weiteres zu heilen sind.
1962 wurde dieses Buch erstmals veröffentlicht, doch es könnte kaum einen besseren Zeitpunkt für die jetzige Neuerscheinung geben. Heute, wo Rassismus in aller Munde ist, aber vermutlich Viele gar nicht richtig wissen, was er für die Einzelnen bedeutet und welche Auswirkungen er hat, hilft dieses Buch beim Verstehen. Aber auch die Probleme von queeren Menschen hat Baldwin in diesem Buch bereits aufgegriffen, zu einer Zeit, als dieser Begriff noch lange nicht verwendet wurde.
Wer die gesellschaftlichen Probleme der USA (und auch die anderer Länder) besser verstehen möchte, sollte dieses Buch lesen.
Klappentext:
„Warum hat Rufus Scott – ein begnadeter schwarzer Jazzer aus Harlem – sich das Leben genommen? Wegen seiner Amour fou mit der weißen Leona, einer Liebe, die nicht sein durfte? Verzweifelt sucht Rufus’ Schwester Ida nach einer Erklärung. Aber sie findet nur Wahrheiten, die neue Wunden schlagen, – auch über sich selbst. Wie ihr Bruder war Ida lange bereit, sich selbst zu verleugnen, um ihren Traum zu verwirklichen, den Traum, Sängerin zu werden. Wie ihr Bruder hat sie ihre Wut auf die Weißen, die sie diskriminieren, immer zu unterdrücken versucht.“
Es war mein erstes Buch von James Baldwin aber definitiv nicht mein letztes. Seine sprachliche Zauberei der Worte ist grandios und fulminant zugleich. Er weiß exakt wo er wie und warum welches Wort benutzen sollte und wie der Leser genau darauf reagiert. Seine besondere Methode lässt nicht nur einen Lesefluss beginnen, sondern auch eine gewisse Anziehungskraft für heftige und derbe Situationen. Diese Geschichte ist so extrem vielseitig wie sein Tenor und man weiß eigentlich gar nicht wo man anfangen soll, etwas darüber zu besprechen. Dieses Buch ist ein reinstes Feuerwerk der Sprachkunst und verlangt dem Leser ein wenig Geduld und Geschick ab, hier nichts misszuverstehen, kurzum anspruchsvoll. Die Story um Rufus hat einen sehr ausgefeilten Plott und bewegt sich forsch und zügig voran wenn sie es sollte, wird aber auch ebenso ruhiger bei den entsprechenden Situationen. Ida wird zur zweiten Schlüsselfigur und wir erleben eine Suche nach Antworten, nach der Frage nach dem „Ich“, nach Selbstfindung, nach Liebe, Lust und Zärtlichkeit, so wie man sie eben braucht. Das Cover zeigt deutlich, das es hier um Weiße und Schwarze geht und es hätte besser nicht dargestellt werden können wie eben so. James Baldwin drückt schlussendlich immer wieder den Finger in die Wunde des Rassismus, denn dieser kommt leider unweigerlich auf und es bleibt ein Bild zurück, bei dem man sich fragt, obwohl wir Menschen so schlau und intellektuell sein wollen, uns gerade beim Thema Hautfarbe unser Hirn verlässt und ausschaltet. Egal welche Hautfarbe wir haben, welchen Dialekt oder Sprache wir sprechen, wir sind alle Menschen die auf ein und dem selben Planeten wohnen und das bitte in Frieden und Einkehr. James Baldwin hat hier wirklich ein Thema extrem gekonnt verpackt und ein sehr nachhallendes Buch verfasst - 4,5 von 5 Sterne!
In “Ein anderes Land” demaskiert James Baldwin den Mythos der USA, ein Land für alle zu sein, wie es in dem bekannten Song „This land is my land“ so melodisch besungen wird.
„My Land“ ist es wohl nur für eine bestimmte Gruppe – die Weißen. Denn für die Anderen - die Farbigen - , die auch so existentiell dazugehören, steht doch immer eine ganz andere Wirklichkeit vor ihren Augen.
Diesen Spannungsbogen der unterschiedlichen Wahrnehmungen und Befindlichkeiten spannt Baldwin in seinem Roman, der 1962 erschien und nun von dtv wieder neu herausgebracht wurde.
