Tage in Burma: Roman
„ Tage in Burma“, 1934 erschienen, ist George Orwells Debutroman ( zwei vorangegangene Bücher hat er vernichtet, nachdem sie abgelehnt wurden). Er verarbeitet darin eigene Erfahrungen.
Orwell, in Indien geboren, in England erzogen, war ein Kind des Empire. Mit 19 Jahren trat er seinen Dienst als Kolonialbeamter an ; er war von 1921 - 1927 Polizeioffizier in Burma ( dem heutigen Myamar ). Diese Zeit ließ ihn zu einem erbitterten Gegner des Imperialismus werden.
Der Roman spielt in dem fiktiven Distrikt Kyauktada im nördlichen Burma in den 1920er Jahren. Protagonist ist der 35jährige englische Teakholzhändler John Flory. Er leidet unter dem tropischen Klima, aber mehr noch unter seiner Einsamkeit. Fremd fühlt er sich im Europäischen Klub, das Gerede und die ständigen Besäufnisse widern ihn an; trotzdem verkehrt er regelmäßig dort. Doch auch eine Rückkehr nach England ist keine Lösung, zu lange lebt er schon hier. Anders als seine Landsleute interessiert sich Flory für die burmesische Kultur und die Lebensweise der Einheimischen.
Einen Seelenverwandten findet er in dem indischen Arzt Dr. Veraswasmi, der ein glühender , aber auch naiver Anhänger der britischen Kultur ist. Mit ihm trifft er sich zu regelmäßigen Gesprächen.
Als Elizabeth, die Nichte eines anderen Holzhändlers in die Stadt kommt, meint Flory die Frau getroffen zu haben, die ihn aus seiner Einsamkeit befreien wird. Die beiden verbringen einige Zeit miteinander und als Flory ihr endlich einen Heiratsantrag machen will, kommt ihm ein Erdbeben dazwischen. Außerdem hat Eizabeths Tante einen weitaus besseren Anwärter für ihre Nichte im Auge.
Die unglückliche Liebesgeschichte zwischen Flory und Elizabeth ist der eine Erzählstrang, der für Spannung sorgt, ein anderer die Intrige, die der burmesische Distriktrichter U Po Kyin spinnt. Der verfolgt skrupellos sein Ziel, anerkanntes Mitglied im Europäischen Klub zu werden. Das führt letztendlich auch zu Florys Untergang.
Orwell wirft in diesem Roman einen schonungslosen Blick auf die koloniale Gesellschaft. Kaum eine Figur ist wirklich sympathisch. Die Engländer, die sich den Burmesen weit überlegen fühlen, sind ein Haufen ignoranter Dummschwätzer und unfähiger Säufer. Für die einheimische Bevölkerung haben sie nur Hohn und Verachtung übrig und sie regieren über sie mit äußerster Härte.
Flory ist zwar kein solcher Rassist wie seine Landsleute, doch auch er ist ein Kind seiner Zeit. Seine burmesische Geliebte behandelt er respektlos und voller Geringschätzung. Und als ihn sein indischer Freund um Unterstützung bittet, macht er zunächst feige einen Rückzieher.
Doch Flory ist hellsichtig genug, um das wahre Wesen der Kolonialisierung zu begreifen. Es geht nicht darum, „ unseren armen schwarzen Brüder die Segnungen der Kultur zu bringen“, sondern darum, das Land auszuplündern und deren Kultur zu zerstören. Diese Scheinheiligkeit, die dahinter steht, korrumpiert beide Seiten. Orwell zeigt, wie sowohl auf englischer wie auch auf burmesischer Seite, Anstand, Menschlichkeit und Moral zugrunde gehen.
Mit U Po Kyin hat der Autor ein Paradebeispiel von einem Schurken geschaffen- korrupt, erbarmungslos, intrigant.
