Ein Mann mit vielen Talenten: Roman
Langdon Taft scheint seines Lebens überdrüssig zu sein. Er lebt relativ zurückgezogen in einer ererbten Villa in einem kleinen Ort in Vermont. Stück um Stück des Inventars muss er verhökern, um über die Runden zu kommen. Es plagt ihn die Langeweile, ab 11 Uhr beginnt er, sich mit billigem Whisky zu benebeln. Da erscheint eines Tages ein skurriler Besucher namens Dangerfield, der nur für Langdon seh- und hörbar ist und mit den dunklen Mächten im Bunde steht. Dieser unterbreitet ein verführerisches Angebot: Langdon wird ein paar Monate lang jeden Wunsch erfüllt bekommen. Als Gegenleistung – man ahnt es – muss er seine Seele dem Leibhaftigen übereignen. „Zahltag“ soll der 12. Oktober sein. Langdon nimmt das Angebot zwar an, aber nicht wirklich ernst, denn an Gott und den Teufel glaubt er schon lange nicht mehr. Er genießt es stattdessen, dass sein Leben wieder Fahrt aufnimmt.
Während sich die meisten Kontraktpartner Dangerfields zumeist um sich selbst kümmern und nach Reichtum, Luxus oder Sex streben, verhält sich Langdon völlig anders: Er versucht, mit seinen neuen Talenten Gutes zu tun. So kümmert er sich um einen schwerkranken Jungen, einen brutalen Frauenschläger, einen gemobbten Schüler, eine verzweifelte junge Frau und andere Menschen aus seinem Umfeld. Mit Dangerfields Hilfe kann Langdon in das Schicksal seiner Zielpersonen eingreifen und damit die Welt ein bisschen besser und menschlicher machen. Die einzelnen Episoden lesen sich höchst unterhaltsam, der Stoff wirkt nicht annähernd so ernst wie bei den literarischen Vorbildern. Die Dialoge sind spritzig und pointiert, die Figuren geschliffen. Dangerfield ist ein eitler Geselle, der gar nicht auf den Gedanken kommt, dass seine teuflische Mission scheitern könnte. Langdon indessen ist relativ bescheiden, aber keinesfalls naiv. Zum Glück besitzt er seinen Freund Eli Adams, der ihn unbewusst mit neuen altruistischen Projekten versorgt, für die Dangerfield gezielt eingesetzt werden kann. Die einzelnen Geschichten lesen sich fast unabhängig voneinander, spannen aber dennoch einen logischen Handlungsbogen.
Der Roman besticht durch große Situationskomik. Schnell hat man mit Langdon Taft einen Sympathieträger ausgemacht. Aber auch Dangerfield ist kein Bösewicht. Natürlich muss er ständig an den Zahltag und an das ewige Höllenfeuer erinnern, das Langdon im Jenseits erwarten wird. Doch haben diese Szenen eine schwarz-humoristische Note. Weder der Leser noch Langdon wollen den Ernst der Lage erkennen. Dadurch hofft man unwillkürlich, dass der Teufelskontrakt nicht eingelöst werden wird, dass der eigenwillige Philanthrop Langdon eben nicht am Columbus Day verscheiden muss, sondern vielleicht selbst noch ein bisschen nachhaltiges Glück findet. Diese Hoffnung nährt natürlich die Spannung zum Ende des Romans hin.
„Ein Mann mit vielen Talenten“ ist ein großer Lesespaß, der wie mit leichter Feder geschrieben, gekonnt und mühelos wirkt. Er besticht durch seinen Situations- und Dialogwitz. Die erfrischende Neuinterpretation des Faust´schen Stoffes halte ich für sehr gelungen. Ein Buch, das auch gut in die Weihnachtszeit passt und breite Leserschichten begeistern sollte.
Ein Pakt mit Folgen...
Taft, ein dem Alkohol zugeneigter Eigenbrötler, steckt in einer Sinnkrise. Da kommt der schneidige Fremde namens Dangerfield gerade recht, der ihm auf der Veranda ein verführerisches Angebot macht: Taft hat sechs Monate Zeit, alles zu bekommen, was er jemals wollte – zu einem hohen Preis. Mit der Gewissheit, nichts zu verlieren zu haben, lässt sich Taft auf den Pakt ein und versucht auf seine Art, das teuflische Spiel zu unterlaufen. Doch der Stichtag rückt näher, und Dangerfield denkt nicht daran, von seiner Forderung abzurücken. (Klappentext)
Castle Freeman sagte mir vor der Lektüre dieses kleinen Romans ehrlich gesagt gar nichts. Dabei hat er doch schon so einige Bücher geschrieben und scheint auch in Deutschland eine kleine Fangemeinde zu haben. Allmählich begreife ich weshalb...
Kein Bier vor vier? Von wegen. Der pensionierte Lehrer Langdon Taft säuft schon am frühen Morgen oder vergisst gleich des Nachts, mit dem Trinken aufzuhören. Billigster Whiskey muss es sein, und das Glas ist selten leer. Leer dagegen ist das Leben Tafts, und seine Versuche, etwas Vernünftiges zu Papier zu bringen, scheitern jeden Tag auf Neue.
Da kommt es wie gerufen, dass plötzlich ein Mann namens Dangerfield in seinem Schaukelstuhl sitzt und ihm ein Angebot unterbreitet. Taft darf Wünsche äußern, die alle erfüllt werden - sieben Monate lang, bis zum Columbus Day. Und dann bringt Dangerfield ihn an einen anderen Ort. Einen heißen Ort...
Tja, sagte Dangerfield, was es so unangenehm macht, ist nicht so sehr die Hitze als vielmehr die Zeit. Wir reden hier von der Ewigkeit, Chief. - "Darüber mache ich mir auch keine Sorgen - die werde ich schon aushalten. Vergessen Sie nicht: Wir sind hier in Vermont. Bei uns ist Ewigkeit ein anderer Name für März." (S. 22)
Der Pakt mit dem Teufel - ein literarisch stetig wiederauftauches Element. Nun also auch hier. Doch Castle Freeman drückt dem seinen ganz eigenen Stempel auf. Denn Langdon Taft handelt nicht so, wie man es normalerweise erwarten würde. Keine ewige Jugend, Reichtümer, Berühmtsein usw. Taft bleibt was er immer war, er sorgt nur dafür, dass es anderen Menschen um ihn her besser geht. Er setzt die vom Handlanger des Teufels verliehenen Talente ein, um Gutes zu tun. Und konterkarriert damit die Absichten seines Vertragspartners. Aber ob es Taft letztlich gelingt, dem Teufel endgültig ein Schnippchen zu schlagen - das sollte jede:r selbst herausfinden...
Die gerade einmal 175 Seiten lassen sich flott lesen, was zum einen an dem eingängigen Schreibstil liegt, zum anderen aber auch an der Dialoglastigkeit des Textes. Diese Gespräche sind häufig sehr lakonisch-bissig angelegt und damit äußerst unterhaltsam. Aber auch die Figurzeichnung des Handlangers des Teufels bietet immer wieder amüsante Aspekte. Dangerfield zieht sich beispielsweise gern dem jeweiligen Anlass entsprechend an, was aber häufig klischeehaft-übertrieben gerät und damit wiederum für Unterhaltung sorgt. Was aber nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass Dangerfield auf die Einhaltung des Pakts pochen wird...
Mich hat der schmale Roman sehr positiv überrascht mit seiner lebendigen Neuinterpretation des Teufelpakts. Unterhaltsam und empfehlenswert!
© Parden