Der Flug des Raben: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Flug des Raben: Roman' von Richard Wagamese
5
5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der Flug des Raben: Roman"

Garnet Raven ist drei Jahre alt, als er seinem Zuhause in einem Ojibway-Reservat entrissen und von den Behörden in Obhut genommen wird. Er wächst in verschiedenen Pflegefamilien auf, bis er als Teenager die erstbeste Möglichkeit nutzt, um sich aus dem Staub zu machen. Er flieht in die Großstadt, gerät auf die schiefe Bahn und landet schließlich im Gefängnis. Zu seiner großen Überraschung erhält er dort einen Brief seiner längst vergessenen Ursprungsfamilie. Als er nach seiner Entlassung ins Reservat seiner frühesten Kindheit zurückkehrt und beschließt, dort zu bleiben, bis er neue Pläne für seine Zukunft entwickelt hat, ändert sich sein Leben von Grund auf: Keeper, ein Freund seines Großvaters und der letzte Hüter der Weisheit der Ojibway, macht ihn mit den Traditionen und Riten seines Stammes vertraut. Garnet entdeckt nach und nach die Bedeutung des Ortes, seine Herkunft und sich selbst.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:380
Verlag:
EAN:9783896677181

Rezensionen zu "Der Flug des Raben: Roman"

  1. Zurück zu den Wurzeln

    Mit drei Jahren wird Garnet Raven von den Behörden in Obhut genommen. Er kommt in verschiedene Pflegefamilien, macht sich als Jugendlicher in die Stadt auf und gerät auf die schiefe Bahn. Als er im Gefängnis ist, erhält er einen Brief seiner Ursprungsfamilie, an die er sich nicht mehr erinnern kann. Nach der Entlassung kehrt er zurück ins Ojibwe-Reservat. Dort verändert sich sein Leben grundlegend und er findet nicht nur ein Zuhause, sondern auch zu sich selbst.
    Als Kind habe ich gerne spannende Indianerbücher gelesen. Doch welches Unrecht dort geschehen ist, wurde mir erst sehr viel später bewusst bei Reisen nach USA und Kanada und bei Besuchen in Reservaten. Daher hat mich dieses Buch auch gleich angesprochen.
    Richard Wagamese erzählt in einfacher Sprache die Geschichte von Garnet Raven, der wie so viele indigene Kinder von Staat und Kirche der Familie entrissen wurde, um sie nach weißen Maßstäben zu erziehen. Sie sollten ihre Traditionen und ihre Sprache vergessen. Wagamese weiß, wovon er erzählt, denn auch ihm erging es nicht anders.
    Raven wurde geprägt von Menschen, mit denen ihn nichts verbunden hat. Die Liebe seiner Familie wurde ihm genommen und er fühlt sich entwurzelt. Ist es da verwunderlich, dass er auf die schiefe Bahn geriet? Doch er bekommt die Chance zurückzukehren zu seinen Wurzeln. Er versteht die Sprache und die Bräuche nicht und kommt sich natürlich fremd vor. Doch Keeper, ein Freund seines Großvaters, kümmert sich um ihn und hilft ihm zu verstehen. Damit heilt sich Keeper gleich selbst von seiner Alkoholsucht. Da die Geschichte zum größten Teil aus der Sicht von Garnet Raven erzählt wird, konnte ich mich gut in ihn hineinfühlen.
    Es ist eine emotionale Geschichte, die manchmal philosophisch, aber auch humorvoll daherkommt. Mir hat es gut gefallen, etwas über Bräuche und die Kultur der Ojibwe zu erfahren und wie sie mit der Natur leben. Weitere Bücher des Autors sind gleich auf meine Wunschliste gewandert.
    Lesenswert!

  1. Weisheit und Humor

    Richard Wagamese (1955-2017) ist eine wichtige indigene Stimme Kanadas. Geboren als Angehöriger des Ojibwe Stammes wurde er als Kind, wie so viele andere Kinder, seinen Eltern weggenommen, um in den berüchtigten Heimen und bei Pflegefamilien aufzuwachsen. So sollte die indianische Kultur, Religion und Sprache der First Nations ausgerottet werden. Erst als junger Mann mit 23 Jahren konnte er mit seiner Familie wieder vereinigt werden.

    In seinem Erstlingswerk „Der Flug des Raben“ hat der Protagonist Garnet Raven ein ganz ähnliches Schicksal. Die Kinder der Ravens wurden den Eltern entzogen und Garnet, als Dreijähriger von seinen Geschwistern getrennt. Er wächst in ständig wechselnden Familien auf, ist entwurzelt und schließt sich, nach seiner Volljährigkeit einer schwarzen Familie an, R&B und Blues ist die Musik, in der er sich wiederfindet. Schließlich landet er als Kleinkrimineller im Gefängnis. Dort wird er von seinem Bruder Stanley ausfindig gemacht, der ihn nach der Entlassung nach Hause holen will.

    Doch was ist Zuhause für Garnet? Er spricht weder die Sprache, noch kennt er das Leben der Ojiewe, er fühlt sich wie ein Exot, der er auch ist, als er mit Afro und grüner Schlaghose im Reservat eintrifft.

    Die Wiedervereinigung mit der Familie, das Suchen und Finden der Wurzeln und seiner Zugehörigkeit zu Volk und Kultur beschreibt Wagamese mit einfachen, aber zu Herzen gehenden Worte. Garnet findet in Keeper, einem trockenen Alkoholiker, einen Führer. Keeper wurde von Garnets Großvater, einem alten, ganz traditionell lebenden „Medizinmann“ ausgewählt, das alte Wissen weiterzugeben, konnte aber letztendlich den Verlockungen des Alkohols nicht widerstehen. Mit Garnets Rückkehr wird er an diese Verpflichtung erinnert und wie er dem Jungen hilft, sich zurecht zu finden, gibt ihm Garnet unbewusst die Stärke, dem Alkohol zu entsagen.

    Sprachlich ist der Roman von einer Einfachheit, die man nicht mit Kunstlosigkeit verwechseln sollte. Seine Worte sprachen mich unmittelbar an, herzhaftes Lachen wechselte sich mit Traurigkeit und manchmal feuchten Augen ab.

    Es ist an der Zeit die Stimme der First Nations zu hören. Richard Wagamese ist dazu ein guter Weg.