Auggie Wrens Weihnachtsgeschichte
Oh, wie wundervoll!!!
Ich habe es geahnt und sofort gewusst, als ich die ersten Sätze des gerade einmal 47- seitigen Bändchens von Paul Austers "Auggie Wrens Weihnachtsgeschichte" zu lesen begann, es wird einfach großartig werden:
" Ich habe diese Geschichte von Auggie Wren gehört. Da Auggie darin keine allzu
gute Figur macht, jedenfalls keine so gute, wie er es gerne hätte, hat er mich
gebeten, seinen richtigen Namen zu verschweigen. Im Übrigen aber entspricht die
ganze Sache mit der verlorenen Brieftasche und der blinden Frau und dem
Weihnachtsessen genau dem, was er mir erzählt hat."
So schnell ist man leider schon am Ende dieses kurzen Lesevergnügens, in dem der o.g. eine, nach seinen Worten wahre Geschichte verrät, die sich -beginnend an seinem Arbeitsplatz, einem Zigarrengeschäft in Brooklyn- tatsächlich zugetragen haben soll. Auggie erzählt diese Geschichte, nachdem Paul Auster -als jahrelanger treuer Kunde und Liebhaber der dort erhältlichen Zigarren- von Auggie als berühmte Person erkannt und nun als Mann von Rang, als würdig erschien, eben diese Geschichte erfahren und schreiben zu dürfen...
Selbst wenn das Buch im Titel den Namen Weihnachtsgeschichte trägt, kann man es jederzeit lesen, ist es doch in seiner Kürze ein perfekter Tröster für eine winzig kurze Auszeit. Last but not least tragen die wundervollen Schwarzweißaufnahmen im Buch, die szenisch das Leben im Viertel rund um den beschriebenen Zigarrenladen (Brooklyn, NY) einfangen ebenfalls dazu bei, sich in dieser kurzen Geschichte ganz und gar zu verlieren und sich zu wünschen, sie wäre nicht schon so schnell zu Ende!
Ganz klar, absolute Leseempfehlung, fünf++!
Zeit zum Innehalten
In der Court Street in Brooklyn, da ist ein kleiner Laden. Dort steht Tag ein, Tag aus Auggie Wren hinter dem Ladentisch und verkauft Rauchwaren. Auggie ist ein unscheinbarer kleiner Mann, so wie viele Verkäufer ein alltäglicher Begleiter unseres alltäglichen Lebens, denen wir weder Gesicht noch Namen geben. Paul kauft dort immer wieder seine holländischen Zigarren. Auch Paul verschwendet keinen Gedanken an Auggie, bis dieser Paul anspricht, ihm seine Fotosammlung zeigen will.
Paul, das ist Paul Auster, ein Schriftsteller, den ich liebe und verehre. Paul Auster, der mich mit seinem epochalen Werk 4321 auf über tausend Seiten in seinen Bann ziehen konnte, ist auch ein Meister der Miniatur. Eine Weihnachtsgeschichte, was soll das sein, ein „grässlicher Erguss von heuchlerischem Schmalz und süßlichem Kitsch“, wie Paul Auster befürchtet, als er eine solche für die New York Times schreiben soll. Aber die besten Geschichten schreibt das Leben und Auggie Wren erzählt dem Schriftsteller eine solche. Ist diese Geschichte wahr, hat Auggie Wren sie erfunden, hat Paul Auster sie erfunden, hat Paul Auggie erfunden? Wen kümmert’s. Es ist eine Geschichte zum Innehalten, ein literarisches Konfekt für stille Zeiten, eine kleine Freude und zärtlicher Trost. Manchmal braucht es da nicht mehr.