Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen: Roman
Dienstag, 25. Juli 2023
Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen Roman von John Ironmonger
Eine unbedacht ausgesprochene Wette verändert das Leben zweier Männer. Der Student und der Politiker wetten darum, was in 50 Jahren durch die Auswirkungen des Klimawandels passieren wird. Niemand hätte dieser Wette um Leben und Tod in einem kleinen Dorf in Cornwall Beachtung geschenkt, wäre sie nicht als Video viral gegangen. Obwohl Tom und Monty getrennte Wege gehen, gibt es eine Verbindung, die sie immer wieder zusammenführt.
John Ironmonger verpackt die Klimaängste unserer Zeit gekonnt in einen spannenden Zukunftsroman. Der Autor trifft den aktuellen Zeitgeist und legt den Finger in unsere aller Wunde, ohne dabei provokant oder belehrend zu wirken. Neben diesem wichtigen Thema begeistert Ironmonger durch eine wundervoll bildhafte Sprache. Die eisige Schönheit Grönlands wird eindrucksvoll beschrieben.
"Der flache Ozean war ein Flickenteppich aus wirbelnden Blautönen, mancherorts dunkel, mancherorts blass und manchmal beinahe grün oder türkis, als habe ein Künstler sämtliches Blau aus seinem Wasserfarbkasten auf eine weiße Leinwand gespritzt und die Oberfläche mit einer Eisschicht überzogen."
Durch Rückblicke und Zeitsprünge begleitet man die beiden Hauptprotagonisten insgesamt 70 Jahre ihres Lebens.
Dabei kämpft Tom sein Leben lang darum, Bewusstsein für den Klimawandel zu schaffen. Selbst als ihm die härtesten Schicksalsschläge treffen, gibt er nicht auf und setzt sich für seine Ziele ein. Es fällt nicht schwer, diesen Protagonisten sympathisch zu finden. Er begeistert nicht nur die Menschen im Buch, sondern auch die Lesenden dieser Geschichte.
Monty Causley verkörpert dagegen den vermeintlich typischen Politiker. Er steht in erster Linie selbst im Mittelpunkt. Er setzt sich nur dann für Themen ein, wenn sie ihm Wählerstimmen einbringen. Vom anfänglichen Klimaleugner schafft es Monty in das Amt des Umweltministers. Diesem Mann traut man alles zu und schenkt ihm keinesfalls sein Vertrauen.
Es ist offensichtlich, dass sich der junge Tom und der Politiker Monty nicht sonderlich gewogen sind. Ausgerechnet an ihrem gemeinsamen Geburtstag treffen sie in einem Pub aufeinander. Ein Wort gibt das andere und im Eifer des Wortgefechts voller gegenseitiger Beleidigungen schlägt Tom eine Wette vor, in der Monty fünfzig Jahre später während der Flut in seinem Wohnzimmer sitzen und durch den inzwischen gestiegenen Meeresspiegel ertrinken müsste. Sollte dies nicht eintreten, muss Tom seinem Leben im Meer ein Ende setzen.
Tom zieht es zusammen mit seiner bewundernswerten Frau Lykke nach Grönland, um für eine Forschungsorganisation das Abschmelzen der grönländischen Gletscher zu messen. Der Ort Qaanaaq oder "Ultima Thule" bedeutet nach alter Überlieferung "Das Ende der Welt". Der weiteste Punkt, an den man reisen kann.
Toms große Liebe Lykke ist eine starke und eindrucksvolle Persönlichkeit. Als Klimaaktivistin hat sie sich einen Ruf über alle Grenzen hinweg gemacht. "Ein unverdorbener Planet, ist das wertvollste Geschenk, das wir zukünftigen Generationen machen können". Sie hat die These aufgestellt, dass, wenn man die Erde in das Jahr 1820 zurückversetzt, es Hoffnung für die Rettung des Klimas geben kann. Die Kraft dieser Frau ist deutlich spürbar und es ist nachvollziehbar, dass sie viele in ihren Bann zieht. Mich hat sie auch begeistert.
"Es gibt in unserem Leben perfekte Momente. Momente, in denen jeder einzelne Würfel zu unseren Gunsten an seinen Platz fällt und sämtliche Ereignisse, die uns hinterrücks auflauern, sämtliches Glück und das Schicksal der Welt auf mysteriöse Weise ganz plötzlich zusammenpassen."
10 Jahre nach der Wette will Monty Tom um Auflösung der Wette bitten. Dabei verschweigt er den wahren Grund. Beim Treffen der Kontrahenten in Cornwall zieht ein Sturm auf, der dem Klimawandel geschuldet ist. Ein furchtbares Unglück geschieht, als ein ortsansässiger Fischer in Seenot gerät.