Die ständige Präsenz der unterschiedlichen Realitäten in Wahrnehmung und Lebensrealität beschreibt Baldwin darin ausgehend von dem Schicksal des schwarzen Jazzers Rufus, dessen Leben aus dem Takt gerät und der daran zerbricht und sich das Leben nimmt. Der Leser bekommt während des langen, weiteren Verlaufs des Romans dann allerdings nie direkt eine Antwort auf die Frage, was Rufus in den letzten Wochen seines kurzen Lebens so heruntergerissen hat. Eher indirekt und mittelbar versucht der Autor eine Antwort zu geben, indem er den Lesern die Beziehungsgeschichten einer Gruppe von Freunden des toten Rufus erzählt. Beziehungsgeschichten, in denen die Frage der Hautfarbe und des darauf basierenden bzw. daran krankenden Maßes an Respekt eine ständige Barriere und Hürde für ein Aufeinander-Einlassen und Miteinander-Lebens bildet. Und diese Hürde vermag niemand so recht zu überwinden. Schuld, Scham und Misstrauen spielen in diesen Beziehungen neben Liebe, Anziehung und Zuneigung deshalb eine immerwährende und nicht zu unterschätzende Rolle. Das wirkt manchmal etwas übermäßig angestrengt und verkompliziert, ist aber in der Gesamtschau dann doch glaubwürdig als prägendes Charakteristikum einer Gesellschaft, die nicht unbeeindruckt und ohne Zweifel in „my land“ leben kann.
Für mich als weiße Leserin ist dieses ständige Nagen angesichts der hautfarbenbedingt eigenen Wertigkeit und Würde nicht ganz nachvollziehbar. Gnade der weißen Geburt, würde ich das aber nennen. Umso wichtiger ist und war wahrscheinlich dieses Buch für die amerikanische Gesellschaft, das deshalb auch zum Klassiker geworden ist.
Eine tolle und wichtige, wenn auch nicht immer ganz einfache Lektüre, die 4 dicke Sterne verdient hat.
Das Gesellschaftsbild der New Yorker Künstlerszene in den Fünfzigerjahren, der Rassismus und die Diskriminierung, die es Menschen wie dem Schwarzen Jazz-Musiker Rufus und seiner jüngeren Schwester Ida beinahe unmöglich machen, ein Leben ohne Hass und Selbstzweifel zu führen. Rufus trägt mit seiner Geschichte nur das erste Kapitel des ersten Teiles "Book One" der Geschichte, doch etwas in ihm findet sich in allen anderen Hauptfiguren wieder, in Ida, in Rufus, seinem besten Freund, einem irisch-italienischen angehenden Schriftsteller, in Richard und Cass und in Eric. Sie alle waren auch Freunde von Rufus und sie alle sind Weiß und sie alle sind auf der Suche nach Antworten auf die Frage, wer sie sind und wer sie sein könnten.
Die Sprache kennt alle Facetten zwischen realistisch, deutlich, einfühlsam, gefühlvoll und berührend.
Ein zeitloser, eindrücklicher Klassiker mit nach wie vor brisanten Themen, der, gelesen im englischen Original, auch sprachlich überzeugt.
Dieses Buch ist beeindruckend und sehr eigen.
Der Erzählstil ist umwerfend. Hier malt jemand Bilder mit Worten, wobei oft die Dinge gar nicht konkret benannt werden. Gedankenfetzen und Assoziationen fließen ineinander und kreieren Atmosphäre, machen Musik fühlbar und Gefühle plastisch ohne schwülstige Umschreibungen. Dieser Text hat eine zweite Ebene, eine Art lautmalerische Poesie, die gerade im Hörbuch ganz wundervoll hervortritt. Christian Brückner hat ein Gespür dafür, poetische Texte ohne Pathos vorzutragen. Man hat das Gefühl: Ja, genau so muss man das lesen.
Die Story selbst fängt stark an, gerät aber schnell ins Stocken und tritt dann auf der Stelle. Wir sind in der Künstlerszene New Yorks, irgendwann in den 50er Jahren vermutlich, wo der schwarze Musiker Rufus arbeitslos durch Harlem streift und verzweifelt ist. Nach seinem Selbstmord ist man sehr betroffen. Er hatte viele Freunde und auch seine Schwester Ida versteht nicht, was ihn umtrieb.
