Das achte Leben (Für Brilka)
Inhaltsangabe zu "Das achte Leben (Für Brilka)"
Georgien, 1900: Mit der Geburt Stasias, Tochter eines angesehenen Schokoladenfabrikanten, beginnt dieses berauschende Epos über sechs Generationen. Stasia wächst in der wohlhabenden Oberschicht auf und heiratet jung den Weißgardisten Simon Jaschi, der am Vorabend der Oktoberrevolution nach Petrograd versetzt wird, weit weg von seiner Frau. Als Stalin an die Macht kommt, sucht Stasia mit ihren beiden Kindern Kitty und Kostja in Tbilissi Schutz bei ihrer Schwester Christine, die bekannt ist für ihre atemberaubende Schönheit. Doch als der Geheimdienstler Lawrenti Beria auf sie aufmerksam wird, hat das fatale Folgen ...Deutschland, 2006: Nach dem Fall der Mauer und der Auflösung der UdSSR herrscht in Georgien Bürgerkrieg. Niza, Stasias hochintelligente Urenkelin, hat mit ihrer Familie gebrochen und ist nach Berlin ausgewandert. Als ihre zwölfjährige Nichte Brilka nach einer Reise in den Westen nicht mehr nach Tbilissi zurückkehren möchte, spürt Niza sie auf.
Ihr wird sie die ganze Geschichte erzählen: von Stasia, die still den Zeiten trotzt, von Christine, die für ihre Schönheit einen hohen Preis zahlt, von Kitty, der alles genommen wird und die doch in London eine Stimme findet, von Kostja, der den Verlockungen der Macht verfällt und die Geschicke seiner Familie lenkt, von Kostjas rebellischer Tochter Elene und deren Töchtern Daria und Niza und von der Heißen Schokolade nach der Geheimrezeptur des Schokoladenfabrikanten, die für sechs Generationen Rettung und Unglück zugleich bereithält.
"Das achte Leben (Für Brilka)" ist ein epochales Werk der auf Deutsch schreibenden, aus Georgien stammenden Autorin Nino Haratischwili. Ein Epos mit klassischer Wucht und großer Welthaltigkeit, ein mitreißender Familienroman, der mit hoher Emotionalität über die Spanne des 20. Jahrhunderts bildhaft und eindringlich, dabei zärtlich und fantasievoll acht außergewöhnliche Schicksale in die georgisch-russischen Kriegs- und Revolutionswirren einbindet.
Georgien... danach weißt du, wo es ist!
Mit gerade mal 31 Jahren wagte es die Autorin dem geneigten Leser eine 1280-seitige und gut 100 Jahre umfassende Geschichte aus Georgien vorzulegen. Eine logistsiche Herausforderung in Raum und Zeit. Aber ach, nicht so zögerlich, schnell noch gegockelt, wo Georgien überhaupt liegt und dann frisch ans Werk. Am besten noch mit einer heißen Schokolade, nicht nur der Jahreszeit sondern auch dem Geschehen im Buch geschuldet!
Denn die Familiengeschichte wird von einem Schokoladenfabrikanten begründet, was mich daran erinnert, dass man sich den Schutzumschlag aufgeklappt neben das Buch legen sollte. Der darauf abgebildete Stammbaum der Familie mit den fettgedruckten Hauptpersonen, deren Namen die acht Titel der Bücher/Leben sind, hilft bei der Einordnung der Verwandschaftverhältnisse.
Der Ur-Urgroßvater lebte noch in einem warmen, sonnigen Land am Schwarzen Meer, mit aufstrebenden Zielen und Plänen für ganz Europa, während schon die dunklen Wolken der russischen Vorherrschaft am Horizont zu erkennen waren und Georgien schließlich für 70 Jahre in die Sowjetische Union einverleibt wurde.
Die Familie Jaschi gerät in diesen Strudel der politischen Machtkämpfe, opfert ihre Männer, mal auf der einen, aber auch auf der anderen Seite. Die Hauptgeschichte aber ist den Frauen dieser Familie gewidmet, starken, unabhängigen Frauen, die aufbegehren, aber auch sanften, nachgiebigen Frauen, die zusammenhalten, Trost spenden, ihren Männern treu ergeben sind. Alle versuchen in diesem Patriarchat ihr Fleckchen Glück, oder einfach nur Ruhe zu finden, sind aber fortwährend der Gewalt und dem Willen ihrer Väter, Brüder und Ehemännern ausgeliefert. Freiheit und Selbstbestimmung bedeuten dann auch gleich Verbannung und Ächtung.
Kämpfe, Demonstrationen, Enteignungen, Flucht, all das macht dieses doch recht umfangreiche Buch zu einem wahrhaft spannenden Schmöker und man ist den Figuren ergeben, möchte wissen, wie es mit ihnen weitergeht, ob sie sich finden und vor allem, warum Brilka diese Geschichte erzählt wird. Sie ist die jüngste in der Kette der Frauen, die ihre Freiheit, ihre Ideen zu verwirklichen suchen und mit einer Tasse heißer Schokolade aus dem geheimen Familienrezept den Trost suchen, aber auch das Schicksal herausfordern.
Ein Familienepos (eigentlich nicht mein Ding), mit ein paar wenigen, verzeihlichen Längen zum Schluss, welches mich aber doch durch den Schauplatz (Georgien war ja fast das ganze 20.Jahrhundert von der Landkarte verschwunden), der politischen Komponente, den faszinierenden Frauenfiguren und der spannenden Handlungen überzeugt hat. Ein klitzkleiner Wehmutstropfen bringt der Eindruck, dass mich die Autorin ein- zweimal auf ihr Unverständniss der fehlenden Kampfbereitschaft und scheinbaren Gleichgültigkeit der Westeuropäer gegenüber der Politik hinwies. Nun, jeder hat einen anderen Background, aber dafür lesen wir ja, dann verstehen wir auch besser und dafür hat die Nino dann doch gut gesorgt. Chapeau!