Terrorist

Buchseite und Rezensionen zu 'Terrorist' von John Updike
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3 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Terrorist"

Ahmed ist nicht von dieser Welt -- und will so schnell wie möglich ins Paradies. Der 18-jährige Junge, der mit seiner irischen Mutter in New Prospect im US-Bundesstaat New Jersey aufwächst, will sich trotz seiner Schwäche für ein Mädchen aus dem christlichen Kirchenchor ganz und gar Allah verschreiben. Sein arabischer Vater hat die Familie in jenem Moment verlassen, als die Erinnerung an ihn hätte einsetzen können: Jetzt füllt der Koranlehrer Imam Scheich Rashid die Lücke aus. Er pflanzt in dem hoch intelligenten Jungen den Wunsch, statt eines Studiums lieber den Lkw-Führerschein zu machen, und vermittelt ihm eine Anstellung in einem zwielichtigen Möbelhaus, in dem die Sitzgarnituren manchmal Unmengen an Dollarscheinen enthalten, sofern die Adressaten „echte Gläubige Allahs“ sind. Nur Jack Levy, ein längst von seinem Gott verlassener jüdischer Schülerberater mit einer Schwäche für Ahmeds Mutter, glaubt noch an die weltliche Zukunft des Jungen. Der aber ist schon als Selbstmordattentäter mit einem Sprengstofflaster auf dem Weg in einen vielbefahrenen Tunnel, um möglichst viele der ungläubigen Teufel mit in den Tod zu reißen ....

“Es gibt genug Menschen, die vor der arabischen Bedrohung warnen”, sagte der Altmeister der US-Literatur John Updike im Umfeld seines Romans Terrorist. „Da mag man es mir zugestehen, den jungen Mann so sympathisch darzustellen, wie es mir möglich ist. Er ist mein Held. Ich habe versucht, ihn zu verstehen und seine Welt zu beschreiben.“ Dieser Versuch ist Updike uneingeschränkt gelungen -- so gut, dass man fast gewillt ist, seine Motive zu verstehen. Denn die amerikanische Gesellschaft, die Updike aus der Perspektive seines Protagonisten beschreibt, ist derart sinnleer, korrupt und sexualisiert, dass man ihr bei der Lektüre selbst eher Abscheu entgegen bringt.

Durch zwei Figuren aber ist es Updike gelungen, eine Art Gegengewicht zur konservativen Kulturkritik seines Romans zu schaffen: Da ist zum einen Joryleen Grant, das Mädchen aus dem Kirchenchor, das von ihrem primitiven Freund zur Prostitution überredet wird und für die Ahmed den Imam um jenen Beistand bittet, der als Hinterbliebener eigentlich seiner Mutter zustehen würde. Und da ist zum anderen Ahmed selbst, der am Ende aufgrund der Manipulationen islamischer Fundamentalisten und eingeschleuster CIA-Spitzel im Terroristenumfeld gleich doppelt einsam ist. Auch wenn Updike gegen Ende seine politische Parabel vom Krieg der Welten im dramatischen Showdown in einer unbefriedigenden privaten Lösung ausklingen lässt, ist Terrorist ein erschreckend eindringlicher, aufwühlender Roman über das, was vielleicht gerade in diesem Moment wieder irgendwo in einer westlichen Großstadt passiert. Große Literatur. --Thomas Köster

Aus der Amazon.de-Redaktion
Was treibt einen 18-Jährigen an, einen LKW in einem Straßentunnel in die Luft jagen zu wollen? 25 Plastiktonnen stehen in seinem Rücken, gefüllt mit einem Gemisch aus Dünger und Treibstoff. Das Umlegen eines Schalters genügt, um das Inferno auszulösen ....

Ahmed ist der Fahrer des Lasters. Er ist 1,80 Meter groß, redegewandt und klug, höflich, gepflegt in immer schwarzen Jeans und immer blendend weißen Hemden. Er ist das "Produkt einer rothaarigen amerikanischen Mutter irischer Abstimmung und eines ägyptischen Austauschstudenten". Er verbringt die letzten Tage vor seiner Tour mit dem Laster an einer High-School seiner Heimatstadt New Prospect im US-Staat New Jersey. Ahmed ist ein aufmerksamer Schüler mit guten Aussichten, nach seinem Abschluss einen qualifizierten Beruf auszuüben.

Updike baut die Spannung auf, hält sie weitgehend, und erzählt Ahmeds Geschichte mit der ihm eigenen stilistischen Eleganz. Lustvoll widmet er sich hierbei, wie fast immer in seinen Geschichten, den Details (nicht zuletzt in Liebesdingen).

