Der Anfang vom Ende
Sage und schreibe dreizehn Mal wurde Mark Aldanow für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen. Wie kann es sein, dass mir der Name zuvor noch nie untergekommen ist? In seinem informativen Nachwort würdigt Andreas Weihe, der den Roman nach achtzig Jahren ins Deutsche übersetzte, als Meisterwerk und nennt Aldanow in einem Atemzug mit solch literarischen Größen wie Bunin und Nabokov. Für mich galt es also, eine Wissenslücke zu schließen - zumindest ist hierzu mit der Lektüre des knapp 650 Seiten umfassenden Werkes nun ein Anfang gemacht.
Positiv hervorheben möchte ich, dass die Ausgabe des Rowohlt Verlages dank eines erhellenden Vorwortes von Sergej Lebedew sowie des bereits erwähnten Nachwortes sowie umfassenden Erklärungen und Erläuterungen zum Text viel dazu beiträgt, das Werk der deutschen Leserschaft nahezubringen. In formaler Hinsicht ist zudem das angenehme Schriftbild positiv hervorzuzuheben.
Der Titel "Der Anfang vom Ende" bezieht sich wohl auf einen großen epochalen Umbruch in den 1930er Jahren, deren besondere Stimmungslage zwischen den beiden Weltkriegen hier im Vordergrund des Geschehens steht. Es sind drei ältere russische Agenten durch deren Brille wir Einblicke in diese Umbruchszeit gewinnen. Sie begegnen einander im Zug von Moskau nach Paris und haben alle einen besonderen Auftrag für ihr Heimatland zu erledigen, das ein gewisses Interesse hat, bestehende machtvolle Kontakte beizubehalten. Aldanow liefert brilliante Psychogramme dieser drei Protagonisten namens Wislicenus, Kanjarow und Tamarin. Hier geht es um eine Art Gesellschaftsportrait; den Austausch über zeitgenössische politische und revolutionäre Themen und Ideen. Es gibt allerdings eine weitere wichtige Handlungsebene: Wir stoßen dort auf den Sekreatär des französischen Schriftstellers Vermandois: Alvera. Wenn ich ehrlich bin, hat mich dieser zweite Handlungsstrang weit mehr angesprochen. Wir lesen eine Art Neuauflage von Dostojewskis "Schuld und Sühne", in der Alvera zum Mörder des Schriftstellers wird.
Insgesamt betrachtet, stellte die Lektüre des umfangreichen Werkes für mich eine große Herausforderung dar. Die verschiedenen Handlungsebenen konnte ich nicht so recht integrieren und insbesondere mit dem Erzählstrang rund um die drei russischen Agenten habe ich mich recht schwer getan - auch wenn ich einige der Diskussionen recht interessant fand. Aber es blieb bei Passagen, die mich fesselten, während ich mich mitunter etwas zum Weiterlesen "zwingen" musste. Dennoch denke ich, dass Mark Aldanow sicher ein gelungenes Gesellschaftsparama der 1930 er Jahre schreibt, sein schriftstellerisches Können steht für mich außer Frage. Ob dies allein jedoch ausreicht, um mögliche weitere Übersetzungen aus seinem Gesamtwerk zu lesen, sei dahin gestellt. Mit der Lektüre stark historisch angehauchter Werke entferne ich mich weit von meiner Comfortzone. Das ist auch mal okay, aber wird sicherlich eher ein gelegentlich erfolgendes "Experiment" bleiben - nur in meinem Fall versteht sich.
Ein wiederentdeckter Klassiker
Mark Aldanows Werk erschien im Original bereits im Jahre 1943, die Handlung des Romans ist allerdings früher angesiedelt, um 1930 und spielt hauptsächlich in Paris.
Einleitend darf der Leser sich auf ein Vorwort von Sergej Lebedew freuen, dass ich sehr erhellend und faszinierend empfand. Um ehrlich zu sein, machte genau dieses Vorwort Lust auf den Roman, doch meine Erwartungen wurden nicht ganz erfüllt. Mich erwartete dann doch etwas anderes, doch der Zeitgeist und die Aktualität blitzen dennoch durch, und das bei einem Werk, dass 80 Jahre alt ist. Hut ab!
Worum geht es? Die eigentliche Handlung setzt bei einer Zugfahrt an, dort lernt man die drei wichtigsten Personen kennen.
Der Zug, aus Moskau kommend, hat Berlin zum Ziel, und seine Insassen sind größtenteils schon etwas älter. Ein sowjetischer Botschafter und seine Schreibkraft sind darunter, allesamt haben sie großes geleistet, sich einen Namen gemacht, und alle drei, Wislicenus, Kangarow und der Offizier Tamarin, sind ausgesandt die Interessen ihres Landes zu verfolgen in einer Zeit des Umbruchs. Russland hofft, die Kontakte wieder aufnehmen zu können.
Die Unterhaltung dieser Männer könnte fast 1:1 in der heutigen Zeit stattgefunden haben.
