Mit Blick aufs Meer: Roman
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Inhaltsangabe zu "Mit Blick aufs Meer: Roman"
Ausgezeichnet mit dem PulitzerpreisCrosby, eine kleine Stadt an der Küste von Maine. Hier ist nicht gerade sehr viel los. Doch sieht man einmal genauer hin, ist jeder Mensch eine Geschichte und Crosby die ganze Welt. Elizabeth Strout fügt diese Geschichten mit liebevoller Ironie und feinem Gespür für Zwischenmenschliches zu einem unvergesslichen Roman.
Sie kann manchmal eine rechte Nervensäge sein: Olive Kitteridge, die pensionierte Lehrerin. Weil sie zu allem, was in dem Städtchen Crosby geschieht, eine dezidierte Meinung hat, halten sie einige für überkritisch. Dann wieder überrascht sie durch Selbstlosigkeit und Mitgefühl. Sie mischt sich ein und macht sich ihre Gedanken über ihre Mitmenschen: die schrille Barpianistin, die insgeheim einer verlorenen Liebe nachtrauert, einen ehemaligen Schüler, der keinen Sinn mehr im Leben sieht, ihren eigenen Sohn, der sich von ihren Empfindlichkeiten bevormundet fühlt, ihren Mann Henry, der die Ehe mit ihr nicht nur als Segen, sondern manchmal auch als Fluch empfindet. Und während sich die Menschen in Crosby mit ihrem ganz normalen Leben herumschlagen, den Problemen wie den Freuden, lernt Olive auf ihre alten Tage, das Leben zu lieben.
Elizabeth Strouts Roman erzählt von Liebe und Kummer, von Toleranz und Aufbegehren. »Mit Blick aufs Meer« ist ein weises und anrührendes Buch über die Natur des Menschen in all seiner Verletzlichkeit und Stärke, erfrischend ehrlich und unglaublich schön.
Im Großen und Kleinen
In dem kleinen Küstenort Crosby/Maine lebt Olive Kittridge, namensgebend für den Originaltitel, gemeinsam mit ihrem Ehemann Henry. Wir sehen Bilder ihrer Ehe, lernen die komplizierte Mutter-Sohn Beziehung zu Christopher kennen. Wie kleine Schubladen öffnen sich Erzählungen über ein Sammelsurium an anderen Bewohnern, Freunden, Nachbarn.
Mit Blick aufs Meer ist eine Aneinanderreihung kleiner Geschichten alter Menschen, junger Menschen, Menschen, die miteinander alt werden, deren Leben sich kreuzen und wieder auseinanderlaufen, sich lieben, sich trennen. Mit all ihren Hoffnungen, Sehnsüchten, Ängsten und Träumen. Durch alle Geschichten hinweg ist Olive Kittridge das verbindende Element. Olive die dickliche alternde ehemalige Lehrerin. Olive, die so herrisch sein kann, kategorisch, etwas Gnadenloses hat sie an sich, und dann wiederum ist sie so verletzlich in ihrem Kummer, wenn sie an ihren verstorbenen Vater denkt oder um eine junge Frau weint, die sie kaum kennenlernen konnte. Das Leben zeigt sich in allen Facetten, leben sterben, lieben, verlieren, neu entdecken.
„Sie weiß, dass Einsamkeit der Tod sein kann…Nach Olives Überzeugung braucht man zum Leben, was sie bei sich „Auftrieb“ nennt. Auftrieb im Großen, das sind Dinge wie Heiraten oder Kinder, Beziehungen, die uns über Wasser halten, aber solch mächtiger Auftrieb birgt gefährliche Unterströmungen in sich. Deshalb braucht man dazu noch den Auftrieb im Kleinen: ein freundlicher Verkäufer bei Bradlees etwa oder die Kellnerin bei Dunkin’ Donuts, die weiß, wie man seinen Kaffee möchte. Keine leichte Sache also.“
Mit Olive zu leben war nie einfach, nicht für Henry, nicht für Christopher. Olive verhält sich nach außen hin oft unmöglich, trägt ihr Herz auf der Zunge, kann übergriffig bis gemein sein. Wenn es darauf ankommt, ist sie eine die zupackt, nicht wegsieht. Manchmal überkommt sie eine dunkle Schwärze, eine seltene Angst, ein Hunger nach dem Leben, Liebe Zuneigung.
„Vor seinem eigenen Hunger darf man nicht weglaufen. Wer vor seinem eigenen Hunger wegläuft, ist auch nur eine Schießbudenfigur wie all die anderen.“
Mit Blick aufs Meer ist ein sehr melancholisches Buch. Elizabeth Strout erzählt in ruhiger, klarer Sprache von Großen Dingen und unzähligen Kleinigkeiten des Lebens, völlig unaufgeregt und rührt trotzdem kleine feine Emotionen auf. Es ist ein leises Buch, manchmal unwirsch, dann wieder ganz behutsam und hinterlässt eine angenehme Erinnerung.