Yoga Town

Buchseite und Rezensionen zu 'Yoga Town' von Daniel Speck
3
3 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Yoga Town"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:480
Verlag: FISCHER
EAN:9783949465048

Rezensionen zu "Yoga Town"

  1. 3
    05. Nov 2024 

    Selbstfindung in Rishikesh...

    2019. Eine Berliner Yogalehrerin, die noch nie in Indien war. Ihr liebevoller Vater, der in der Vergangenheit hängt. Und ihre Mutter, die spurlos verschwindet. Lucy und ihr Vater Lou gehen auf die Suche, zurück an den Ort, wo alles begann. --- 1968. Zwei Brüder und zwei Frauen fahren auf dem Hippie-Trail nach Indien. In Rishikesh am Fuß des Himalayas treffen sie ihre Idole, die Beatles. Und den Pop-Guru Maharishi. Sie haben die beste Zeit ihres Lebens. Aber nur zwei von ihnen kehren zurück. Lou hat etwas Unverzeihliches getan. Und Corinna ist schwanger. Als ihre Tochter geboren wird, schwören sie, ihr Geheimnis niemandem zu verraten. (Verlagsbeschreibung)

    Erzählt wird die Geschichte in zwei Zeitebenen. In der Gegenwart (2019) ist es die Yogalehrerin Lucy, die momentan nicht weiß wo sie steht und die sich in einer ernsthaften Lebenskrise befindet. Sie hat ihren Mann und die Kinder verlassen, weil sie an sich selbst zweifelt, und muss sich mit der Tatsache abfinden, dass ihre Eltern allmählich alt werden. Als ihre Mutter verschwindet und sich herausstellt, dass sie nach Indien geflogen ist, beschließen Lucy und ihr Vater, ihr zu folgen. In der Vergangenheit (1968) ist es Lou, der sich mit seinem Bruder und seiner Freundin auf den Weg nach Indien macht, wo sie zunächst auf die Anhalterin Corinna treffen, die sich ihnen anschließt, und schließlich auf einen Ashram in Rishikesh und dort auch auf die Beatles.

    Dies ist eine Zweigenerationen-Geschichte, eine zweigeteilte Selbstfindungs-Erzählung. Abwechselnd in der Gegenwart und in der Vergangenheit verortet, entpuppen sich allmählich die Zusammenhänge, die lang gehüteten Geheimnisse und wie nebenher auch viel Hintergründiges über den Ashram des Gurus Maharishi sowie über die Beatles und die Entstehungsgeschichte so manch einer ihrer Songs des Weißen Albums. Pop- und Filmgrößen wie Donovan und Mia Farrow tauchen hier als Nebenfiguren auf.

    Durch die unterschiedlichen Zeitebenen werden auch die Besonderheiten und das Lebensgefühl der verschiedenen Epochen deutlich. 1968 waren Lou und sein Bruder im strengen Grau des Nachkriegsdeutschlands aufgewachsen und setzten mit ihrer Indienfahrt einen deutlichen Kontrastpunkt. Sex and Drugs and Rock ’n‘ Roll , dazu ein altersschwacher VW Bulli, Meditation und eine Reise ins Innere, alles mit dem Ziel von Love and Peace. Hippies und Flower-Power - und dann: plötzlich ein Bruch. 2019 verkörpert Lucy die Orientierungslosigkeit der heutigen Zeit. Yoga liegt im Trend, sie gibt entsprechende Kurse, und doch war sie selbst noch nie in Indien, der Heimat des Yoga, und tatsächlich ist Lucy weit entfernt vom angestrebten "Peace of Mind". Als sie sich schließlich gemeinsam mit ihrem Vater nach Rishikesh begibt, beginnen die Zeitebenen zu verschwimmen, alte Krusten brechen auf, und Lucy erkennt, was das jahrzehntelange Schweigen ihrer Eltern für sie selbst für Auswirkungen hatte.

    Der Schwerpunkt liegt für mein Empfinden auf dem Handlungsstrang der Vergangenheit. Hier geschehen die bedeutsamen Dinge, die Einfluss auch auf die Gegenwart haben. Der Handlungsstrang der heutigen Zeit bietet eher eine Art Rahmenerzählung, in die das Ganze schließlich wieder mündet. Lucy ist am Ende jedenfalls nicht mehr die, die sie zu Beginn war. Die Stärke des Romans liegt vor allem in der geschaffenen Atmosphäre, was jedoch nicht über die wiederholt langatmigen Passagen der Selbstfindungsversuche hinwegtäuschen kann, die das Leseerlebnis für mich doch recht zäh gestalteten. Trotz des flüssigen Schreibstils plätscherte die Geschichte dadurch zu lange recht seicht vor sich hin.