Die Handlung wird durch den Umstand, dass alle drei Männer ein Auge auf die Sekräterin Nadeschda geworfen haben, zwar ein wenig aufgelockert, doch mir persönlich war es oft ein wenig zu albern, mit dem liebestollen Geplänkel. Die Vorstellung, dass drei alte, intelligente Männer, sich so verhalten, erschien mir etwas abwegig, vorfallen wenn man ihre Stellung bedenkt.
Der zweite Handlungsstrang des Romans gefiel mir allerdings ausnehmend gut. Und zwar geht es hier um den Sekretär Alvera, der für einen berühmten französischen Schriftsteller arbeitet. Als Alvera einen Mord begeht, dessen Motiv man als Leser gar nicht richtig nachvollziehen kann, bei dem sich herausstellt, das es auf der Grundlage des berühmten Werkes von Dostojewskis beruht, bietet dies einen interessanten Ausgleich, zu den drei Herren, die zwar eigentlich alle ein gemeinsames Ziel vor Augen haben, sich aber überhaupt nicht grün sind.
Auch wenn mich einige Passagen ein wenig ermüdet haben, der Roman umfasst etwas mehr als 609 Seiten, muss ich ihm seine Brillanz, vor allem unter der Berücksichtigung der Zeit, in der er verfasst wurde, zugestehen. Dass er nun immer noch aktuelle Züge aufweist, ist zwar nicht der weisen Voraussicht des Autors geschuldet, imponiert aber trotzdem.
"Der Anfang vom Ende"gehört zurecht zu einem für uns neu entdeckten Klassiker!
Mark Aldanow (1886 – 1957) verließ seine russische Heimat bereits 1919 und lebte dann überwiegend bis zu seinem Tod in Frankreich. Er war Zeitgenosse literarischer Größen wie Iwan Bunin (der ihn wiederholt für den Literaturnobelpreis vorschlug) oder Vladimir Nabokow. Der vorliegende Roman wurde 1943 in den USA unter dem Titel „The Fifth Seal“ erstveröffentlicht.
Der Rowohlt Verlag hat dieses Werk nun nicht nur erstmalig ins Deutsche übertragen, sondern es auch aufwändig und leserfreundlich mit vielen zusätzlichen Informationen ausgestattet. Zu erwähnen ist hier die hervorragende Übersetzung von Andreas Weihe, der auch zahlreiche Anmerkungen zum Text sowie ein Nachwort beigesteuert hat. Wer sich für Kunst und Berühmtheiten der Zeit interessiert, wird zahlreiche Erwähnungen und Erklärungen finden, die zu weitreichenderen Recherchen einladen. Darüber hinaus stimmt das überaus kluge Vorwort des russischen Autors und Journalisten Sergej Lebedew auf den Roman ein, indem Lebedew dessen Relevanz für das Verständnis der aktuellen Russlandpolitik aufzeigt. Das Schriftbild hat eine angenehme Größe, auch Französisch gehaltene Textstellen werden komplett übersetzt. Kompliment für diese Leserfreundlichkeit!
In einem Zugabteil treffen sich drei hochrangige Funktionäre der russischen Regierung, die aufgrund ihres Lebensalters dem Vaterland bereits unter verschiedenen Systemen gedient haben. Ihr Ziel ist Paris, jeder hat seinen eigenen geheimen Auftrag. Der Bolschewismus brodelt an vielen Stellen Europas, der Traum von der kommunistischen Vorherrschaft ist längst nicht ausgeträumt. Bei den drei Herren handelt es sich um den Berufsrevolutionär Wislicenus, den hochrangigen Diplomaten Kangarow und den Berufsoffizier Tamarin. Mit von der Partie ist die Botschaftssekretärin Nadeschda, die mehr oder minder von den drei Herren verehrt wird. Die Männer treffen im Laufe der nächsten Jahre immer wieder in Paris zusammen, sie müssen miteinander kooperieren, obwohl sie lebhafte Antipathien gegeneinander hegen. Gemeinsam ist ihnen die Angst vor dem unkalkulierbaren Stalin-Terror, der in der Heimat um sich greift und dem schon manch alter Weggefährte unschuldig zum Opfer fiel. Markant dabei: Die Methoden, unliebsame Dissidenten auszuschalten, unterscheiden sich heute kaum von den damals üblichen.
Als Leser begleiten wir diese drei Männer durch Europa, ein Großteil der Handlung ist im Paris der 1930er Jahre angesiedelt, wodurch wir einen vielschichtigen Blick auf die gehobene, privilegierte Pariser Gesellschaft erlangen, zu der auch der vermeintlich kommunistische Schriftsteller Louis Vermandois gehört, dessen Ruhm die Größe seines Geldbeutels bei weitem übersteigt. Seine Mäzenin, die Gräfin de Ballancombe, lädt regelmäßig zu opulenten Gesellschaften oder künstlerischen Salons ein, bei denen sich die russischen Protagonisten immer wieder begegnen dürfen. Ein weiterer Handlungsstrang behandelt die Mordtat des anarchistischen Schreibers Alvero, die an Dostojewskis Roman „Schuld und Sühne“ denken lässt und sich mit moralischen wie juristischen Dissonanzen auseinandersetzt. Der Übersetzer bezeichnet diesen Mordfall als Novelle innerhalb des Romans.
