Inhaltsangabe zu "Arthur Gordon Pyms Abenteuer: Roman"
Arthur Gordon Pym ist voll jugendlicher Abenteuerlust und Leichtsinn und möchte um jeden Preis die große, weite Welt sehen. Mithilfe seines besten Freundes wird er blinder Passagier auf dem Walfänger ›Grampus‹. Aber als die Besatzung eine Meuterei anzettelt, muss er, eingesperrt im Bug des Schiffes ohne Wasser und Brot, um sein Leben bangen. Doch die Rettung im letzten Moment ist erst der Anfang: Schiffbruch, Kannibalismus und Begegnungen mit blutrünstigen Insulanern erwarten Arthur auf seiner haarsträubenden Odyssee ans Ende der Welt.
Ein spannender Seeabenteuerroman in feinem Gewand
Edgar Allan Poe (1809 – 1849) war mir bislang nur durch seine Schauerschichten und Erzählungen ein Begriff, gilt er diesbezüglich doch als Vorbild amerikanischer Literatur. Größen wie Melville, Vernes und Lovecraft sollen durch ihn zu ihren Werken inspiriert worden sein. „A. G. Pyms Abenteuer“ ist Poes einziger Roman. Die ersten Kapitel erschienen bereits 1837 im Southern Literary Messenger, einer monatlich erscheinenden Zeitschrift, sie wurden jedoch aufgrund Poes dortiger Kündigung nicht fortgesetzt. Die Buchausgabe erschien zwei Jahre später.
Das Buch liest sich über weite Teile wie ein spannender Abenteuer- oder Entwicklungsroman. Es hat 26 kurze Kapitel mit auf den Inhalt einstimmenden Überschriften, dazu ein Vorwort sowie eine Nachbemerkung „des Herausgebers“. Im Zentrum steht der Ich-Erzähler Arthur Gordon Pym, den im beschaulichen Nantucket der Hafer sticht, so dass er sich als blinder Passagier auf einem alten Walfänger einschleusen lässt. Sein Freund Augustus ist ebenfalls mit von der Partie, weil dessen Vater dem Schiff als Kapitän vorsteht. Pyms versteckter Aufenthalt im Laderaum wird ihm fast zum Verhängnis, als eine Meuterei an Bord ausbricht. Der Held ist quasi lebendig begraben, muss Hunger und Durst leiden, bis er sogar an seinen Verstand zu zweifeln drohtt. Kurz vor knapp erfolgt die Rettung. Die Freude währt aber nur kurz, weil ein schwerer Sturm ausbricht, der die letzten Überlebenden erneut in eine Katastrophe führt.
Pym gerät von einem unglaublichen Abenteuer ins nächste. Der Roman gibt sich dabei wie ein Tatsachenbericht aus, immer wieder liefert Pym persönliche Erklärungen, schildert seine Verzweiflung und seine Leiden. Das verleiht dem Text eine unterhaltsame Authentizität und lässt das Geschehen trotz aller Unglaubwürdigkeiten in gewisser Weise glaubwürdig wirken - Es könnte schließlich so gewesen sein. Viele Erlebnisse sind zudem mit Zeit- und Ortsangabe versehen (Längen- und Breitengrade), es werden auch Bezüge zu historisch belegten Fahrten berühmter Entdecker in die Antarktis hergestellt.
Pyms Abenteuer lassen kaum etwas Schreckliches aus. Alles, was einem Helden auf See zustoßen kann, muss Pym durchleben. Poe zeigt hier seine einzigartige Vorliebe für Horror- und Schauergeschichten: Es gilt Ängste auszustehen, sich gegen mächtige Feinde zur Wehr zu setzen oder manchen Ekel zu überwinden. Geisterschiffe, Untote, Kannibalismus und Übermenschliches sind auch mit von der Partie.
Natürlich stehen stets die titelgebenden Abenteuer des Helden im Fokus. Flankiert wird dieses atemlose Geschehen aber auch von beeindruckenden Schilderungen des Alltags sowie der Tücken und Gefahren auf hoher See. Sehr bildlich wird das Meer mit seiner Tier- und Pflanzenwelt beschrieben. Die Menschen rücken in eine weitgehend unberührte, faszinierende Natur vor. Der Protagonist erfreut sich an der üppigen Tierwelt, erlebt aber auch mit, wie sie um des schnöden Mammons willen rücksichtslos gejagt wird. Der Roman zeigt die archaische Realität der Seefahrt, er ist sicher kein Buch für Naturromantiker.
Am Ende kommt es zum großen Showdown, der alle bestehenden Stereotype bezüglich Schwarz und Weiß bedient – man muss den Roman unbedingt vor dem Hintergrund seiner Entstehungszeit lesen.
Die Rezeption des Werkes fiel bei Erscheinen durchwachsen aus, zeitweise hat sich Poe sogar selbst von seinem Werk distanziert, wie wir aus dem informativen Nachwort erfahren. Heutige Leser haben mehr Distanz zum Geschehen, können auch fantastische Elemente wahrscheinlich besser einordnen. Arthur Gordon Pyms Welt ist nicht mehr die unsrige. Der Verlag hat sich durch zahlreiche Anmerkungen zum Text bemüht, dem kompetent Rechnung zu tragen.
Gerne lässt man sich auf diesen rasanten, atemlosen und vor allem gut geschriebenen Abenteuerroman ein. Menschen, die von der Seefahrt fasziniert sind, werden sich gewiss noch stärker angesprochen fühlen. Ein paar kleine Unstimmigkeiten in der Handlung haben mich nicht gestört, die Neuübersetzung von Andreas Nohl halte ich für hervorragend gelungen.
Ich freue mich, dass ich durch diesen kurzweiligen Klassiker Edgar Allan Poe nun endlich kennengelernt habe. Die vorliegende Ausgabe des DTV wurde sehr ansprechend mit Lesebändchen gestaltet und passt vom Design her zu den beiden bereits erschienenen Werken Poes „Unheimliche Geschichten“ (2017) und „Neue unheimliche Geschichten“ (2020).
Große Lese-Empfehlung!