Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt

Buchseite und Rezensionen zu 'Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt' von Jesmyn Ward
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Inhaltsangabe zu "Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt"

Autor:
Format:Kindle Ausgabe
Seiten:296
EAN:

Rezensionen zu "Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt"

  1. "Archaisches und Gegenwärtiges"

    Klappentext, gekürzt (Quelle: amazon):

    Jojo und seine kleine Schwester Kayla leben bei ihren Großeltern Mam and Pop an der Golfküste von Mississippi. Leonie, ihre Mutter, kümmert sich kaum um sie. Sie nimmt Drogen und arbeitet in einer Bar. Wenn sie high ist, wird Leonie von Visionen ihres toten Bruders heimgesucht, die sie quälen, aber auch trösten. Mam ist unheilbar an Krebs erkrankt, und der stille und verlässliche Pop versucht, den Haushalt aufrecht zu erhalten und Jojo beizubringen, wie man erwachsen wird. Als der weiße Vater von Leonies Kindern aus dem Gefängnis entlassen wird, packt sie ihre Kinder und eine Freundin ins Auto und fährt zur »Parchment Farm«, dem staatlichen Zuchthaus, um ihn abzuholen. Eine Reise voller Gefahr und Hoffnung.

    Mein Lese-Eindruck:

    Der Klappentext klingt, als handele es sich hier um einen Road Movie. Eine solche Einordnung greift entschieden zu kurz und wird dem Buch in keiner Weise gerecht.

    „Elend und Poesie, knochenharte Tatsachen, Geister und Magie, Archaisches und Gegenwärtiges, Leben und Tod … liegen ganz nah beieinander“, so die Süddeutsche Zeitung. Vor dem Leser entfaltet sich die Geschichte von drei Generationen einer schwarzen Familie im Mississippi-Delta. Drogen, Armut, Grausamkeit, Gefühlskälte, Ausgrenzung und der überall gegenwärtige Rassismus bestimmen ihren Alltag – aber auch Pflichtbewusstsein, Sorge und liebevolle Zuwendung zu den Anvertrauten. Mit wenigen Strichen zeichnet die Autorin ihre Personen, jeder der Akteure lebt und hat seine lebensbestimmende Geschichte.

    Die Autorin vermeidet eine zeitliche Einordnung, und dadurch erhält die Geschichte eine beklemmende Realität, die manchmal schwer auszuhalten ist.

    Die wiederholten Schilderungen von Erbrechen fallen in diesem Buch auf. Da kehrt sich das Innerste der Menschen nach außen – ein beklemmendes Bild.

    Das Buch beginnt mit einem alttestamentarischen Opferritual: der Schlachtung eines Ziegenbocks – und das Motiv des Opferrituals wird gegen Ende wieder aufgegriffen und in eine menschliche, zutiefst anrührendeTragödie eingebettet, bei der sich mentalen, seelischen Kräfteverhältnisse zwischen Enkel und Großvater umkehren.

    Dazu kommen die Geister der Vergangenheit, die zusammen mit den Ungeborenen die Lebenden umgeben und die die Hilfe der Lebenden brauchen, um ihre Geschichte zu Ende zu bringen und endlich „nach Hause“ zu kommen. Es sind schreckliche Schicksale, die sich hier auftun, archaisch, dunkel und gewaltig wie aus einem alten Mythos. Die krebskranke Großmutter, eine Heilerin, glaubt an christliche Heilige, aber auch an die Göttin Oya, „die Herrin der Winde, des Blitzes und der Stürme“ und kann schließlich nach einem fremdartigen Ritual sterben.

    Wunderschön erzählt wird die Liebe der beiden Geschwister, die die Hoffnungsträger in diesem Buch sind. Beide Geschwister leben in Verbindung mit ihren Vorfahren und erkennen im Gespräch mit den Toten mehr vom gegenwärtigen Leben. Es ist schließlich die kleine Schwester, die zusammen mit den Geistern ihr Lied singt: „Nach Hause“.

    Und die Sprache ! – ein Gesang wie der Gesang der kleinen Schwester, niemals larmoyant, aber immer einfühlsam.

    Ich bin begeistert, angerührt, betroffen von diesem wunderbaren Buch!