In der Tradition der großen russischen Romane bildet „Der Anfang vom Ende“ die Epoche der politisch wie gesellschaftlich bewegten 1930er Jahre ab. Jedes Kapitel wird aus der Sicht einer Figur erzählt. Dazu gehören Erinnerungen, Gespräche, Begegnungen, Innensichten, vergangene wie aktuelle Erlebnisse, die nicht chronologisch geordnet sind. Durch dieses bunte Potpourri an Perspektiven und Stimmungen werden Widersprüche, Wünsche und Sehnsüchte der Figuren aufgedeckt, die sich der Gefahr, in der sie latent schweben, bewusst sind. Aldanow widmet sich auch seinen Nebencharakteren mit großer Sorgfalt. Die Figurendarstellung macht den Roman, der zum Ende hin seine Spannung enorm zu steigern weiß, lebendig und kurzweilig.
Es ist faszinierend, wie früh der Autor als Zeitzeuge die Schattenseiten des Bolschewismus sowie seine Entwicklung zur Stalin-Diktatur kritisiert und Parallelen zu anderen faschistischen Regierungen in Deutschland, Spanien und Italien herausgearbeitet hat. Dabei ist die Tonlage des Romans vielseitig und leicht zugänglich. Die Bandbreite bewegt sich von ernsten politischen, teils kontroversen, Diskussionen über gesellschaftsphilosophische Gedanken hin zu leichtfüßigen, fast komischen Szenen und Dialogen. Diese gelungene Balance aus Historie mit hochaktuellen Bezügen und Humor habe ich überwiegend als sehr spannend und unterhaltsam empfunden. Manche Ausführungen hätten allerdings auch etwas kürzer sein dürfen. Immer wieder tauchen unglaublich weitsichtige, nachdenkenswerte Gedanken im Text auf, die die verschiedenen politischen Systeme gegeneinander abwägen und bewerten. Was war das für ein Gefühl, im demokratischen, wohlständigen Frankreich zu sitzen, während in großen Teilen Europas und Russlands die Faschisten ihr Unwesen trieben und Kriege wüteten?
Ich halte den Roman für eine gelungene Wiederentdeckung und gebe gern eine Leseempfehlung für diesen russischen Klassiker!
In seinem Roman “Der Anfang vom Ende” schickt Mark Aldanov eine lose Gruppe von Russen aus dem nachrevolutionären Russland in den Westen, genauer, nach Frankreich (meistens Paris). Auf der Zugfahrt u.a. durch das frühfaschistische Deutschland lernen sie sich kennen und bleiben im Folgenden während ihrer Jahre in Frankreich in relativ losem Kontakt zueinander.
Als zusätzliches Personal des Romans führt Aldanov zudem noch einige französische Figuren ein, die sich im Wesentlichen um den Schriftsteller Vermandois scharen bzw. in irgendeiner Beziehung zu ihm stehen.
Diese etwas zusammengewürfelte Gruppe von Figuren der 30er Jahre nutzt Aldanov dazu, um über Einblicke in deren Innenleben dem geistigen Zustand Europas in dieser Zeit eines heraufziehenden Krieges und zweier strikter und auf den ersten Blick gegensätzlicher Diktaturen nachzuspüren.
Es ist deshalb ein Roman, in dem nicht die Handlung im Mittelpunkt steht. Denn davon gibt es relativ wenig. Viel wichtiger sind die Innenansichten der Figuren, in denen sie oft monologisch ihre Situation angesichts der politischen Lage überdenken. Die russischen Vertreter treten dabei nicht ansatzweise als Verteidiger oder Missionare auf vom dem, was gerade in ihrem Land passiert ist: ein breit angelegtes gesellschaftliches Experiment (die bolschewistische Revolution), und das dazu dienen sollte, allüberall Nachahmer zu finden und die Welt nachhaltig zu verändern. Moskau steht für sie für die Bedrohung durch Observation und mögliche Verurteilung zu Lager oder sogar schlimmer, so wie es mit vielen Kollegen zeitgleich vor Ort tatsächlich geschieht. Die französischen Vertreter zeigen sich als nur sehr lau interessierte Beobachter dessen, was da in Russland geschieht. Ihre „linke“ Orientierung beschränkt sich auf Skepsis gegenüber Reichtum und kommt bei weitem nicht an eine revolutionäre Orientierung heran. Und so leben die Menschen in Frankreich als Nachbarn eines faschistischen, auf Krieg ausgerichteten Regimes und schauen mit wenig Interesse auf das weiter entfernte diktatorische Sowjetregime genauso wie sie für den Gegenentwurf Demokratie wenig Begeisterung und Einsatz zeigen. Überzeugungslosigkeit ist vielleicht das, was alle miteinander prägt und die Gesellschaft so in eine Katastrophe führt.