Danach verändert sich nicht nur Tom. In den eisigen Wänden eines Gletschers kommt es zu einer dramatischen Wendung, die auch Monty nicht unbeeindruckt lässt. Auch wenn die Naturbeschreibungen sehr gelungen sind, geht die Fantasie etwas mit dem Autor durch und meine Begeisterung wurde etwas gedämpft. Die Glaubwürdigkeit der Szenerie ist weit hergeholt, dient aber dazu, Monty aufzurütteln. Mir wäre es aber lieber gewesen, wenn der Politiker schon auf Toms Hinweis reagiert hätte:
Tom zu Monty als Premierminister:
"Sie sind der Fahrer eines Busses, eines Busses voller Menschen, und der Bus steht auf einem Bahnübergang und ein riesiger Güterzug kommt auf Sie zugerast, und Sie haben kostbare Sekunden damit vergeudet, den Rückspiegel einzustellen."
Unbedingt lesenswert ist auch das Nachwort des Autors, der noch einmal eindringlich einige Fakten darlegt, warum es so wichtig ist, etwas für unser Klima zu tun und warum wir es nicht den Politikern überlassen dürfen, Entscheidungen zu treffen.
"Die Politik lässt keinen Raum für Kompromisse, für die Zusammenarbeit mit der anderen Seite oder dafür, seine Meinung zu ändern."
Mich hat der Roman bewegt und abgeholt. Den Klimawandel als Rahmen zu verwenden, der deutlich sichtbar ist und die Handlung durchzieht, ohne anklagend oder belehrend auf die Leserschaft einzuwirken, ist hervorragend gelungen. Auch wenn ein einzelner die Welt nicht retten kann, kann doch viel bewegt werden. Es wäre schön, wenn in jedem ein wenig von Tom und Lykke stecken würde.
Tja, der Eisbär - das Sinnbild des Klimawandels prangt prominent auf dem Cover und im Titel des neuen Romans von John Ironmonger, der hier so etwas wie ein modernes Märchen vorlegt, dass an den Leser appelliert, sich mehr oder überhaupt zu engagieren. So wichtig dieser Aufruf, so bedeutsam die Auseinandersetzung mit der großen Bedrohung für uns alle ist - als Roman scheitert dieses Buch.
Ironmonger wollte nach eigener Aussage einen Roman über den Klimawandel schreiben und genau dieses Ansinnen merkt man dem Text an. Es wäre eventuell besser gewesen, der Autor hätte einfach ein Sachbuch zum Klimawandel geschrieben, dann hätte er sich nicht mit Figurenzeichnung und Handlungsführung auseinandersetzen müssen.
Stilistisch ist der Text eigentlich ganz ansprechend, allerdings nutzt sich der überbordende Ton der Cosiness doch schnell ab. Mir war das alles zu süß, zu hygge, zu Rosamunde Pilcher (obwohl ich die Romane früher einmal durchaus gern gelesen habe). Zwar versteht Ironmonger es durchaus, die Lebendigkeit und Schönheit einer warmen Sommerwiese detailliert aufs Papier zu bannen, aber die Gemütlichkeit und Beschaulichkeit des Hafenortes St. Piran ist dann irgendwann doch zu dick aufgetragen, auch wenn der Stil eventuell die Funktion erfüllen soll, dass wir uns die liebenswerten Aspekte unserer Welt bewusst machen.
Die Figurenzeichnung ist leider überaus oberflächlich. Die Merkmale der beiden Protagonisten (nein, dabei handelt es sich nicht um den Eisbären, der taucht nur kurz am Rande und dann nochmal für ca. fünf Seiten während eines dramatischen Kampfes auf) beschränken sich auf politisch-ideologische Ausrichtungen: Klimaschützer vs. Klimaleugner, angereichert durch ein bisschen Familienleben. Da fehlt es einfach an Komplexität und Tiefe für einen Roman, da braucht man schon ein bisschen mehr Stoff, wenn man den Leser bei der Stange halten will. Diese beiden Kontrahenten treffen im Abstand einiger Jahre immer wieder aufeinander, messen sich, beeinflussen sich, bekämpfen sich - stets unter dramatischen Rahmenbedingungen und in Situationen, die den Rahmen der Glaubwürdigkeit komplett aushebeln. Dazu bietet der Autor überspitzte, satirisch anmutenden Beobachtungen zum Politzirkus, die tatsächlich sehr unterhaltsam sind, dem Roman und seiner Handlung aber auch die Ernsthaftigkeit entziehen - so gern ich gerade diese Passagen gelesen habe, hatte ich doch den Eindruck, dass dieses Element die Aussagekraft des Romans schwächt.
