Die Mutter meiner Mutter

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Mutter meiner Mutter' von Sabine Rennefanz
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Inhaltsangabe zu "Die Mutter meiner Mutter"

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:257
EAN:

Rezensionen zu "Die Mutter meiner Mutter"

  1. Die Sünden der Väter reichen bis ins dritte oder vierte Glied

    "Ich habe etwas über deinen Großvater herausgefunden, flüsterte meine Mutter" - mit diesem ungeheuerlichen Satz beginnt der Roman Die Mutter meiner Mutter, der mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt, berührt und bis jetzt, einige Tage nach dem Ende des Lesens, nicht mehr losgelassen hat.

    Mit der Eröffnung der Mutter beginnt die Spurensuche der Enkelin, die nicht mehr länger dem in der Familie sorgsam gehegten "Skript, in dem allen Rollen zugeschrieben werden, an die sie sich zu halten haben" folgen will. Demnach war der Großvater der Held, der treusorgende Familienvater, der vorbildliche Ehemann, der barmherzige Patriarch und die Großmutter die harte, missmutige, unnahbare Frau, die vor jeder Berührung zurückschreckte und scheinbar nicht lieben konnte. So hat auch die Enkelin ihre Großeltern erlebt - und nun soll auf einmal alles ganz anders sein, das Drehbuch der Familie umgeschrieben werden?

    Die Großmutter, Anna, gebürtig in Schlesien, musste nach dem Krieg als Vierzehnjährige zusammen mit ihrer Stiefmutter und den Stiefbrüdern fliehen, nachdem die Russen ihren Vater abgeholt hatten. Nach traumatischen Wochen kam die Familie in einem Dorf in der sowjetisch besetzten Zone an, von der einheimischen Bevölkerung alles andere als freundlich aufgenommen. Anna hatte das Glück, bei einer freundlichen Bauernfamilie als Magd unterzukommen. Vielleicht wäre ihr Leben doch noch gut verlaufen, hätte es da nicht den verspäteten Kriegsheimkehrer Friedrich Stein und den verhängnisvollen Schlachttag im Jahr 1949 gegeben...

    Sabine Rennefanz erzählt eine autobiografische Geschichte über eine Familienlüge, über ein archaisch anmutendes Dorfgefüge, über das verhängnisvolle Schweigen und über die Frage von Schuld und Vergebung. Trotz oder vielleicht gerade bewusst wegen ihrer eigenen Betroffenheit wählt sie einen nüchternen, distanzierten, sachlichen, unaufgeregten und doch sehr sensiblen Stil, dessen Wirkung auf mich umso emotionaler und berührender war. Einfühlsam beschreibt sie, wie "die Sünden der Väter bis ins dritte oder vierte Glied reichen", der Schatten eines Verbrechens auf ihrer Großmutter, ihrer Mutter, deren Schwestern und ihr selber liegen, und doch alle völlig unterschiedlich damit umgehen.

    Für mich ist dieses mit einem besonders gelungenen, ruhigen Cover und der wunderbaren Farbgebung sehr passend gestaltete Buch ein Lesehighlight des Jahres 2015 und ein Buch, das im Gedächtnis bleibt.

  1. Familiensaga über drie Generationen

    Klappentext
    Von der Autorin des SPIEGEL Bestsellers "Eisenkinder"

    Als der Krieg zu Ende war, fing für die vierzehnjährige Anna der Kampf erst an. Ihre Mutter war lange tot, ihr Vater von den Russen verhaftet worden, ihre Heimat verloren. Als Flüchtling machte sie sich mit ihren kleinen Brüdern allein auf den Weg nach Westen und fand in Kosakenberg, einem Dorf in der sowjetischen Besatzungszone, Unterschlupf. Am Hof der Familie Wendler kann sie als Magd härteste körperliche Arbeit leisten. 1949 kehrt Friedrich Stein aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft nach Kosakenberg zurück. Das Deutschland, das er verlassen hat, gibt es nicht mehr: seine Familie ist tot, sein Anwesen von Flüchtlingen besetzt, das Dorf voller Sowjet-Propaganda. Ein gebrochener Mann, zwanzig Jahre älter als Anna. Anna macht die Traurigkeit in seinen Augen vom ersten Tag an Angst.

    Die Autorin
    Sabine Rennefanz, 1974 in Beeskow geboren, studierte Politologie in Berlin und Hamburg. Sie arbeitet seit 1993 als Journalistin, seit 2001 als Redakteurin für die Berliner Zeitung, für die sie mehrere Jahre aus London schrieb. Für ihre journalistische Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Theodor-Wolff-Preis und dem Deutschen Reporterpreis. Ihr erstes Buch, "Eisenkinder", erschien 2013 und stand mehrere Wochen auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.

    Meine Meinung

    Story
    20 Jahre nach dem Tod des Ehemanns, erzählt Anna Stein ihrer Tochter ein Geheimnis über ein Verbrechen. Für die Tochter bricht eine Welt zusammen. Plötzlich ist der geliebte Großvater ein Fremder, ein Verbrecher. Stück für Stück setzt sie die Geschichte ihrer Mutter zusammen. Beginnend mit der Großmutter, der Flucht aus Polen, den Neuanfang als Flüchtling, in der ehemaligen DDR bis in die Gegenwart.

    Schreibstil
    Das Buch ist eine nicht unbedingt Chronologisch geordnete Familiengeschichte.Es sind kleine Anekdoten, die schließlich ein Gesamtbild wiedergeben. Das Buch ist leicht verständlich, erfordert aber auch ein wenig Aufmerksamkeit.

    Charaktere
    Alle Charaktere sind echt und originell beschrieben. Man kann sich leicht in sie hinein versetzen. Sabine Rennefanz gelingt es vorzüglich, ihren Charakteren Leben einzuhauchen.

    Mein Fazit

    Der autobiographische Roman dreht sich ausschließlich um das Leben der Frauen, ihr Überleben auf der Flucht, das harte Leben nach dem Krieg. Geschichtliche Ereignisse werden nur am Rande erwähnt. Sie haben für die Frauen kaum Bedeutung. Anne Stein lebt ein Leben, ohne persönliche Höhepunkte, geprägt von Arbeit, Entbehrungen und Verzicht und Unterdrückung. Diese Trostlosigkeit prägt die ganze Geschichte, kein lachen, keine Freude. Die Geschichte ist eine Aneinanderreihung von alltäglichen Ereignissen und dennoch ist man schnell in den Bann gezogen durch diesen einzigartigen Erzählstiel von Sabine Rennefanz.
    Ich vergebe fünf von fünf Sternen und eine absolute Leseempfehlung.