Aufs Land: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Aufs Land: Roman' von Rachel Cusk
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Aufs Land: Roman"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:368
Verlag: Malik Verlag
EAN:9783890291147

Rezensionen zu "Aufs Land: Roman"

  1. 4
    14. Okt 2024 

    Sadie Jones Aufs Land

    Die Geschichte setzt im Jahr 2005 ein und endet im Frühjahr 2010 und wird aus der Perspektive zweier anfangs siebenjähriger Kinder erzählt. Amy und Lan leben in den englischen West Midlands auf einem Bauernhof, gemeinsam mit Hühnern, Schafen, Ziegen, Katzen und einer Kuh. Es sind drei Familien, die gemeinsam versuchen, den heruntergekommenen Hof zu bewirtschaften und ihren Traum vom Landleben zu verwirklichen. Das hätte kitschig werden können, ist es aber nicht.
    Aus der kindlichen Perspektive heraus erzählt, erlebt man ihren Alltag mit den vielen kleinen Freuden und Abenteuern. In die Schule gehen sie nicht so gerne, lieber helfen sie bei der Heuernte.
    Je älter die beiden Kinder werden, umso mehr nehmen sie die Probleme der Erwachsenen wahr, die Spannungen zwischen den Erwachsenen und den finanziellen Sorgen, die so ein heruntergekommener Bauernhof mit sich bringen kann. Es fehlt nicht nur an fachmännischen Wissen, sondern auch an Geld. Die Überlegung, Bed & Breakfast anzubieten, kommt auf. Ein kleines Gebäude wird als Ferienunterkunft umfunktioniert, Möbel gekauft und die ersten Gäste aus der Stadt kommen. Deren erste Begeisterung für das idyllische Landleben lässt nach, als der Sohn Toby beim Versteckspiel verunglückt.
    Auch die unbeschwerte Kindheit von Amy und Lan wird von der Realität eingeholt.
    In der Geschichte geht es um Lebensträume, um Geld, dem manchmal auch Träume geopfert werden müssen, um zwischenmenschliche, sich verändernde Beziehungen und letztendlich auch um die Naivität von Städtern, die an das ländliche Idyll glauben und die Probleme nicht sehen wollen.
    Den Roman habe ich recht gerne gelesen, auch wenn die beiden Erzählperspektiven sich zu sehr ähnelten,sich der Erzählton nicht groß unterscheidet und sich manches in die Länge zog.

  1. Ganz große Erzählkunst

    Die Erwachsenen haben Holz und Grünschnitt auf einen Haufen geworfen. Es ist Halloween in Frith, auf dem Stück Land, auf dem sie nahezu autark leben. Die siebenjährigen Amy und Lan halten die Spannung, bis der Stapel endlich brennt, kaum aus. Sie sind die ältesten Kinder der drei Familien und dann ist da noch Finbar, der jedes Instrument spielen kann und die stille Em, die sich gerade von ihrem Mann getrennt hat, ja, und die ganzen Tiere.

    Amy und Lan rennen nach draußen, hintereinander her. Der nasse Boden vermischt mit Tierdung unter ihren Stiefeln, macht diese Schlatsch-Geräusche. Amy klettert auf den Schober und greift die Axt, die schwerer ist, als sie dachte, wirft sie runter und trifft Lans Schuh. Sein Gesicht wird weiß, dann schreit er. Das Beil ist sauber in den Schuh gefahren, gleich hinter der Schnittkante strahlen seine kleinen weißen Zehen, unversehrt. Amy hat sie nicht getroffen, sie springt vom Schober, greift herzhaft den Stiel und zieht die Klinge aus Lans Schuh.

    Als Harriet mit Lan schwanger war, sah sie eine Anzeige in der Lokalpresse: Traditioneller Nutztierhof, Bauernhaus mit fünf Zimmern. Sie brauchte ihren Adam nicht lange zu überreden. Seine Zeit als Schauspieler hatte er hinter sich. Auch ihre beste Freundin Gail und ihr Mann Jim waren sofort begeistert. Jim hatte seinen Architektenjob an den Nagel gehängt und eine Tischlerlehre hinterhergeschoben. Und dann kamen noch Rani und Martin mit hinzu. Sie bauten das Haus und die Ställe aus, bis jede Familie ein Zuhause hatte. Erst dann fingen die Geldsorgen an und die Nickeligkeiten zwischen Amys und Lans Eltern.

    Fazit: Wow! Habe ich das gerne gelesen. Sadie Jones hat eine Geschichte über Kindheit und Freundschaft geschrieben, wie ich sie noch nie gelesen habe. Sie widmet jedes Kapitel im Wechsel der Sicht ihrer Protagonist*innen Amy und Lan. Sie zeigt auf ganz und gar sinnliche Art, wie die beiden ihren Alltag erleben, welchen Unsinn sie machen und wie gerecht die Erwachsenen darauf reagieren. Alle Kinder unterschiedlichen Alters leben in diesem Verbund. Die Autorin hat eine so schöne, Welt geschaffen, dass ich voller warmer Gefühle bin. Die Erwachsenen dagegen haben ihre ganz eigenen Befindlichkeiten und Heimlichkeiten, die das ganze schöne Konstrukt zu Fall zu bringen drohen. Das Ende der Geschichte hat mich umgehauen und nachhaltig beschäftigt. Dieses Lenken meiner Gefühle, das ist ganz große Schreibkunst.