Diese Analyse Aldanovs ist so ungemein aktuell, dass die Neupublikation dieses vergessenen Romans nicht besser zeitlich platziert sein könnte. Man muss den Roman als gesellschaftlichen Analyseroman lesen und von ihm nicht die literarische Aufarbeitung der 30er Jahre in Frankreich/Russland suchen, dann ist er wirklich ein Glanzstück russischer Exilliteratur und mehr als wert, den Lesern heute neu angeboten zu werden. Ich gebe dicke 4 Sterne.
Europa Ende der 1930er Jahre. Den Menschen über 30 ist die Erinnerung des 1. Weltkriegs noch im Kopf und trotzdem rüsten sich die Länder erneut für den Kampf. In Spanien tobt der Bürgerkrieg (1936-1939), das faschistische Italien hat Abessinien (Äthiopien, 1935) überfallen und in Deutschland schickt sich ein Malergeselle an, die Welt zu erobern.
Es ist die Zeit der Neuordnungen, der Gesellschaftsreformen und der Suche nach diplomatischen Beziehungen. Stalin hat seine Sowjetische Union fest im Griff, sogenannte Säuberungswellen durchlaufen das Land und versetzen die Menschen in Angst und Schrecken.
Es ist das Ende der Zwischenkriegszeit, als sich ein Zug von Moskau Richtung Westen auf dem Weg macht. Das Ziel ist Paris und an Bord befinden sich drei Herren aus sehr unterschiedlichen Kreisen, doch alle mit russischem Auftrag im Gepäck. Botschafter Kangarow soll diplomatische Beziehungen knüpfen, das Militär in Form des ehelmailgen Weißgardisten Tamarin soll die Spanier in ihrem Krieg strategisch unterstützen und die Aufgaben des schwerkranken Bolschewisten Wislicenus bleiben unklar. Er arbeitet im Untergrund, doch wird der Jäger bald auch zum Gejagten.
Alle Drei hoffen, in Paris in Vergessenheit zu geraten, nur die junge, hübsche Botschaftssekretärin Nadja träumt von einer Schriftstellerkarriere in ihrer russischen Heimat. Das Leben in der Stadt der Lichter geht seinen Gang, Freud und Leid liegen dicht beieinander.
Aldanow beleuchtet die Gesellschaft in Paris ausführlich und nimmt sich Zeit, uns die Geschichte des französichen Schriftstellers Vermandois und seines Sekretärs Alvera, der schließlich einen Doppelmord begehen wird, zu erzählen. Es mutet wie ein Abschweifen von unseren eigentlichen Protagonisten an, doch wird bald deutlich, dass Aldanow exemplarisch die Irrungen und Wirrungen des Menschen im Angesicht der großen Unsicherheiten, die sich aus allen Richtungen anbahnen, wiedergibt und letztendlich auch unsere Hauptfiguren trifft.
Der 1896 in Kiew geborene Aldanow emigrierte schon 1919 selbst nach Paris, seiner jüdischen Abstammung geschuldet 1940 nach New York. Als Exilrusse verstand er die Sorgen und Nöte seiner Landsleute und hat mit diesem Roman ein Portrait seiner Zeit gezeichnet, das keine abgeklärte Rückschau ist, dafür vielmehr eine prophetische Weitsicht aufweist, die einem angesichts imperialistischer Bestrebungen aus dem Osten, kalte Schauer über den Rücken laufen lässt. Denn ähnlich Stalin, lässt auch Putin keine Zweifel an seinem Machtstreben.
Ein Vorwort von Sergej Lebedew vom Oktober 2022 und ein Nachwort von Andreas Weihe, der auch aus dem Russischen übersetzt hat, ordnen Text und Autor zielsicher ein. Lebedew schürte Erwartungen in mir, die der Roman scheinbar nicht einhalten wollte, doch mit ein wenig Bedenkzeit, war auch dieser Zwiespalt überwunden. Aldanow ist mir verständlicher als der viel bekanntere Boris Pasternak. Aldanow hat mich gut und nachvollziehbar unterhalten.
Die großen "Qs" im Text, mit ihren extralangen Unterschwüngen waren eine zwar seltene, dafür aber umso willkommener Augenoase für mich. Allerdings haben mich die auch in wörtliche Rede gesetzten Gedanken (gleiche Zeichensätze) manchmal aus dem Tritt gebracht. Ebenso die fränzösichen Textpassagen, die zwar auf der selben Seite, aber immer in der kleineren Schrift einer Fußnote übersetzt wurden, spielten dann wieder Ping Pong mit meiner Sichtachse.