Zusammengefasst: der Roman leidet darunter, dass der Autor sein Anliegen in Romanform an den Leser bringen wollte. Es ist sicherlich ein guter Gedanke eine Geschichte zu einem wichtigen Thema erzählen zu wollen, aber wenn die Message höher angesiedelt als der Text ist, kann einfach kein überzeugendes Buch daraus werden.
Wichtige Botschaft mit winziger Hoffnung...
In dem gemütlichen Pub eines winzigen Fischerdorfes in Cornwall kommt es am Mittsommerabend zu einer folgenreichen Zukunftswette zwischen einem Studenten und einem Politiker. Werden bald auch die 307 Bewohner des Dorfes zu spüren bekommen, wovor die Welt noch die Augen verschließt? Wird das Haus des Politikers in 50 Jahren vom Meer verschlungen werden? John Ironmonger erzählt von der dringendsten Aufgabe unserer Zeit, von einer Reise in die Arktis, von zwei schicksalhaft verbundenen Leben und nicht zuletzt von der großen Frage: Können aus Gegnern Verbündete werden, wenn es um unser aller Zukunft geht? (Verlagsbeschreibung)
Sie haben am selben Tag Geburtstag - der Student Tom Horsmith und der 20 Jahre ältere Politiker Montague Causley. Ansonsten haben sie nicht viel gemeinsam. Tom ist gerade während der Semesterferien zurück in seinem Heimatdorf St. Piran in Cornwall und feiert dort mit Freunden seinen Geburtstag im ortsansässigen Pub. Es ist jugendlicher Übermut, befeuert von einigen Pints, der Tom veranlasst, den ebenfalls anwesenden Motague anzusprechen. Der Politiker verkörpert alles, was Tom zuwider ist: eine arrogante Haltung, nichtssagendes Wahlkampfgeschwurbel und keinerlei Anbindung an das kleine Fischerdorf und seine Bewohner. Causley besitzt zwar ein Haus in St. Piran, nutzt es allerdings nur gelegentlich als Feriendomizil und vermietet es ansonsten an Touristen. Er selbst lässt sich im Dorf kaum einmal blicken.
Nun treffen sie also aufeinander, und Tom nutzt die Gelegenheit, um seinem Ärger auf Causley Luft zu machen. Er verwickelt den Politiker in einen Schlagabtausch über den Klimawandel, bei dem schnell deutlich wird, dass Causley zu den Klimaleugnern gehört, dies aber zu kaschieren versucht. Da er auf diese Diskussion nicht vorbereitet ist, gelingt das eher schlecht als recht, und als ihm schließlich eine Wette vorgeschlagen wird, in der es um den Stand des Meeresspiegels in 50 Jahren geht, bleibt ihm nichts anderes übrig, als darauf einzugehen, um sein Gesicht zu wahren. Dumm nur, dass ein Freund von Tom das Ganze per Handy mitgefilmt hat - und anschließend hochlädt. Causley befürchtet nicht zu Unrecht, dass dies seinem politischen Ansehen durchaus schaden kann...
Dies ist die Ausgangslage, und im Laufe der Jahre kommt es immer wieder zu Begegnungen zwischen Tom Horsmith und Montague Causley. Der Roman beleuchet im Folgenden die Situation 10, 25, 50 und 80 Jahre nach der Wette. Diese großen und oft auch abrupten Zeitsprünge bewirkten jedoch, dass ich immer wieder aus der Handlung und damit aus dem Lesefluss herausgerissen wurde. Dadurch bleiben leider auch die Figuren sehr blass und auf Distanz - die Hauptcharaktere werden zudem im Wesentlichen auf ihre politische und ideologische Einstellung reduziert (Klimaschützer vs. Klimaleugner), ansonsten erfährt man kaum etwas über sie. Der Klimawandel steht im Zentrum des Romans, viel Wissenswertes darüber wird hier transportiert, und auch die Naturschilderungen können begeistern. Die Handlung allerdings erscheint sehr reduziert und oberflächlich, vor allem der Mittelteil zog sich für mich elendig in die Länge. So habe ich wirklich lange gebraucht, um den Roman zu beenden.
Alles in allem für mich kein uneingeschränktes Lesevergnügen, jedoch eine wichtige Botschaft mit einer winzigen verbleibenden Hoffnung...
© Parden