    Alles in allem ein Roman für all diejenigen, die gerne in das Flair der Hippie-Zeit eintauchen wollen, Fans der Beatles und ihrer Songs sind und die Familiengeschichten mögen.

    © Parden

  1. Love and Peace and Yoga

    Mit „Yoga Town“ geht es im Bulli direkt hinein in die Sechziger Jahre, rein in das Lebensgefühl von Hippie, Flower Power und Peace – und wo könnte man dies besser ergründen als in einem Ashram in Rishikesh? Zwischen Guru, Beatles, den Beach Boys und anderer Prominenz spielt sich hier im Dschungel ein Liebesdrama zwischen den Brüdern Lou und Marc und den sie begleitenden Frauen ab, das auch Jahrzehnte später noch Auswirkungen auf die Yoga-Lehrerin Lucy hat. Auf den Spuren ihrer Elterngeneration und an der Seite von Lou begibt sie sich ebenfalls auf die Reise nach Indien um an ihrer ganz persönlichen Erleuchtung zu arbeiten.

    Man muss das „Love and Peace“-Feeling schon mögen, wenn man sich auf nach „Yoga Town“ macht, denn der größte Teil des Romans spielt in den Sechzigern und zeigt Rishikesh auf dem Höhepunkt der Hippie-Bewegung. Freie Liebe, Drogenexperimente, Transzendentalismus, Räucherstäbchen und esoterische Wege zum Glück durchwehen die Seiten – Daniel Speck hat das Lebensgefühl einer ganzen Generation mit ihrer heute kurios anmutenden Schrulligkeit perfekt eingefangen. Die Vergänglichkeit der Hippie-Bewegung, aber auch ihre Nachwehen, werden dabei von ihm überaus präzise mit der aktuellen Yoga-Bewegung kontrastiert, die sich bei genauerem Hinsehen gar nicht mal so stark von „Love and Peace“ unterscheidet.

    Im Gegenwarts-Teil spazieren Lou und Lucy durch ein Rishikesh, das von einem Yoga-Festival beherrscht wird, in dem Europäer und Amerikaner sich in Designer-Sport-Klamotten verbiegen, in der Erwartung mental und physisch entspannter loszulassen – Meditation (wie schon in der Hippie-Zeit) inklusive. Diese Kontrastierung bzw. Nebeneinanderstellung hat mir außerordentlich gut gefallen und mich wiederholt zum Schmunzeln gebracht – Indien als Sehnsuchtsort der inneren Weisheit: es gibt Dinge, die sich wohl nie ändern werden. Allein eine stärkere Ausformulierung der eigentlichen Kulisse hätte ich mir schon gewünscht. Rishikesh bleibt als Setting insgesamt etwas blass und das, wo gerade Indien in der Realität ja ein wahres Feuerwerk der Sinneseindrücke abliefert.

    Die Figurenzeichnung gelingt Speck hingegen überzeugend. Besonders das so ungleich anmutende Brüderpaar interessiert und fasziniert, Lou ist in seiner Entwicklung bzw. Nichtentwicklung ein durchaus vielschichtiger Charakter, denn der rationale und vernunftbegabte junge Mann rettet schließlich doch ausgesprochen viel Hippiegeschmack in die heutige Zeit und bleibt der Vergangenheit stets treu ergeben. Die Frauenfiguren erscheinen dagegen etwas schwächer, gerade in Bezug auf Corinna entsteht gar der Eindruck, als müsse sie künstlich mit einer Backstory versehen werden, um als Figur aufgewertet zu werden. Das größte Problem aber ist Lucy selbst, die eigentliche Protagonistin, die als Figur recht distanziert und spröde angelegt ist. Der Grund dafür ist, dass sie mit sich selbst nicht so wirklich klarkommt, leider färbt diese Tatsache auf das Leseerlebnis ab und so fehlte mir doch so manches Mal der rechte Zugang.

    Die Story selbst liest sich flüssig, aber so richtig mitreißend ist sie nicht. Denn es gibt zahlreiche Szenen, die sich ähneln. Oftmals scheint die Handlung nicht recht vom Fleck zu kommen und so wird der Roman insgesamt etwas langatmig – gelegentliche Straffung, die das grundlegende Dahinplätschern der Geschichte verhindert hätte, wäre angezeigt gewesen.

    So bleibt „Yoga Town“ eine Leseempfehlung für alle, die Zeit und Lust haben, tief in die Hippie-Zeit einzutauchen, denn es ist ein Roman der trotz der genannten Schwächen durchaus Spaß macht und immer wieder gute Unterhaltung bietet, vor allem wenn es um den Hauch des kritischen Kommentars auf unseren heutigen Lifestyle geht.