Inhaltsangabe zu "Der Letzte seiner Art (Roman)"
1835: Der junge Zoologe Gus wird vom Naturhistorischen Museum in Lille nach Island geschickt, um die Fauna des Nordatlantik zu studieren. Dort wird er Zeuge eines Massakers an einer Kolonie von Riesenalken, einer pinguinähnlichen Vogelart. Gus kann einen der Vögel retten, ohne zu ahnen, dass er gerade das letzte Exemplar seiner Art geborgen hat. Er nennt ihn Prosp – und zwischen dem neugierigen Forscher und dem anfänglich misstrauischen Tier entsteht eine tiefe Freundschaft. Gus wird nach und nach klar, dass er womöglich etwas Einzigartiges und Unvorstellbares miterlebt: Das Aussterben einer Spezies. Was bedeutet es, ein Tier zu lieben, das es nie wieder geben wird? Gus entwickelt eine Obsession mit dem Schicksal seines gefiederten Freundes – eine Obsession, bei der alles andere auf der Strecke bleibt
Mensch und Tier
Mein Lese-Eindruck:
Der Roman beginnt mit einem grausamen Paukenschlag: dem historisch verbürgten Massaker in einer Riesenalken-Kolonie auf Eldey, einer schroff aufragenden Felswand vor Island, dem alle dort lebenden Tiere zum Opfer fielen. Riesenalke waren begehrte Jagdobjekte. Ihr Fleisch galt als Delikatesse, Federn, Fett und auch die Bälge waren begehrt, und je seltener die Tiere wurden, umso mehr wurden sie bejagt, weil auch die Museen zu Dokumentationszwecken an den Tieren interessiert waren.
Auguste, ein junger Zoologe vom Naturhistorischen Museum in Lille, reist ca. 1830 in den Norden Europas, um die dortige Flora und Fauna zu erforschen: ein Forschungsgebiet, das damals jn Mode kam. Er wird Augenzeuge des Massakers auf Eldey und rettet durch Zufall einer der Riesenalke.
Der Riesenalk wird nun sein Haustier. Weil er so gut genährt ist, nennt er ihn Prosperity, abgekürzt Prosp. Er studiert ihn, er zeichnet ihn, er sorgt für ihn, er lässt ihn angebunden im kalten Meer schwimmen. Als er fürchten muss, dass seine isländischen Nachbarn auch Prosp töten und verkaufen wollen, wechselt er auf die Färöer Inseln, wo er in rauer und einsamer Umgebung mit Prosp lebt. Heirat und Elternschaft ändern nichts an seiner Fürsorge für das Tier, was nicht immer konfliktfrei abläuft.
Die Autorin schildert sehr schön das Zusammenleben und vor allem das Zusammenwachsen von Mensch und Tier. Ist Prosp für den jungen Wissenschaftler zunächst nur ein Forschungsobjekt, dem er sich begeistert widmet, wird er im Lauf der Zeit zu einem vertrauten Hausgenossen. Die Autorin selber ist sichtlich fasziniert von der gegenseitigen Verständigung, und hier gelingen ihr sehr eindrückliche und schöne Szenen, in denen sie die Verbundenheit von Mensch und Tier beschreibt und ihren Protagonisten tierphilosophische Überlegungen anstellen lässt. Immer aber bleibt Gus die Erzählinstanz, sodass die Autorin keinerlei Anthropomorphisierung betreibt, sondern ihren wohltuend nüchternen und unaufgeregten Ton wahren kann.
Gus aber erkennt immer mehr, dass seine grundlegende Ansicht nicht stimmt, nämlich dass die Harmonie der Welt es nicht zulasse, dass etwas Lebendiges ausgelöscht würde. Sehr geschmeidig und niemals belehrend bringt hier die Autorin den damals aktuellen wissenschaftlichen Diskurs über das Verschwinden von Arten unter, wenn sie die wachsende Schwermut ihres Helden erzählt.
Wir wissen heute, dass die Riesenalke nicht aufgrund von Umweltveränderungen, sondern dass der Mensch die Ursache seiner Ausrottung ist. Insofern kann dieses kluge und unaufgeregte Buch durchaus als Plädoyer und Mahnmal aufgefasst werden.
4,5/5*