Zornfried: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Zornfried: Roman' von Jörg-Uwe Albig
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Inhaltsangabe zu "Zornfried: Roman"

Tief im Spessart liegt die Burg Zornfried. Dort versammeln sich die Vordenker einer Neuen Rechten: ein Dichter, dessen Texte von Blut und Weihe triefen, ein völkisch philosophierender Waldgänger, ein Filmemacher, der sich als böses Genie inszeniert, und eine Gruppe kämpferischer junger Männer. Von der Aussicht auf eine spektakuläre Reportage werden jedoch auch immer wieder Journalisten angelockt – die sich bisweilen gefährlich weit auf das Spiel der Burgbewohner einlassen.

Jan Brock ist freier Reporter und schreibt für das Feuilleton der Frankfurter Nachrichten. Er sieht sich als Rebellen, kennt aber im Grunde nur ein Prinzip: Was es gibt, darüber muss man schreiben. Im Internet stößt er auf die schwülstigen Texte des rechten Dichters Storm Linné, die ihn gleichzeitig abstoßen und faszinieren. Als er erfährt, dass Linné mit anderen Vordenkern der Neuen Rechten auf einem tief im Wald verborgenen Rittergut names Zornfried lebt, macht er sich auf zu einer Reportagereise. Doch zwischen Schrumpfköpfen, Militariasammlungen, Kampfübungen, weihevollen Tafelrunden und Predigten über die Hierarchien des artenreinen deutschen Waldes verwischen zunehmend die Grenzen zwischen teilnehmender Beobachtung und beobachtender Teilnahme.
Jörg-Uwe Albig legt eine Satire über die neurechten Bewegungen unserer Gegenwart vor – und über die Medien, die deren Treiben mit sensationsfreudigem Eifer begleiten.

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:159
Verlag: Klett-Cotta
EAN:

Rezensionen zu "Zornfried: Roman"

  1. Verstörend faszinierend

    Unangenehm, ein bisschen sperrig, gespickt von trutzig-teutonischer Lyrik, verwirrend und für mich nicht durchgängig witzig ist die Satire „Zornfried“ von Jörg-Uwe Albig über den Journalisten Jan Bröck, der sich bei Recherchen zum Dichterfürsten Storm-Linné der Neuen Rechten zu verlieren droht.
    Nichts der im Buch erdachten Orte und Personen ist real, man könnte beim Lesen des Namens Zornfried mit seinem Burgherrn von Schierling zwar an Götz Kubitschek und das Rittergut Schnellroda denken. Doch vermutlich ist sowohl Burgname ein spielerischer Hinweis ebenso wie der Dichtername Storm Linné, zusammengesetzt aus Theodor Storm und Carl von Linné, dem aus Schweden stammenden Begründer der Klassifizierung von Pflanzen, was nach Aussage des Autors Albig irgendwie zur Rechten passen würde - Einteilung, Klassifizierung in Rassen. Namentlich ebenso symbolträchtig erscheint mir Freiherr von Schierling, Burgherr von Zornfried, namensgebend hier die giftigste Pflanze Deutschlands und alte Tötungsmethode - der Schierlingsbecher. Dazu gesellen sich mit Freya, Burglinde oder Teutonia als austauschbare Töchter von Schierlings und seiner Ehefrau Brigitte.
    Ergänzt wird die illustre Gesellschaft von Computer-verspeckten Möchtegern-Kämpfern, die im Burghof brüllen und sich schlagen, sich bei einer Antifa-Demo vor den Mauern der Burg gemeinsam mit den Burgbewohnern und reichlich Sekt auf dem Burgturm verschanzen, fröhlich ihre Unerreichbarkeit als Sieg feiernd, von Juristen, Studienräten, Burschenschaftlern, und böse-genialen Filmemachern die sich regelmäßig zur Tafelrunde und Gedichtrezitation Storm-Linnés versammeln.
    Dazwischen bewegen sich der Journalist Jan Brock und die Journalistin Jenny Zerwien von der Konkurrenz auf ihrer Reportagereise wie zwei Fremdkörper inmitten all des Deutschtums, beide Gefahr laufend, die Orientierung zu verlieren inmitten all der Teutonik, abstoßend und zugleich faszinierend weihevollen Waldgängen, Kampfesproben. Für Jan Brock drohen sich die Grenzen zwischen Beobachtung aus Abstand und dem Willen nach Teilnahme und Zugehörigkeit zu verwischen, doch in seinem allabendlichen Rückweg zum Gasthaus im nahegelegenen Wuthen verschafft er sich mit (ebenso erdachter) Musik von Shit Tsunami oder Braineaters wieder seine Erdung.
    Mehrere Tage begleitet Brock als freier Journalist den Burgherrn von Schierling auf dessen Einladung, nachdem er einen kruden Verriss der Lyrik von Storm-Linné verfasste, um einen intensiveren Eindruck vom schwülstig teutonisch-weihevollen Dichter Storm Linné zu erhaschen, mit angeborener Neugier und getreu seinem Motto, dass man über alles, was es gibt, schreiben muss, getreu seinen Vorbildern im Gonzo-Journalismus, die mit Rockern kifften und prügelten, um über sie zu berichten. Im Geiste ein solcher Rebell stolpert er dennoch in die Fallstricke, die seit Jahren von der Rechten ausgelegt werden, nämlich Publicity um jeden Preis zu bekommen. Er beginnt an den rechten Ritualen teilzunehmen, unbemerkt nickend, auf dem Burgturm heimlich am Sekt nippend, immer in der Hoffnung, dass es nicht gesehen und bemerkt wird...und er verschafft den Rechtsintelektuellen Vordenkern zumindest zeitweise genau das, was sie wollen.

    Richtig unheimlich und gruselig, markig-romantisch und erdig-blutig ist die kleingeschriebene Lyrik, die Jörg-Uwe Albig für den Roman schuf:

    „Und wenn auch brunst-geschmeiß und vieh die kirchen fluten
    Wenn hass aufs eigne schrill von den altären klingt
    Wenn üble priester mann und mann vermählen
    Und grauser chor der massen herrschaft singt
    So bleibt uns doch der größte dom von allen
    Wo wahrhaft frommer sang durch kuppeln hallt
    Wo licht durch säulen bricht und grüne ornamente
    So bleibt uns doch der ewig deutsche wald“

    Zum Glück umgibt diese mystifizierenden Gedichte mit perfektem Versmaß und Rhythmus eine bitterböse Satire, andernfalls könnten sie durchaus aus der Ultra-rechten Ecke stammen.
    Und natürlich ist der Roman trotz aller satirischen Persiflage auf die Homestories aus Schnellroda von einer entscheidenden Grundfrage geprägt: Wie weit darf journalistische Neugier gehen?
    Ich fand es nicht ausschließlich witzig, was ich gelesen habe. Aber gelesen werden muss dieses Buch meiner Meinung nach. An hellen Sonnentagen und weit weg vom Wald.