Kurzmeinung: Ich hab mich amüsiert - ob es das ist, was Cummins wollte, bezweifle ich.
Als der mexikanische Journalist Sebastian Perez Delgado in einer Zeitung Acapulcos ein authentisches Porträt über den hiesigen Drogenboss Javier Crespo Fuento schreibt und veröffentlicht, welches sowohl dessen humane und zarte Seiten beleuchtet wie auch seine grausamen, ahnt der Journalist nicht, dass er dafür teuer wird bezahlen müssen. Denn seine Frau Julia besitzt eine kleine Buchhandlung und hat sich in dieser mit dem Drogenboss angefreundet, ohne zunächst zu wissen, wen sie vor sich hat. Sebastian und Julia sind sich einig, dass der Artikel so fair ist, dass Javier ihn nicht übelnehmen wird und deshalb auch nicht seine Todesschwadronen ausschwärmen lassen wird. Und damit haben sie einerseits recht, Javiel fühlt sich zunächst sogar geschmeichelt: freilich haben Julia und Sebastian nicht bedacht, was dieser Artikel für Javiers Frau und seine heranwachsende Tochter bedeuten wird. Javier ist deshalb ausser sich.
Und plötzlich ist Julia mit ihrem kleinen achtjährigen Sohn Luca auf der Flucht. Wenn sie es in die USA schaffen, sind sie gerettet, aber wenn Javier sie vorher in die Finger bekommt, werden sie beide sterben.Und Javiers Männer sind überall; ganz Mexiko ist in den Händen diverser Kartelle. Ihnen versuchen auch die anderen mexikanischen Migranten zu entkommen. Aber Javiers Motive, Julia zu finden, sind persönlich, er wird deshalb nicht so schnell aufgeben, er wird nichts unversucht lassen. Ein atemloses Abenteuer hat begonnen, an dessen Ende entweder Leben oder Tod steht.
Der Kommentar und das Leseerlebnis:
Jeanine Cummins schreibt aus personaler Sicht, abwechselnd aus Luca und aus Julias Perspektive. Demgemäß haben Cummins Schilderungen immer wieder etwas Kindliches an sich oder auch etwas unfreiwillig Komisches. Das macht den Charme des Romans aus, kann aber auch als seine Schwäche ausgelegt werden, je nach Lesart. Der Roman kann als Abenteuerroman durchgehen. Früher abenteuerte man mit Winnetou und Old Shatterhand oder fuhr mit Huckleyberry Flüsse hinunter, heute abenteuert man mit den Migranten. Warum nicht? So ganz ernst nehmen kann ich Cummins Roman jedoch nicht. Dazu läuft es trotz aller Unbill zu glatt, die Protas sind unverletzlich und der Stil ist zu gefällig. Authentisch? Nicht so richtig.
Die Grausamkeiten und Unmenschlichkeiten, denen die Flüchtlinge begegnen, nicht nur Julia und Luca, sondern alle die vielen Hunderte von Menschen ... die Korruption der Polizei, die regelrecht Menschenjagden auf die Migranten veranstaltet, die Migranten, die illegal auf Güterzüge aufspringen und nach „el norte“ reisen, der Verrat der Einheimischen, die Rechtlosigkeit der Menschen, die sich nirgendwo beschweren können, die Entführungen und Erpressungen durch die Kartelle und Gangs, die Vergewaltigungen, der Hunger, der Durst, die Wanderungen durch die Wüste, die Unfälle – alles wird gemildert durch die kindliche Sicht. Und doch bleibt etwas Ernstes übrig und lässt die Leserschaft Empathie mit den Menschen empfinden, die aus unterschiedlichsten Gründen ihre Heimat verlassen mussten. Auf der Reise sind böse und gute Menschen zusammengewürfelt. Luca und Julia scheitern und stehen wieder auf. Ja, das ist ein wenig naiv. Man kann die Helden nicht wirklich umbringen, das geht nicht, das ist wie im Heldenfilm. Dann wäre der Film zu Ende. Nein, das Happyend ist programmiert. Vielleicht ist es da, was man dem Roman vorwerfen muss. Der Roman wirkt naiv. Da beisst die Maus keinen Faden ab, dennoch mag ich ihn.
Cummins zeigt uns dennoch diverse Migrantenschicksale. Dass sie dabei ein wenig auf die Tränendrüse drückt und gelegentlich pathetisch-sentimental bis kitschig rüberkommt, verzeihe ich für diesmal. Der Autorin gelingt es nämlich die Spannungskurve immer wieder hochzuhalten, eben, weil "American Dirt" eben eigenlich "nur" ein Abenteuerroman ist und nur bedingt, sagen wir mal so, erst auf zweiter Schiene die Migrantenschiene bedient - und uns die Autorin durch den süßen und tapferen Luca bezaubert. Die Sprache ist schlicht, aber immer angemessen.
Fazit: Sicher ein in gewisser Weise überzeichneter Abenteuer-Roman, dem die Gefahr droht ins Kitschige abzugleiten, der aber gut unterhält und Empathie weckt. Vielleicht ist das Thema zu ernst für Cummins eher naiv-süffige Schreibweise, andererseits ist der Roman auf diese Weise auch ganz hervorragend für Kinder ab 12 oder 13 geeignet, um sie mit leichterer Hand an die Thematik heranzuführen und sie nicht gleich mit der ganzen wuchtigen Dramatik der Migration zu erschlagen.