Auch die Frauenfiguren im Buch sind wenig sympathisch. Elizabeth ist keineswegs die passende Kameradin für Flory - der Leser weiß es früher als dieser - sondern eine dumme, oberflächliche Frau, die dringend einen vorzeigbaren Ehemann braucht. Alles Burmesische ist für sie abstoßend und befremdlich.
Trotz der scharfen Sozialkritik liest sich der Roman unterhaltsam und süffig. Gespannt verfolgt man den Fortgang der Handlung. Die vielen Dialoge entlarven die Redner und machen die Geschichte äußerst lebendig. Auch an Humor fehlt es nicht.
Dazu lässt Orwell die Schönheit des Landes, die überreiche Fülle der Natur in atmosphärisch dichten Bildern entstehen.
„ Tage in Burma“ ist ein großartiges Zeitdokument, eine Abrechnung mit dem Kolonialismus und gerade deshalb immer noch sehr lesenswert.
Der Dörlemann- Verlag hat diesen faszinierenden Roman nun in einer gelungenen Neu- Übersetzung von Manfred Allie und in einer wunderschön aufgemachten Ausgabe herausgebracht. Lobenswert ist ebenfalls das im Anhang beigefügte Glossar der wichtigsten burmesischen oder anglo- indischen Begriffe und das äußerst aufschlussreiche Nachwort von Manfred Papst.
der erste Roman von George Orwell
George Orwell, der britische Autor, der die legendären und zeitlosen Klassiker "Farm der Tiere" und "1984" geschrieben hat, braucht sich auch für seine früheren Werke nicht zu verstecken. Ganz im Gegenteil! "Tage in Burma", sein erster Roman überhaupt, ist ein farbenprächtiger, unterhaltsamer, aber auch kritischer Roman, der sich mit dem Thema "Kolonialismus" beschäftigt.
Schauplatz ist - wie der Titel des Romans schon sagt - Burma (heute: Myanmar) in den 20er Jahren, - also einer Zeit, in der das britische Empire sein koloniales Unwesen trieb.
In einer fiktiven Kleinstadt in Oberburma hat sich eine Handvoll britischer Kolonialisten niedergelassen und lässt es sich gutgehen. Alles, was ihnen ihr gesellschaftlicher Status oder ihre Abstammung in der Heimat Großbritannien nicht ermöglichen würde, gönnt man sich hier en masse. Ein schnuckeliges Zuhause, eine Dienerschaft, die einen von vorne bis hinten bedient und die sich prima schikanieren lässt. Man gibt sich den Anschein von Vornehmheit und Wohlstand.
Das Herzstück des gesellschaftlichen Lebens dieses Ortes ist der europäische Club, der natürlich nur Mitgliedern vorbehalten ist, ausnahmslos Engländern. Hier treffen sich die Herrschaften jeden Tag und versuchen ein kultiviertes Leben in einem Land voller Wilder aufrechtzuerhalten. Inmitten dieser versnobten Schar lebt unser Protagonist Flory, ein 35-jähriger Junggeselle. Er scheint anders zu sein als seine Landsleute. Denn sein bester Freund ist ein Inder.
"Dieses Land, das ihm so verhasst war, war jetzt sein Heimatland, sein Zuhause. Zehn Jahre lebte er nun hier, und jede Faser seines Körpers bestand aus burmesischem Boden. Szenen wie diese - das fahle Abendlicht, der alte Inder, der das Gras schnitt, das Knarren der Karrenräder, die Reiher am Himmel - all das war ihm vertrauter als alles, was es in England gab. In einem fremden Land hatte er tiefe Wurzeln geschlagen, vielleicht die tiefsten seines Lebens."