Hochintellektuell, politisch, philosophisch, gesellschaftskritisch, für mich langweilig und verworren
Leider habe ich mich mit diesem Buch schwer getan und daran ist nicht die Handlungsarmut Schuld, auch nicht die vielen inneren Monologe, sondern für mich war in diesen keine klare Linie erkennbar. Zudem hat das Vorwort des russischen Schriftstellers Lebedew in mir falsche Erwartungen geweckt, es sei ein 'Werk, das den Mechanismus einer moralischen und historischen Katastrophe erforscht.' (10). Zwar wird dies thematisiert, ergab für mich aber kein deutliches Bild, sondern ein verworrenes. Zu viele Gedanken, zu viele Themen und dann auch noch eine Mordgeschichte mit Gerichtsverhandlung à la Dostojewski – ein imitierter Raskolnikow - , die zwar etwas Spannung hineinbrachte, deren Funktion im Buch für mich aber nicht erkennbar war.
Aldanow, Exilrusse, schrieb das Buch in den Dreißigern in Paris, aber es enthält zweifellos Sätze, Gedanken, Einsichten, die auf die heutige Zeit übertragbar sind. Nur sind sie leider in einem Wust anderer Gedanken und Vorkommnisse für mich zu versteckt gewesen und darin untergegangen.
Drei ältere Russen – Vertreter des Stalinregimes - reisen mit dem Zug von Moskau nach Paris, jeder mit seiner speziellen Aufgabe: der Diplomat Kangarin mit Ehefrau, der Militär Tamarin, der später nach Spanien in den Bürgerkrieg abkommandiert wird und der Berufsrevolutionär Wislicenus, dessen wirklichen Namen man nie erfährt und der möglicherweise eine geheime Aktion durchführen soll. Dabei ist auch Nadeschda, die junge hübsche Sekretärin, die allen dreien gut gefällt.
Wir verfolgen ihren Weg in der Pariser gehobenen Gesellschaft, wo auch der Schriftsteller Vermandois verkehrt, der mit den Kommunisten sympathisiert, aber in seiner Einstellung ein wenig schwankend ist. Nicht nur tauchen wir in die gedanklichen Innenwelten der Personen ein, es werden auch die Salongespräche ausführlich dargestellt. Dabei ergibt sich für mich kein klares Bild. Das mag zwar der Realität entsprechen, hätte aber für einen Roman mehr erkennbaren roten Faden haben dürfen. So war es mir leider zu viel an politisch-philosophischem Gerede. Aldanow schreibt selber, dass die Gedanken Kangarows 'sprunghaft, verworren und chaotisch' sind (540) und so empfinde ich das für viele Stellen im Buch.
Fazit
Meine Einschätzung: Aldanow kann schreiben, aber als Leser sollte man nicht das Gefühl haben, mit Gedanken überschüttet zu werden.
Was mich auch gestört hat, waren die vielen Stellen im französischsprachigen Original, die zwar als Fußnoten übersetzt waren, aber den Lesefluss störten, ebenso wie die Anmerkungen hinten, die die allzu vielen Verweise Aldanows auf literarische, politische und sonstige Personen und Sachverhalte erklärten.
Ich hätte mir mehr klarer erkennbare Mosaiksteinchen gewünscht, die zu einem besseren Verständnis der gegenwärtigen Weltlage beitragen, dem 'Gefühl der absoluten moralischen Katastrophe, die über Russland hereingebrochen ist, …' (Lebedew 17).
„Zu allen Zeiten haben die moralischen und politischen Bankrotteure verkündet, dass es nicht ihre Schuld war, wenn ihr Experiment schiefging, dass ihnen die Zukunft gehört, dass die Nachwelt ihnen recht geben, das die Geschichte ihr Urteil noch sprechen wird.“ (Zitat Seite 313)
Inhalt
Drei Herren im fortgeschrittenen Alter reisen gemeinsam in einem internationalen Botschaftswaggon mit der Bahn von Moskau nach Paris. Allerdings liegen unterschiedliche Aufgaben vor ihnen. Der Ökonom und Diplomat Kangarow-Moskowski blickt auf eine Parteikarriere in diversen politischen Konstellationen zurück. Nun wurde er endlich in den diplomatischen Dienst berufen und tritt in einer kleinen Monarchie den Posten als bevollmächtigter Gesandter an. Der ebenfalls mit einem Diplomatenpass mitreisende Agent, Spion, Revolutionär Wislicenus kann den Botschafter nicht ausstehen, doch in den kommenden Jahren treffen sie bei gesellschaftlichen Gelegenheiten immer wieder aufeinander. Was die beiden Herren mit dem dritten Mitreisenden gemeinsam haben, dem erfahrenen Militärexperten Konstantin Alexandrowitsch Tamarin, der dienstlich nach Paris reist, ist das Wissen, dass ein neuer Krieg knapp bevorsteht, dazu die innere Sorge, dass die stalinistischen Säuberungen in der Heimat auch sie treffen könnten und eine heimliche oder weniger heimliche Schwärmerei für die junge Botschaftssekretärin Nadeschda Iwanowna. Der bekannte, früher sehr erfolgreiche französische Schriftsteller Louis Etienne Vermandois steht ideologisch dem Kommunismus nahe, brilliert bei den Abendgesellschaften als literarisch gebildeter, sprachgewandter Redner und hält seine Zuhörer generell für dumm und ungebildet. Er schreibt gerade an einem geplanten Roman über das antike Griechenland, während sein Sekretär Alvera heimlich eine Waffe kauft und den perfekt nach Dostojewski inszenierten Mord plant. Sie alle drehen sich in diesen prägenden Jahren wie ein Karussell im Kreis. Sich ihren persönlichen Zweifeln an früheren Überzeugungen und ihrem Platz in der aktuellen politischen Lage stellend, klammern sie sich fest, hoffend, nicht zu stürzen.