Das ist der Aufhänger und der rote Faden, der uns durch Bars, Kneipen und literarische Zirkel führt. Schauspieler, Musiker, Schriftsteller, deren Mäzene und Bewunderer bilden eine Blase, in der man sich kennt und auch liebt und offen ist für vielerlei Beziehungen.
Wir durchleben intensiv mehrere Liebesgeschichten in unterschiedlichsten Konstellationen von Hautfarbe und Geschlecht, die alle an irgendeiner Stelle leidvoll sind und die zeigen, dass der schöne Schein trügerisch ist. Man bewundert sich auf Cocktailparties und hat ein Verhältnis mit der Frau seines besten Freundes.
„Allmählich denke ich, wachsen heißt nur, immer mehr über Schmerz zu lernen. Das Gift wird zur Nahrung, man trinkt jeden Tag ein bisschen. Hat man das einmal gesehen, sieht man es dauernd, das ist das Problem.“
Die Botschaft dieses Buches ist schwer greifbar. Es passiert wenig, wird aber viel durchdacht, durchlitten, diskutiert und philosophiert. Anhand des Covers hatte ich mit einem Buch gerechnet, in dem es vorrangig um Rassismus geht. Das ist auch ein Thema, aber nicht allein.
„Leiden hat keine Farbe, oder?“
Dieses Buch ist klug und poetisch und so tiefsinnig, dass man tief schürfen muss, um es hinlänglich zu verstehen. Immerhin kann man an jeder Stelle schürfen und findet etwas, die Frage ist nur, ob man das möchte.
Ich bin sehr beeindruckt von dieser wunderbaren Sprache, nehme einige Bonmots mit, habe mich aber dennoch ein wenig durch das Buch geschleppt, das viel Tiefgang und deutliche Längen hat.
Auf jeden Fall ist es ein Gewinn, dieses Buch als Hörbuch zu genießen. Christian Brückner trägt einen über so manche Länge hinweg und zeigt einem 17 Stunden, 55 Minuten, 56 Sekunden lang, was Poesie ist.
Wie es war
Leona liebt Rufus, doch liebt Rufus auch Leona. Manchmal wird ihre Beziehung einfach zu heftig und vielleicht wäre es besser, Leona würde gehen. Rufus arbeitet als Schlagzeuger und er ist sehr gefragt. Mit sich selbst ist er nie zufrieden und irgendwann sieht er keine andere Möglichkeit mehr als sich umzubringen. Seine Schwester Ida ist verzweifelt. Wie konnte er nur? Hatte es damit zu tun, dass Leona weiß war? Jedenfalls kann Ida den Weißen nicht viel abgewinnen. Sie sucht nach einer Erklärung. Jedoch, eine einfache Antwort findet sie nicht. Und die Zeit geht ins Land.
Dieser Roman ist erstmals im Jahr 1962 erschienen und wurde nun neu übersetzt und aufgelegt. Der Autor selbst schwarz und sowohl teilweise in Amerika und in Europa lebend berichtet sehr authentisch und mit persönlichem Anliegen. Aus tiefsten Herzen schreibt er, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Das Streben von Rufus` Freunden nach Glück hat machmal etwas Verzweifeltes und scheint nicht von Erfolg gekrönt zu sein. Sie arbeiten, feiern und haben Sex. Unterschwellig ist immer der Rassismus gegenüber den Schwarzen erkennbar. Man wünschte es sich anders und positiver, doch es spiegelt die Welt des Autors wider.
Großenteils hat der Roman noch immer einen aktuellen Bezug. Doch in einigen Bereichen hofft man doch, die Welt sei inzwischen weitergekommen. Einen Beweis gibt es natürlich nicht. Dennoch bleiben einem die Charaktere etwas fremd. Es fällt schwer, sich in diese andere Zeit und andere Welt hineinzuversetzen. Das Hörbuch wird gut vorgetragen von Christian Brückner und so fällt es leicht beim Spaziergang oder beim Einkaufen zuzuhören. Allerdings fragt man sich, ob man eine Printausgabe mit ihren über fünfhundert Seiten beendet hätte, da man doch nicht in die Handlung eintauchen konnte. Dennoch froh einen bisher unbekannten Autor kennengelernt zu haben, schließt man mit einem Seufzer.