Das Gewicht eines Vogels beim Fliegen: Roman
„Jahre schon trug sie diese Geschichte mit sich, in allen Details. Jedes ihrer Bücher hätte dieses werden müssen – und war dann doch ein anderes geworden.“ (Zitat Seite 12)
Inhalt
Es ist eine kleine Statuette des Bildhauers Constantin Avis, eine Frau oder ein aufsteigender Vogel, die fest in den Gedanken der Schriftstellerin Dora verankert ist. Eng mit dieser Figur verbunden ist eine Geschichte, die 1926 in New York beginnt und zu einem Prozess über die Frage führt, was der Unterschied zwischen Gebrauchsgegentand und Kunst ist und wer dies bestimmt. Damenwahl, so soll Doras Buch heißen und als sie zu Frühlingsbeginn in Santa Margherita Ligure eintrifft, spürt sie, dass sie hier, an der ligurischen Küste, dieses Buch schreiben wird.
Thema und Genre
In diesem Roman geht es um Künstlerleben, den Schaffensprozess von bildenden Künstlern und Schriftstellerin, um de Traum vom Erfolg und die Definition von Kunst. Ein Teil der Geschichte spielt in der schillernden Stadt New York in den 1920er Jahren, kultureller und gesellschaftlicher Treffpunkt zwischen Stummfilm und Beginn der Tonfilmära. Themen sind auch Gefühle, Beziehungen und Künstler als Eltern.
Erzählform und Sprache
Die Geschichte wird auf zwei Zeitebenen erzählt, einerseits die Geschichte des jungen Künstlers Constantin Avis, der 1926 nach New York kommt, um in einer Galerie an der Eröffnung einer Ausstellung mit seinen Skulpturen teilzunehmen. Über die damit verbundene Geschichte schreibt die Schriftstellerin Dora nun, beinahe einhundert Jahre später, ein Buch. Eine Auszeit im Frühling an der ligurischen Küste gibt ihr den künstlerischen Freiraum, den sie benötigt, während sich das Kindermädchen um Doras achtjährigen Sohn Loris kümmert. In ihren Gedanken taucht sie in das Leben von Constantin Avis ein, Episoden, Musik und Worte verbinden sich in der Gegenwart zu der Geschichte, die sie nun endlich niederschreiben kann. Grigorceas Sprache ist leicht wie ein italienischer Frühlingstag und lebhaft, wie New York in den 1920er Jahren.
Fazit
Grigorceas Roman „Die nicht sterben“ hat mich 2021 begeistert und ich wartete schon mit gespannter Vorfreude auf diesen neuen Roman. Analog zum Thema, was Kunst wirklich ist, frage ich mich gerade, wo die Grenze zwischen Unterhaltungsroman und Gegenwartsliteratur liegt, denn dieser neue Roman geht meiner Meinung nach leider nicht über die Stufe Unterhaltungsroman hinaus. Es ist ein angenehm zu lesender Roman auf zwei Zeitebenen, der biografische Fakten aus dem Leben des rumänisch-französischen Bildhauers Constantin Brâncuși in eine fiktive Romanhandlung einbettet. Romane dieser Art sind zur Zeit ein sehr beliebtes Genre, es kommen viele davon auf den Markt, und so wird auch dieses Buch begeisterte Leserinnen finden – ich hatte mehr erwartet.
Zu viel Leichtigkeit
1926 kommt der Bildhauer Constantin Avis in New York an. Das Blitzlichtgewitter leuchtet nicht für ihn als er von Bord geht, sondern für die atemraubende Alsa Fantonie, die Filmschauspielerin, die Avis schon lange verehrt. Der Kunstmäzen und Galerist Max Milner, hat Avis persönlich aus Paris einschiffen lassen, weil er den Bildhauer protegieren will.
Während Avis sich auf die Suche nach seinem Hotel macht, kommt die Schriftstellerin Dora und Erfinderin Avis, in ihrem an. Sie lebt im Jahr 2020, hat ein Auslandsstipendium, im sommerlichen Ligurien bekommen und frönt ihrer Idee, sich schreibend auf die Frage, was Kunst ist, zuzubewegen. Ihr achtjähriger Sohn und sein Kindermädchen Macedonia begleiten sie.
Während Macedonia, Doras Sohn beschäftigt, bleibt der Schriftstellerin genügend Zeit ihre Umgebung zu beobachten. Die ockerfarbenen Vorhänge ihres Zimmers bewegen sich sanft im Wind und werden sogleich bildlich nach New York transportiert, wo sie in Avis Hotelzimmer ähnlich wehen. Was Avis veranlasst, die Galerie seines Gönners aufzusuchen. Dort angekommen, lernt er die kesse Lidy kennen, die sich erfahrungsreich um das Interieur kümmert. Gut gelaunt lädt er sie zu einem Drink ein, nicht ahnend, dass er nicht, wie vermutet, die Tochter des Galeristen vor sich hat. Am Ende des Abends erfährt Avis, dass sein Gönner kürzlich verstorben ist.
Fazit: Die Autorin hat ein buntes Potpourris an Szenen entstehen lassen. Die Sprache ist quecksilbrig und flatterhaft. Der Charakter Avis tänzelt mit einer Leichtigkeit durch die Sinnbilder, die erahnen lässt, dass er noch nie, vom Ernst des Lebens gebeutelt wurde. Mir fehlten bei Avis die Konturen. Unklar blieb auch, welche Stelle Regis in Doras Leben füllte. War er ihr Freund, Geliebter? Zuerst fand ich den Roman arg amüsant. Zum Ende hin nervte mich diese, nicht enden wollende Leichtigkeit. Dann hat die Autorin noch ein Fass aufgemacht, um auf die Frage, was Kunst ist, zurückzukommen, das eigentliche Ansinnen des Romans, indem sie einen Prozess beschrieb. Etwas weniger vom Leichten, eine Prise Ernst, hätte, für mich mehr sein können.