Thema und Genre
Dieser Roman ist ein eindrückliches, vielschichtiges Zeitbild der späten 1930er Jahre, ein sozialkritischer, politischer Gesellschaftsroman mit überlegt und gekonnt gewählten Figuren, die nachvollziehbar für die jeweilige Meinung und das entsprechende Verhalten stehen und die Darstellung einer Vielfalt von essentiellen Themen ermöglichen. Es geht besonders um die Darstellung der unsicheren politischen Situation dieser Jahre, Russland unter Stalins Diktatur, Deutschland unter dem Führer Adolf Hitler und seinen Nationalsozialisten, Spanien im Bürgerkrieg. Auch die Literatur ist ein wichtiges Thema.
Charaktere
Es sind Figuren zwischen Hoffnung und Resignation, in ihren Ansichten und Bewertung des eigenen Verhaltens im großen weltpolitischen Zusammenhang rückblickend zerrissen und zweifelnd. „Wieder überkamen ihn die alten, inzwischen fast schon vertrauten schwermütigen Gedanken, dass alles umsonst gewesen war, dass das ganze Leben ein Irrtum war, dass von den früheren Überzeugungen fast nichts mehr übrig war, bei niemandem.“ (Zitat Seite 312)
Erzählform und Sprache
Ort der Handlung ist überwiegend die Stadt Paris in den späten 1930er Jahren. Die Handlung als Ganzes wird fortlaufend geschildert, wobei auch Zeiträume ereignislos übersprungen werden, dies aber für den gesamten Figurenkreis. Doch obwohl die Ereignisse im Leben der einzelnen Protagonisten chronologisch erzählt werden, besteht dieser Roman aus aneinander gereihten Episoden, Teilchen, die sich nicht unbedingt zusammenzufügen, sondern die Zerrissenheit dieser Jahre zeigen. Sie bleiben es Bruchstücke, die dennoch einem gemeinsamen Spannungsbogen folgen. Die Geschichte um Alvera, dem jungen Sekretär des Schriftstellers Vermandois, und den von ihm geplanten, perfekten, skrupellosen Mord nach literarischem Vorbild, wechselt zeitlich mit den andren Handlungssträngen ab, ist jedoch eine eigenständige, in sich abgeschlossene Erzählung.
Fazit
Es sind die langen inneren Monologe der einzelnen Figuren, ihre unterschiedlichen Bewertungen der politischen Situation, aber auch die intensive Hinterfragung des eigenen Lebens, sowie die literarischen und philosophischen Aussagen, die diesen Roman so interessant, spannend und lesenswert machen. Denn hier handelt es sich um ein Zeit- und Gesellschaftsbild direkt aus den 1930er Jahren, mit authentischen Beobachtungen und Aussagen, und nicht um den Bericht von heutigen Historikern oder Politwissenschaftlern. Was Mark Aldanow damals nicht ahnen konnte ist, wie sehr sich alles gerade jetzt, etwa neunzig Jahre später, wiederholt.
Kurzmeinung: Interessant, einmal einen Blick in die russische Exil-Literatur zu werfen.
Mark Aldanow (1886 in Kiew-1957 in Nizza), ein Schriftsteller, dessen Werke man unter die russische Exilliteratur rechnet, hat mit dem erstmals in deutscher Fassung vorliegenden Roman „Der Anfang vom Ende“ einen sozialpolitischen Roman geschrieben, der sich kritisch gegenüber dem Kommunismus/ Bolschewismus in der Sowjetunion ausspricht und auch gegen den deutschen Nationalsozialismus ins Feld zieht. Als der Roman 1943, mitten im Krieg, in New York unter dem Titel „The Fifth Seal“ erschien, wurde er vielbeachtet und bekam ihn frenetisch feiernde Rezensionen. Für die damalige Zeit sprach Mark Aldanow offene Worte.
Zum Inhalt:
Vier alternde Männer ziehen Resümee, philosophieren, politisieren und denken über ihre Vergangenheit nach und vage an ihre Zukunft, da ihnen schwant, dass davon nicht viel übrig bleibt. Kangarow ist ein Diplomat, der sein Mäntelchen nach dem Wind hängt und mit unklarer Order von Moskau nach Paris geschickt wird. Gleichzeitig fungiert er als Botschafter in einem nicht näher erklärten, daher fiktiven kleinen Königreich. Im Ausland liest er in den französischen Zeitungen mit Entsetzen von den in Moskau begonnenen stalinistischen „Säuberungen“, die nicht vor Lenins einstigen Kampfgenossen haltmachen.
