Exil unter Palmen

Buchseite und Rezensionen zu 'Exil unter Palmen' von Magali Nieradka-Steiner
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Inhaltsangabe zu "Exil unter Palmen"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:272
Verlag: wbg Theiss
EAN:9783806236569

Rezensionen zu "Exil unter Palmen"

  1. Welch ein Verlust für die deutsche Kultur

    Als Student habe ich mal eine Hausarbeit zum Thema Exil in Frankreich verfasst, insofern waren mir die von Magali Nieradka-Steiner in "Exil unter Palmen" beschriebenen Ereignisse im großen und Ganzen bekannt. Nicht (mehr) so auf dem Schirm hatte ich die Bedeutung des kleinen Ortes Sanary-sur Mer an der Mittelmeerküste. Die im Buch auf Seite 14 abgedruckte Gedenktafel des Ortes weist 68 Namen bedeutender Kulturschaffender aus verschiedenen Bereichen aus, allen voran die Namen Thomas Mann, Lion Feuchtwanger, Franz Werfel und der des von mir geschätzten, leider etwas in Vergessenheit geratenen Rene Schickele. Einige hielten sich nur kurz hier auf, andere, wie Feuchtwanger, verbrachten die meiste Zeit ihres europäischen Exils hier. Sanary war bereits zuvor von französischen und britischen Künstlern entdeckt worden, die die Wärme, das Meer und das Licht dort schätzten. So wurde nach dem erzwungenen Massenexodus deutscher Kulturschaffender nach 1933 der kleine verschlafene Ort zur inoffiziellen Hauptstadt der deutschen Kultur, zumal man dort als Exilant, der im Normalfall knapp bei Kasse war, relativ preisgünstig wohnen und leben konnte, insbesondere im Vergleich zur Metropole Paris. Zahlreiche Werke von Weltbedeutung entstanden so im Umfeld des Fischerdorfes. Doch die Idylle wurde zur Falle, als der Zweite Weltkrieg von den Nationalsozialisten ausgelöst wurde. Plötzlich waren die aus Deutschland stammenden Künstler nicht mehr belächelte Exoten, sondern potentielle Feind und Spione. Sie wurden in lagern wie Les Milles oder Gurs zusammengefasst, manche gar an die Nazis ausgeliefert und von diesen in den Vernichtungslagen getötet. Anderen gelang die Flucht mit Hilfe der Emergency Rescue Committees (nachzulesen in Varian Fry, Auslieferung auf Verlangen) oder auf dem mühsamen Weg (oft waren die Flüchtlinge ja bereits im fortgeschrittenen Alter und gesundheitlich angeschlagen) über die Pyrenäen (auch hier ein Tipp: Lisa Fittko, Mein Weg über die Pyrenäen). Wer diesen nicht schaffte, dem blühte ein ungewisses Schicksal, was im Fall Ludwig Marcuses zu dessen Freitod führte.

    Wenn man all dies liest, wird einem (wieder mal) klar, welchen Aderlass die sogenannte Machtergreifung der Nazis für die deutsche Kultur, natürlich nicht nur für die, Ähnliches gilt ja bekannterweise auch für die Wissenschaft, bedeutete. Leider habe viele aus dieser Geschichte nichts gelernt, wieder gibt es Drohungen von rechts gegen Intellektuelle, die sich zu gesellschaftlich relevanten Themen äußern.

    Ironischerweise war es, wie Magali Nieradka-Steiner berichtet, ein deutscher Wehrmachtssoldat, der den kleinen Fischerort und somit auch die zahlreich dort vertrenden Gedenkorte rettete. Otto Hartmann verweigerte den Befehl, die wegen einer vermuteten Invasion an der Mittelmeerküste im Ort verlegten Minen zu sprengen. Hätten doch mehr Menschen diesen Mut gehabt.