Kategorie: Abenteuerroman. Geeignet ab 13 Jahren
Hachette USA Company, 2019
Mexikanisches Abenteuer
Kurzmeinung: Ich hab mich amüsiert - ob es das ist, was Cummins wollte, bezweifle ich.
Als der mexikanische Journalist Sebastian Perez Delgado in einer Zeitung Acapulcos ein authentisches Porträt über den hiesigen Drogenboss Javier Crespo Fuento schreibt und veröffentlicht, welches sowohl dessen humane und zarte Seiten beleuchtet wie auch seine grausamen, ahnt der Journalist nicht, dass er dafür teuer wird bezahlen müssen. Denn seine Frau Julia besitzt eine kleine Buchhandlung und hat sich in dieser mit dem Drogenboss angefreundet, ohne zunächst zu wissen, wen sie vor sich hat. Sebastian und Julia sind sich einig, dass der Artikel so fair ist, dass Javier ihn nicht übelnehmen wird und deshalb auch nicht seine Todesschwadronen ausschwärmen lassen wird. Und damit haben sie einerseits recht, Javiel fühlt sich zunächst sogar geschmeichelt: freilich haben Julia und Sebastian nicht bedacht, was dieser Artikel für Javiers Frau und seine heranwachsende Tochter bedeuten wird. Javier ist deshalb ausser sich.
Und plötzlich ist Julia mit ihrem kleinen achtjährigen Sohn Luca auf der Flucht. Wenn sie es in die USA schaffen, sind sie gerettet, aber wenn Javier sie vorher in die Finger bekommt, werden sie beide sterben.Und Javiers Männer sind überall; ganz Mexiko ist in den Händen diverser Kartelle. Ihnen versuchen auch die anderen mexikanischen Migranten zu entkommen. Aber Javiers Motive, Julia zu finden, sind persönlich, er wird deshalb nicht so schnell aufgeben, er wird nichts unversucht lassen. Ein atemloses Abenteuer hat begonnen, an dessen Ende entweder Leben oder Tod steht.
Der Kommentar und das Leseerlebnis:
Jeanine Cummins schreibt aus personaler Sicht, abwechselnd aus Luca und aus Julias Perspektive. Demgemäß haben Cummins Schilderungen immer wieder etwas Kindliches an sich oder auch etwas unfreiwillig Komisches. Das macht den Charme des Romans aus, kann aber auch als seine Schwäche ausgelegt werden, je nach Lesart. Der Roman kann als Abenteuerroman durchgehen. Früher abenteuerte man mit Winnetou und Old Shatterhand oder fuhr mit Huckleyberry Flüsse hinunter, heute abenteuert man mit den Migranten. Warum nicht? So ganz ernst nehmen kann ich Cummins Roman jedoch nicht. Dazu läuft es trotz aller Unbill zu glatt, die Protas sind unverletzlich und der Stil ist zu gefällig. Authentisch? Nicht so richtig.
Die Grausamkeiten und Unmenschlichkeiten, denen die Flüchtlinge begegnen, nicht nur Julia und Luca, sondern alle die vielen Hunderte von Menschen ... die Korruption der Polizei, die regelrecht Menschenjagden auf die Migranten veranstaltet, die Migranten, die illegal auf Güterzüge aufspringen und nach „el norte“ reisen, der Verrat der Einheimischen, die Rechtlosigkeit der Menschen, die sich nirgendwo beschweren können, die Entführungen und Erpressungen durch die Kartelle und Gangs, die Vergewaltigungen, der Hunger, der Durst, die Wanderungen durch die Wüste, die Unfälle – alles wird gemildert durch die kindliche Sicht. Und doch bleibt etwas Ernstes übrig und lässt die Leserschaft Empathie mit den Menschen empfinden, die aus unterschiedlichsten Gründen ihre Heimat verlassen mussten. Auf der Reise sind böse und gute Menschen zusammengewürfelt. Luca und Julia scheitern und stehen wieder auf. Ja, das ist ein wenig naiv. Man kann die Helden nicht wirklich umbringen, das geht nicht, das ist wie im Heldenfilm. Dann wäre der Film zu Ende. Nein, das Happyend ist programmiert. Vielleicht ist es da, was man dem Roman vorwerfen muss. Der Roman wirkt naiv. Da beisst die Maus keinen Faden ab, dennoch mag ich ihn.
Cummins zeigt uns dennoch diverse Migrantenschicksale. Dass sie dabei ein wenig auf die Tränendrüse drückt und gelegentlich pathetisch-sentimental bis kitschig rüberkommt, verzeihe ich für diesmal. Der Autorin gelingt es nämlich die Spannungskurve immer wieder hochzuhalten, eben, weil "American Dirt" eben eigenlich "nur" ein Abenteuerroman ist und nur bedingt, sagen wir mal so, erst auf zweiter Schiene die Migrantenschiene bedient - und uns die Autorin durch den süßen und tapferen Luca bezaubert. Die Sprache ist schlicht, aber immer angemessen.
Fazit: Sicher ein in gewisser Weise überzeichneter Abenteuer-Roman, dem die Gefahr droht ins Kitschige abzugleiten, der aber gut unterhält und Empathie weckt. Vielleicht ist das Thema zu ernst für Cummins eher naiv-süffige Schreibweise, andererseits ist der Roman auf diese Weise auch ganz hervorragend für Kinder ab 12 oder 13 geeignet, um sie mit leichterer Hand an die Thematik heranzuführen und sie nicht gleich mit der ganzen wuchtigen Dramatik der Migration zu erschlagen.
Kategorie: Abenteuerroman. Geeignet ab 13 Jahren
Hachette USA Company, 2019