Nach Feierabend: Roman

5 von 5 (1 Bewertungen)
Inhaltsangabe zu "Nach Feierabend: Roman"
Margot Stablo arbeitet im Garten. Sie jätet Unkraut. Warum gibt es dieses verdammte Unkraut?, fragt sie sich – und Gott, den einzigen Gesprächspartner, der ihr nach Feierabend geblieben ist. Ida Scheurer und Marie Schlegl tauschen Ausstiegsfantasien aus, heute ist es eine Schweinezucht, bei der man das Aufwachsen der Tiere per Webcam verfolgen kann. Und Frank Staub erzählt eine Anekdote über einen Aquarienfisch, damit er den Moment noch ein wenig hinauszögern kann, in dem er das Zimmer seines sterbenden Sohnes betreten muss.›Nach Feierabend‹ begleitet die unterschiedlichsten Menschen auf dem Weg aus ihrem Büro in ihr jeweiliges Leben. Sie alle arbeiten in derselben Firma, haben aber keine Ahnung, wer die Kollegen wirklich sind. Ein Roman über Geheimnisse und Abgründe, über den Unterschied zwischen Arbeits-Ich und Nach-Arbeits-Ich und über die existenziellen Fragen, die sich in dem kleinen Raum dazwischen immer wieder auftun.
Wer bin ich nach Feierabend?
Der Roman folgt den alltäglichen Gedanken und Erlebnissen diverser Menschen, die alle in der gleichen Firma arbeiten, sich gegenseitig jedoch kaum kennen. Obwohl sie tagsüber Luft und Raum teilen, lebt jeder in seiner eigenen Filterblase, ohne sich dessen bewusst zu sein. Es gibt Spannungen, Sehnsüchte, Konflikte, aber das meiste bleibt hinter der professionellen Fassade verborgen. Abends geht man heim und wechselt die Identitäten:
Ich auf der Arbeit. Ich nach der Arbeit.
Für mich ist dieser Roman gerade deshalb so großartig, weil er so unspektakulär daherkommt, dass man sich denkt: Ja, so ist es nun mal, das Leben. So ist das, wenn Menschen in den Feierabend gehen und mit dem eigenen Alltag kollidieren.
Das liest sich unterhaltsam und entspannt, alles ganz easy. Das richtige Buch für den Feierabend (was sonst): Füße hochlegen, Bierchen trinken, eintauchen in die Lebenswirklichkeit von Gestalten, die man kennt, weil es sie überall gibt. Kommt halt vor, dass man Mordfantasien hat, die man nie auslebt. Kann passieren, dass einen schnöde Dinge wie das richtige Waschpulver über alle Maßen in Anspruch nehmen.
Ist wahrscheinlich ganz normal, dass man ab und zu an der Grenze zur Eskalation entlangschrappt. Herrlich.
In der einen oder anderen Szene dachte ich mir: Das hat er jetzt doch nicht wirklich gedacht. Das wird sie ja wohl nicht tatsächlich tun? Aber man kann es so gut nachvollziehen – den Wunsch, mal so richtig auszuflippen. Der dummen Schnepfe, die einem den Stinkefinger gezeigt hat, den schicken Wagen mit dem Hockeyschläger zu zertrümmern.
Da brechen sich Frustrationen Bahn, die aus einer gewissen existentiellen Angst entstehen. Die Charaktere stehen ohnmächtig vor ihrer eigenen vermeintlichen Bedeutungslosigkeit, ohne ihre Aggressionen als Übersprungshandlung zu begreifen.
Interessant ist, wie sich die Geschichten überlappen.
Das Buch springt in vielen kleinen Kurzgeschichten von Person zu Person, wechselt ständig die Perspektive. Da sich aber alles im Umfeld dieser einen Firma abspielt, wandern manche Charaktere durch verschiedene Handlungsstränge, was der Geschichte einen losen Rahmen gibt.
Die Interessen, Wünsche und Ängste werden immer skurriler, ohne ins Unglaubwürdige abzudriften, und genau diese Gratwanderung ist der Clou des Ganzen. Aber man spürt: lange kann das nicht mehr gutgehen. Zu hauchdünn ist die Membran zwischen Leben und Erdulden.
Fazit
Bin ich auf der Arbeit ein anderer Mensch als nach Feierabend? In einer Anzahl von Kurzgeschichten folgt der Roman verschiedenen Charakteren vom Arbeitsleben in die Privatsphäre, und da tut sich ganz unspektakulär so mancher Abgrund auf.
Eine übergreifende Handlung gibt es nur in Grundzügen, aber das Buch liest sich großartig – amüsant, clever geschrieben, überraschend und durchaus mit Tiefgang.