Flory interessiert sich für die Burmesen und ihre Kultur. Er hat ein Auge für die Schönheit der Natur. Dennoch kann Flory das koloniale Denken und das Überlegenheitsgefühl gegenüber der einheimischen Bevölkerung nicht ablegen. Einmal Engländer, immer Engländer. Er weiß, wo sein Platz ist. Leider bekleidet er diesen Platz schon viel zu lang allein. Ihm fehlt eine Frau an seiner Seite, eine Seelengefährtin, die seinen romantischen Blick auf Burma und dessen Natur teilt. Eine mögliche Kandidatin zeigt sich in Elizabeth, Nichte und Mündel eines Ehepaares, das ebenfalls zur Gemeinde der Kolonialisten gehört. Elizabeth ist frisch aus Europa angereist, um bei Onkel und Tante zu leben, die ihre einzigen Verwandten sind. Und inmitten der Romantik eines kolonialen Lebens in Burma könnte sich eine Liebesgeschichte anbahnen.
"' ... Wenn ein Mädchen sonst keinen abgekriegt hat, versucht sie es in Indien, wo jeder Mann sich allein schon nach dem Anblick einer weißen Frau verzehrt. Der indische Heiratsmarkt, so nennen sie das. Fleischmarkt wäre treffender. ..'"
Vor Kurzem habe ich mal wieder den Roman "1984" gelesen, welchen Orwell etwa 16 Jahre nach "Tage in Burma" geschrieben hat. Es ist bemerkenswert, welche Entwicklung sein Sprachstil über die Jahre genommen hat. "1984" kommt düster und dystopisch daher. Der Sprachstil wirkt sehr nüchtern und punktgenau. Wie farbenfroh und schwelgerisch erscheint da sein erster Roman "Tage in Burma" aus dem Jahre 1934. Orwell kreiiert darin eine Atmosphäre, die den Leser in ein Hollywood-Szenario versetzt, bezogen auf die Beschreibung der Landschaft und der Natur des burmesischen Urwalds: wenn schon Dschungel, dann mit einer Flora, die an Farbenpracht und Exotik nicht zu überbieten ist, genausowenig wie die Fauna: wilde Tiere überall, aber weniger gefährlich als hübsch anzusehen - mal abgesehen von dem einen Tiger in "Tage in Burma", der eigentlich eher dazu diente, unseren Protagonisten Flory heldenhaft ins rechte Licht zu rücken.
"Es war Vollmond. Strahlend wie ein weißglühendes Medaillon, so hell, dass es in den Augen wehtat, stieg der Mond rasch höher am rauchblauen Himmel, über den ein paar gelbliche Wolkenschleier zogen. ... In der feuchtwarmen Luft verströmten die Frangipaniblüten ihr Aroma wie ein pentetrantes Parfüm aus dem Münzautomaten."
Orwell hat in den Jahren 1921 bis 1927 als Beamter der britischen Kolonialpolizei in Burma gelebt, Landschaft und Umgebung schienen bleibenden Eindruck auf ihn gemacht zu haben. Bleibenden Eindruck im negativen Sinne hat jedoch der Kolonialismus bei ihm hinterlassen. Denn "Tage in Burma" ist Orwells Kritik an dem Auftreten der Angehörigen der Kolonialmacht in einem Land, in dem sie eigentlich nur Gast waren. Diese Kritik äußert Orwell sehr plakativ, in dem er die britischen Charaktere in diesem Buch auf herzerfrischend lachhafte Weise skizziert. Hier kommt keiner gut weg, auch nicht der Protagonist Flory selbst. Auf der Suche nach seinem persönlichen Glück wird sich unser Held als tragische Figur erweisen. Denn schließlich gilt er durch seine Sympathien für Burma als Nestbeschmutzer unter seinesgleichen, was diese ihn spüren lassen.
Mein Fazit:
Ein herzerfrischender und unterhaltsamer Roman, der die Kritik am Kolonialismus auf sehr humorvolle Weise und in einer lebhaften und bunten Sprache vermittelt. Nicht nur die Geschichte ist ein Hochgenuss, sondern auch die edle Gestaltung des Buches: ein bordeauxfarbener Leineneinband mit einer Goldprägung, die diesen Roman (und die Augen des Lesers) zum Leuchten bringt.
Leseempfehlung!
© Renie