Auch Wislicenus, ein Berufsrevolutionär, von dessen Revolutionsgeist nicht viel übrig geblieben ist, um nicht zu sagen gar nichts, fürchtet, von diesen Säuberungen erwischt zu werden. Doch Tamarin, ein alternder General, weiß, dass der Soldat beziehungsweise das Militär immer gebraucht werden wird, ganz gleich, welche politischen Ziele oder Ideale die obersten Heeresführer im Sinn haben mögen. Ihn verschlägt es in einer letzten Mission in das vom Bürgerkrieg erschütterte Spanien.
Ein in Paris gockelnder alter Schriftsteller, weit in seinen Siebzigern, Mr Vermendois, einst berühmt, muss jedem nach dem Mund reden, um seine nicht mehr so beliebten Schriften unters Volk zu bringen, er muss mit den Wölfen heulen, um seinen Lebensstandard aufrechterhalten zu können. „Wenn man unter Wölfen ist, muss man mit den Wölfen heulen“, das ist eigentlich der Leib-und Magenspruch des Diplomaten Kangarow, aber er trifft viel mehr auf den Schriftsteller zu. Denn verlegt, veröffentlicht und bezahlt zu werden hängt nicht nur mit der Qualität seines Schaffens zusammen, wie er wohl weiß, sondern vor allem mit seinem sozialen Status. Eine letzte Lesereise ist ein Fiasko, er scheint finanziell am Ende, da erhält er ein verlockendes Angebot aus Russland .
Der Kommentar und das Leseerlebnis:
Die geneigte Leserin braucht eine geraume Zeit, um im Roman richtig anzukommen und mit den Figuren warm zu werden. Sie erscheinen eben doch aus einem anderen Jahrhundert, daher gestelzt und geziert in ihrem Auftreten und ihrer Redeweise und sie haben den Blick stets auf sich selbst gerichtet; außerdem sind sie sich überraschend ähnlich und verfügen über wenige individuelle Züge. Sie sind auch nicht als Charakterbilder gedacht, sondern stehen für ihren Stand. Militär. Politiker. Berufsrevolutionär.
Mark Aldanow flicht in die Reden und Diskussionen der alten Herren gefühlt flächendeckend die französische und russische zeitgenössische Kultur ein, wovon zahlreiche Fussnoten zeugen. Wer sich also in der Kultur/Literatur des 19. Jahrhunderts und des gerade angehenden 20. Jahrhunderts zu Hause fühlt, wird viele alte Bekannte treffen oder, wenn er sich dort nicht auskennt, viele Hinweise erhalten, denen er bei Bedarf nachgehen kann. Diese Verweise und Fußnoten finde ich interessant. Dem damaligen Leser waren diese Bezüge freilich aus dem Effeff bekannt. Er brauchte keine Fußnoten, die Zeitgenossen verstanden jede Anspielung. Vorteil oder Nachteil? Leider doch ein Nachteil für den heutigen Leser.
Der Roman ist eigentlich handlungsarm und spult sich undramatisch ab. Der Fokus liegt auf den politisch-philosophischen Diskussionen aller mit allen, wobei der Schriftsteller Vermendois derjenige mit den klarsten und erhellendsten Gedanken ist, aber auch derjenige, der die längsten Monologe hält. Er erklärt dies sich selbst und seiner Zuhörerschaft damit, dass er schließlich zu den gesellschaftlichen Events eingeladen wird, um zu parlieren, er ist also eine Art Gesellschafter. Zu den heutigen Partys lädt man ein oder zwei extrovertierte Spaßvögel oder Ulknudeln ein, die Stimmung machen, damals jemanden, der geistreich parlieren kann – und das tut Vermendois: er kaut mir ein Ohr ab.
Das Undramatische, Unaufgeregte hat zwar auch einen gewissen Sog, aber das Gedankengut der vier Herren allein kann heute keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Wir wissen heute eben all das, was Mark Aldanow damals kaum zu denken und auszusprechen wagte.
Ich bin deshalb geneigt, „Mehr Drama, Baby“ hineinzurufen in den Roman, weiß aber, dass meiner Aufforderung kaum Folge geleistet werden wird. Oder vielleicht hat Aldanow aus der Zukunft meinen Ruf doch gehört, denn er schreibt eine Mörderposse in den Roman. Ein sehr junger Mann plant den perfekten Mord. Obwohl man mir sagt, dass diese „Novelle“ im Roman spezifisch russisch ist, eine Hommage an Dostojewski, der beschriebene Attentäter soll ein Aldanowscher Raskolnikow sein, bleibt dieser Mord plus Prozess meines Erachtens ein Fremdkörper im Text. Dostojewski ist sowie so nicht mein Fall.
