Ein Geist in der Kehle

Buchseite und Rezensionen zu 'Ein Geist in der Kehle' von Doireann Ní Ghríofa
2.35
2.4 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Ein Geist in der Kehle"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:384
Verlag: btb Verlag
EAN:9783442762316

Rezensionen zu "Ein Geist in der Kehle"

  1. Enttäuschend

    Ich hatte mich sehr auf das erste Prosawerk der irischen Lyrikerin Doireann Ní Ghríofa gefreut. Die Idee, sich auf die Spuren der Verfasserin einer in Irland sehr bekannten Totenklage aus dem 18. Jahrhundert zu begeben und Verbindungen zum Leben von Frauen zu allen Zeiten herzustellen, fand ich reizvoll. Als Urheberin des „Caoineadh Áirt Uí Laoghaire“ gilt Eibhlín Dubh Ní Chonaill, die das Gedicht als Klage anlässlich ihres ermordeten Mannes verfasste. Die Ich-Erzählerin kommt das erste Mal mit dem Werk während ihrer Schulzeit in Berührung und spürt bereits damals eine Faszination, die sich im Laufe ihres Lebens verstärkt und schließlich zu einer regelrechten Obsession wird. Zwischen Stillen, Abpumpen von Milch für einen guten Zweck, Windelwechseln, Kinder beschäftigen und Haushalt bewältigen beginnt sie, sich jede freie Minute dieser Totenklage zu widmen. Sie sucht bis zur Erschöpfung im Internet und Archiven nach Hinweisen über das Leben dieser Frau, sucht die Orte auf, an der sie gelebt haben soll und findet den Grabstein ihres ermordeten Ehemanns. Immer ist sie mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass die Geschichtsschreibung von Männern dominiert wurde, Texte von Frauen kaum überliefert sind.
    Die den Kapiteln vorangestellten Verse der Totenklage in drei Sprachen (Irisch-Gälisch, Englisch und Deutsch) geben dem Text Struktur und Rhythmus, was mir zu Beginn noch sehr gut gefallen hat, mir im Verlauf des Textes aber zu wenig war, um einen Spannungsbogen aufzubauen und einem roten Faden zu folgen.
    Meine anfängliche Faszination schlug nach dem ersten Drittel in Langeweile um. Die Begeisterung für Eibhlín Dubh Ní Chonaills Geschichte übertrug sich nicht auf mich. Die Episoden aus der Gegenwart und der Vergangenheit wirkten willkürlich, und unzusammenhängend auf mich. Viele Wiederholungen nahmen mir die Lesefreude, so dass ich am Ende der Lektüre einfach nur froh war, das Buch zur Seite legen zu können. Gefallen hat mir, dass im Anhang die gesamte Totenklage noch einmal am Stück in den genannten drei Sprachen gedruckt wurde. Ein Interview mit der Autorin hilft bei der Einordnung des Textes, der mich leider nur in seiner Grundidee, nicht aber in seiner Umsetzung erreichen konnte. Übersetzt wurde der Prosatext von Cornelius Reiber, die Lyrik von Jens Friebe.

  1. Der weibliche Körper und die Marginalisierung weiblicher Stimmen

    Die Lyrikerin Doireannn Ní Ghríofa beschreibt in ihrem autofiktionalen Romanerstling, wie sie während der Still- und Kleinkindzeiten ihrer Kinder über das Leben und Dichten der Irin Eibhlìn Dubh stolpert, welches sie in der Folge nicht mehr loslässt. Fast obsessiv fühlt sich die junge Mutter zu der Frau aus dem 18. Jahrhundert hingezogen, besonders weil über diese so wenig bekannt ist. Die Erzählerin beginnt eine Spurensuche, die zwischen Imaginiertem und Fakten angesiedelt ist, dreht jede noch so kleine Porzellanscherbe um und lernt in dem Prozess immer mehr über sich selbst, den Fluch und Segen von Weiblichkeit und Mutterschaft.

    „Ein Geist in der Kehle“ ist unbestritten ein innovatives und sehr kluges Buch. Das durch den Roman refrainartig hallende „Dies ist ein weiblicher Text“, das auch recht werbewirksam auf dem Cover vermerkt ist, umschreibt das Anliegen der Autofiktion: es ist eine Studie weiblicher Beschränkung, Marginalisierung und Pflichtverbundenheit, die sehr deutlich den Fokus auf die Tatsache richtet, wie viele weibliche Stimmen und Texte uns im Verlauf der Jahrhunderte wohl verloren gegangen sind. Frauen waren eher den mündlichen Überlieferungen (wie z.B. bei Märchenerzählungen) als der Verschriftlichung verbunden – nicht zuletzt aus Mangel an (Frei-)Zeit und Bildung. Auf diese Unstimmigkeit richtet die Autorin ihr Augenmerk und verbindet sie mit der Wahrnehmung ihrer selbst, während der sie feststellt, dass sie aus sehr viel Körper und Körperlichkeit besteht. Für sie ist z.B. das Gebären und das Stillen auch eine Form des weiblichen Textes. Sie misst der Funktionstüchtigkeit ihres weiblichen Körpers viel Bedeutung bei, reflektiert über das Ende ihrer Fruchtbarkeit und ihres Lebens.