Aber warum lässt sich ein scheinbar ganz normaler Amerikaner für einen solchen Anschlag gewinnen? Der Vater hat die Familie vor langer Zeit verlassen. Zwar hat Ahmed Mutter und Freunde, sein wahrer Lehrer aber ist Scheich Rashid, Iman einer Moschee. Das Amerika von heute, so der Prediger, sei vulgärer Kapitalismus, Schmutz, Sex und Korruption. Der Islam dagegen verkörpere Reinheit und Lauterkeit. Allah bringe Sonne in diese Finsternis. "Er ist das Licht, neben dem die Sonne schwarz wirkt." Nicht eine höhere Schule solle Ahmed besuchen, sondern eine Ausbildung zum LKW-Fahrer machen. Ahmed folgt dem Iman.

Updike präsentiert viele Gründe, die Ahmeds Weg in den Tunnel erklären könnten. Dennoch bleibt der Leser mit dem merkwürdigen Gefühl zurück, dass diese Figur irgendwie nicht ganz schlüssig ist. Manche seiner Sätze wirken künstlich, und man ist geneigt, dies nicht nur einer Verwirrung des Protagonisten, sondern dem Autor anzulasten. Es hat fast den Anschein, als käme Updike diesem neuen Typus des "Aussteigers" nicht nahe genug, um ihn wirklich von innen heraus beschreiben zu können. Und so passt dann auch der Schluss ins Bild, der ein wenig an einen Kolportageroman erinnert.

Letztlich muss jeder Leser die Frage für sich beantworten: Ist Ahmed einfach ein schwer greifbarer Charakter? Oder ist es Updike nicht gelungen, seinen Charakter zu erfassen? Doch selbst, wer Letzteres annimmt und sich darüber ärgert, kann sicher sein, dass er sich literarisch auf höchstem Niveau ärgert. --Hans Jürgensen, Literaturtest

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:400
Verlag: Rowohlt
EAN:9783498068851

Rezensionen zu "Terrorist"

  1. 3
    16. Aug 2014 

    Terror und Fundamentalismus...

    Ahmed ist achtzehn Jahre alt, gemeinsam mit seiner irischen Mutter lebt er irgendwo in New Jersey. Sein Vater, ein Araber, hat die Familie früh verlassen. Aber die Trennung der Eltern liegt lange zurück, und in New Prospect gibt es viele kaputte Familien. Ahmed ist ein ausgezeichneter Schüler, redegewandt und klug, ein junger Mann, der im amerikanischen System Karriere machen könnte. Doch er hat sich schon anders entschieden:
    Konsequent kapselt er sich von seiner Umewelt ab und hat im islamischen Fundamentalismus ein neues Zuhause gefunden. Er ist bereit, für seinen Glauben sein eigenes Leben zu opfern - und das Leben anderer.

    Eine Innenansicht von Terror und Fundamentalismus präsentiert John Updike hier, in dem Versuch, den simplen Schuldzuweisungen den Boden zu entziehen.

    "Es gibt genug Menschen, die vor der arabischen Bedrohung warnen. Da mag man es mir zugestehen, den jungen Mann so sympathisch darzustellen, wie es mir möglich ist. Er ist mein Held. Ich habe versucht, ihn zu verstehen und seine Welt zu beschreiben."

    So schreibt Updike es im Klappentext. Leider muss ich gestehen, dass mir Ahmed nie wirklich nahe kam. Ich konnte das gesamte Buch über kaum einmal so etwas wie Sympathie für den jungen Muslimen aufbringen. Zu distanziert wird er geschildert, zu abgehoben von der Welt. Die Charaktere insgesamt sind zwar detailliert und facettenreich dargestellt, doch blieben sie den gesamten Roman über für mich wenig greifbar.

    Selbst die angedeuteten Gründe, weshalb Ahmed so fanatisch in seinem Glauben aufgeht, wirken wie ein Stück Stammtisch-Psychologie und waren für mich wenig überzeugend. Es werden viele religiöse Hintergründe aufgeführt, doch entsteht letztlich der Eindruck, dass sie über die gängigen religiösen Klischees z.B. bezüglich des Islam nur unwesentlich hinausgehen. So habe ich zwar verfolgt, wie aus Ahmed ein religiöser Fanatiker wurde, konnte es aber trotzdem nicht wirklich nachvollziehen. Schade.

    Gut gefallen hat mir dagegen die Kritik am amerikanischen (westlichen) Leben der heutigen Zeit. Gut pointiert hat Updike die Oberflächlichkeit dargestellt, das unreflektierte Konsumverhalten, die Rolle von Wirtschaft und Medien im Hinblick auf die Kreation unkritischer Konsumenten - und die Haltlosigkeit der Jugend, ihre verzweifelte Suche nach Werten und Lebenssinn.

    Der Schreibstil Updikes hat mich nach anfänglichen Schwierigkeiten doch überzeugt. Auch wenn es mir zeitweise zu ausschweifend, zu langatmig war und ich Sätze durchaus auch zwei oder drei Mal lesen musste, um ihren Sinn wirklich komplett zu erfassen, haben mich manche Schliderungen auch einfach nur bezaubert.

    Und es wird nicht mein letztes Buch von Updike sein, da bin ich mir sicher...

    © Parden