Der Tag, an dem Marilyn starb: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Tag, an dem Marilyn starb: Roman' von Donna Milner
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4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der Tag, an dem Marilyn starb: Roman"

Man sollte sich vom unglücklich gewählten deutschen Titel dieses Buches nicht in die Irre führen lassen: Der neue, nach ihrem fulminanten Erstling River mit Spannung erwartete zweite Roman von Donna Milner hat rein gar nichts mit Marilyn Monroe zu tun. Außer dass an deren Todestag, dem 5. August 1962, die Geschichte der kanadischen Familie Coulter, die Milner hier erzählt, durch eine Katastrophe erschüttert wird – eine Katastrophe, die unerwartet und doch irgendwie unvermeidlich geschieht. An diesem Tag erfährt die 11-jährige Ethie, aus deren Sicht das Buch erzählt ist, vom Tod ihrer Mutter. Lucy Coulter, die nie einen Tropfen Alkohol anrührte, und ihre Freundin Marlene sind auf deren Segelboot tot aufgefunden worden, offenbar in der Kabine erstickt durch ausgetretenes Kohlenmonoxid, vor dem sie sich aufgrund eines enorm hohen Blutalkoholspiegels nicht mehr zu retten in der Lage waren. Ein tragischer Unfall. Doch was hat Lucy auf diesem Boot gemacht, und warum war sie so betrunken?

Ethie, ihr großer Bruder Frank und ihr kleiner Bruder Kipper, der mit Down-Syndrom geboren wurde (eine großartige Figur, die einem sofort ans Herz wächst!), haben nun keine Mutter mehr. Der Vater, Howard, ist kein Trost für die Kinder, denn er kämpft mit seinen eigenen Dämonen: Er hatte sich zwanzig Jahre zuvor, 1941, als junger Mann freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet, hatte im Pazifik gegen die Japaner gekämpft und war anschließend in japanische Gefangenschaft geraten, die ihn so traumatisiert hat, dass er nach Kriegsende völlig verstört zu seiner jungen Frau heimkehrte und seitdem kaum noch ein Wort sprach, sich ständig betrank und das Leben nur noch wie durch einen Schleier wahrnahm. Seine Kriegserlebnisse werden als paralleler Handlungsstrang erzählt, und während der Leser durch Ethies kindliche Augen verfolgt, wie die Geschwister sich verzweifelt dagegen wehren, dass ihr Vater sich vollends vor ihnen verschließt, wird immer klarer, dass er seit dem Krieg ein Geheimnis mit sich herumträgt und dass der Tod der Mutter genau mit diesem Geheimnis zu tun hat.

Es ist eine berührende Familiengeschichte, die Donna Milner hier erzählt, und wie schon in River ist das zentrale Thema des Romans das Verschweigen von – eigentlich gar nicht allzu gravierenden – Geheimnissen: zu welchen Katastrophen es führen kann, wenn man etwas in sich hineinfrisst, statt es auszusprechen; wie aus einem kleinen Geheimnis ein großes Geheimnis wird, das alles erdrückt, wenn man einmal den richtigen Moment verpasst hat, es zu erzählen. Die Gratwanderung zwischen ergreifend und kitschig, das muss man einwenden, war der Autorin in River besser gelungen; hier rutscht ihr ein paar Mal ein Fuß in Richtung Kitsch aus – doch stets fängt sie sich wieder und stürzt nie ganz ab in den seichten Teich der Gefühligkeit. Und so ist Der Tag, an dem Marilyn starb ein eindrucksvolles Familienepos, unaufgeregt erzählt und doch sehr bewegend. -- Katharina Vogt

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:393
Verlag: Piper
EAN:9783492053730

Rezensionen zu "Der Tag, an dem Marilyn starb: Roman"

  1. 4
    08. Mai 2017 

    'Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen' - Platon

    Dass Kriege überdeutliche Spuren nicht nur in physischer Form bei den direkt Beteiligten hinterlassen, sondern auch deren Angehörige und Freunde in Mitleidenschaft ziehen, hat sicherlich schon oft genug als Stoff für Bücher und Filme gedient. Und nun noch ein Buch zu diesem Thema, also nur Altbekanntes und dies neu verpackt? In gewisser Weise ja, aber die neue Verpackung ist wirklich gut gelungen.

    Im August 1962 erfahren die Kinder Ethie, 11 Jahre, Kipper, 14 Jahre, Frankie, 20 Jahre und der Vater Howard Coulter, dass ihre schöne Mutter Lucy auf einem Boot tot aufgefunden wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt waren sie im großen und ganzen eine glückliche Famile. Nur den Vater scheint seit seiner Rückkehr aus dem 2. Weltkrieg etwas derart zu belasten, dass er immer wieder für mehrere Stunden, manchmal sogar für Tage verschwindet.

    Die Geschichte teilt sich in zwei Erzählstränge: Der eine beschreibt überwiegend aus der Sicht Ethies, wie die Familie mit dem Tod der geliebten Mutter umgeht, der andere Howards Teilnahme am II. Weltkrieg. Er wird in Hongkong stationiert und landet für vier lange Jahre in Kriegsgefangenschaft bei den Japanern. Doch die Schuldgefühle die er verspürt, weil er glaubt für eine grauenvolle Tat verantwortlich zu sein, lassen es nicht zu, dass er während der folgenden Jahre mit seiner Frau über die entsetzlichen Geschehnisse spricht, die ihn immer noch verfolgen. Erst als durch Lucys Tod nicht nur Howard, sondern ihr ganzes Zuhause zu zerbrechen droht, stellt er sich seiner Vergangenheit.

    Milner beschreibt anrührend aber ohne rührselig zu werden, wie die mutterlose Familie mit dem Verlust zurechtkommt. Man spürt die Trauer ebenso wie die Liebe, die zwischen den Geschwistern, aber auch Vater und Kindern herrscht, die Verzweiflung über das Geschehene wie die Freude über die ersten kleinen Lichtblicke. Umso grausamer erscheinen die Schilderungen über das Erlebte in Hongkong während des Krieges, die entsetzlichen Leiden der Menschen sowie die unglaubliche Brutalität die dort zutage tritt.

    Ein gefühlvolles, aber kein kitschiges Buch, das überdeutlich klar macht, dass ein Krieg nicht beendet ist, nur weil die Kriegshandlungen eingestellt wurden. Ehemalige Soldaten, Opfer, die Familien und Freunde werden mit seinen Folgen noch lange zu kämpfen haben.