    All diese Gedanken sind in Episoden der Selbstbeschreibung, kleinerer und größerer Ereignisse und natürlich in die Forschung zu Eibhlìn Dubh eingebunden. Sie bilden den roten Faden des Textes, können aber leider nicht verhindern, dass man sich als Leser über weite Teile des Romans langweilt. Die fortdauernde und nicht immer ganz schlüssig verbundene Introspektion und Selbstreflexion ermüden und können nur selten fesseln – zumal der Gedanke weiblicher Marginalisierung und Sprachlosigkeit überhaupt nicht neu ist. So gerät der Text zum Denkmal einer möglicherweise zu Unrecht vergessenen Dichterin und zum Ausdruck der Selbstbespieglung einer Frau, die einen nicht unerheblichen Teil ihres Selbstwerts an ihrer Funktionsfähigkeit als nährende Mutter bindet.

    Sprachlich ist der Roman gelungen. Doireann Ní Ghríofas lyrisches Talent scheint auf jeder Seite durch, es hat seinen eigenen melodischen Fluss, der von den Übersetzern grundsätzlich gut eingefangen wurde. Allerdings muss man die Übersetzer/das Lektorat bei diesem Roman ganz ausdrücklich kritisieren. Ich finde es gelinde gesagt unsäglich und unerträglich, einem aus dem Englischen übersetzten literarischen Text die deutsche Gendermanie aufzuzwingen. Im Englischen gendert man nicht – es ist eine germanische Sprache, die ebenso wie das Deutsche übrigens – inklusiv ist. „Reader“ sind alle Leser – egal welchen Geschlechts. Und so findet sich im Original des Romans, der ja sogar eine sehr ausdrückliche Beschäftigung mit Weiblichkeit und ihren Implikationen ist, folgende Passage: „I know I should be grateful to the many translators and scholars…“ Ich sehe hier kein Gendern, kein „male and female translators and scholars“ (diese Möglichkeit hat das Englische ja durchaus!). Trotzdem macht die deutsche Übersetzung daraus: „Ich weiß, dass ich den vielen Übersetzer:innen und Wissenschaftler:innen dankbar sein sollte…”. Nicht nur, dass das so im Original tatsächlich nicht steht, hier wird eine durchaus fragwürdige deutsche Formulierung genutzt und einem literarischen Text eine Lesart aufgezwungen, die so schlichtweg nicht gegeben ist. Das ist ärgerlich, überflüssig und äußerst störend – zumal dies nicht das einzige Bespiel ist. Egal, ob Anhänger des Genderns oder nicht: beim literarischen Übersetzen sollte doch der Ursprungstext bestimmen, wie gelesen wird.

  1. Langeweile pur

    Hier geht es um eine Frau, die mit ihr Mann eine Familie gründet. Es wird schön der Alltag und der Wahnsinn einer Frau erzählt, die kleine Kinder hat. Wie sie sich innere Listen erstellt, um Aufgaben abzuarbeiten. Wie die Familie immer wieder umzieht, da die Vermieter die Miete anheben oder weil sie das bestehende Mietverhältnis kündigt.

    Zwischen den einzelnen Kapitel werden die Originaltexte von der Frau eingeblendet, die ihren Mann verloren hat und sein Blut trinkt. Diese Verse werden in gälisch, englisch und in deutsch übersetzt.

    Für mich konnte kein Bezug zu dieser Frau, was sie erlebt und wie sie täglich den Alltag bestreitet aufbauen. Für mich war dieses Buch zuerst sehr ansprechend, da dieser Text seine eigene Melodie aufweist. Jedoch konnte ich keinen Bezug zu dieser Frau/Mann/ Familie aufbauen. Es plätschert gewollt poetisch dahin und es passiert von der Handlung einfach fast gar nichts, was mich fesselt oder wo ich eine Verbindung zu der Protagonistin spüre.

    Für mich wirkte es eher wie eine aufgeblasene Schmonzette, wo vieles aufgebauscht war und nichts substanzielles an den Leser*in herangetragen wurde.

    Fazit:

    Poetischer Kauderwelsch, wo ich keine Handlungsebene/ Bindung zu den Personen finden und aufbauen konnte.