Zu meiner großen Überraschung erweist sich am Ende der eitle Gockel Vermendois als einziger Held, fast wider Willen. In einer Gemengelage von Trägheit, Dummheit, Scharfsichtigkeit und Idealen, ist er der einzige, der fast ständig gegen seine eigenen Interessen handelt und endlich sogar die Fahne der Tugend hochhält. Vivat auf die Literatur! Ob sich Aldanow mit Vermendois identifizierte?
Das Vorwort des Romans ist wuchtig, das Nachwort informativ. Aber ich bewerte den Roman, nicht sein Zubehör.
Fazit: Der Roman „Der Anfang vom Ende“ ist ein hochwertig komponierter Roman, das schon, der jedoch aufgrund seiner plakativen Figuren und seiner rein auf die Vergangenheit bezogenen politisch-philosophischen Dialoglastigkeit, heute nicht mehr punkten kann und quasi überholt ist. Sowohl über den Nationalsozialismus wie auch über den in der Sowjetunion praktizierten Kommunismus, wissen wir schließlich Bescheid. Auch die Handlungsarmut und der weitgehende Verzicht auf dramatische Effekte sind unmodern. Als literaturgeschichtliches Zeitzeugnis bleibt der Roman jedoch zeitlos und wertvoll.
Kategorie: Exilliteratur.
Verlag: Rowohlt, 2023
Politik und Ideologie
Mark Aldanows Roman „Der Anfang vom Ende“ fasziniert besonders als Zeitzeugnis, denn er betrachtet den Niedergang Europas und die Gräueltaten der in Sowjetrussland, Deutschland, Spanien und Italien erstarkenden Diktaturen aus einer gleichzeitigen Perspektive, die ersten Teile des Romans entstanden laut dem sehr informativen Nachwort von Übersetzer Andreas Weihe immerhin schon 1936. Liest man „Der Anfang vom Ende“ also weniger als Roman, sondern eher als historisches Dokument, dass nicht nur Bezug auf historische Personen und Ereignisse nimmt, sondern vor allem auch die verschiedenen Perspektiven, ideologischen Geisteshaltungen und politischen Ansichten einander gegenüberstellt und vergleicht, dann ist der Roman eine sehr gewinnbringende Lektüre. Aldanow ist äußerst belesen, zahlreiche Bezüge zur russischen Literatur bevölkern den Text, sodass man sich sehr über die ausgezeichneten Anmerkungen des Übersetzers freut. Auch wenn das ständige Hin- und Herblättern den Lesefluss etwas störte, möchte ich die vielen Hinweise doch nicht missen, da sie die Lektüre sehr ertragreich machten.
Wenn ich aber das Faszinosum der Entstehungszeit dieses durchaus in seinen Kernaussagen noch immer aktuellen Romans ausklammere, bleibt eine eher trockene Lektüre zurück. Aldanow baut ein Figuren-Sextett auf, zwischen dem die eher limitierte Handlung hin- und hergleitet. Es gibt einen kranken, alten Revolutionär mit Decknamen, einen peinlich-verliebten Botschafter mit gelben Augen (diese werden ca. 100 mal zu oft erwähnt), einen alternden, kreuzworträtselnden General, einen Schriftsteller, der sich am liebsten selbst reden hört, aber nichts Gescheites mehr zu Papier bringt, einen anarchistischen Mörder und eine betörende Nadia, der alle älteren Herren zu Füßen liegen. Der Roman folgt den Geschicken dieser Figuren, aber der Fokus liegt ganz klar auf den ideologischen, philosophischen und politischen Einstellungen der älteren Männer, die diese vorzugsweise bei einem der unzähligen Abendessen oder auch einer weiteren Soirée sehr ausführlich zum Besten geben. Zwar sind diese Einschätzungen überhaupt nicht uninteressant und vor allem perfekt auf die jeweilige Figur zugeschnitten, aber unterhaltsam ist die Lektüre solcher als Gespräch getarnten Traktate dennoch nicht. Irgendwann setzt eine gewisse Ermüdung und Redundanz ein, ohne den Handlungsstrang des Mordes und der Gerichtsverhandlung wäre der Roman schon sehr langatmig geworden.
Dieser Hang zur ausufernden Mitteilsamkeit wird denn auch nicht die Handlung oder die Figuren ausgeglichen. Aldanow interessiert sich kaum für einen Spannungsaufbau und seine Figuren sind charakterlich nicht sehr interessant, sie dienen mehr als Vehikel für eine zu äußernde Meinung. So verschwindet die Hälfte der genannten Protagonisten zwar gewaltsam, aber auf merkwürdige Weise recht unspektakulär aus dem Roman. Bei aller Innensicht und evozierter Bedrohung lässt einen der Roman doch recht unbeteiligt zurück. Er ist – auch wenn es ein seltsames Wort ist, um Literatur zu beschreiben – irgendwie unterkühlt.
Die Lektüre von „Der Anfang vom Ende“ empfiehlt sich dennoch, wenn man sich für die historische Komponente und die politische Diskussion begeistern kann. Als Roman ist er sicherlich hervorragend konzipiert, er kann nur leider nicht fesseln.