Long Island: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Long Island: Roman' von Colm Tóibín
3.5
3.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Long Island: Roman"

Ein Mann und eine Frau treffen sich nach fast zwanzig Jahren wieder – und stehen noch einmal vor der Entscheidung ihres Lebens. Eilis lebt in Long Island mit ihren Kindern und Tony, für den sie ihre Jugendliebe Jim in Irland zurückließ. Als sie erfährt, dass Tony sein uneheliches Kind in der gemeinsamen Familie aufziehen will, bricht sie in ihre Heimat auf. Dort holen sie ihre alten Gefühle ein. Mit atemberaubender Intensität und psychologischer Klarsicht erzählt Tóibín von dem Versteckspiel, das sich zwischen den ehemaligen Liebenden entspinnt. Der neue Roman des Autors von „Brooklyn“ ist ein Meisterwerk der Erkundung widersprüchlichster Gefühle: mitreißend, aufwühlend, unwiderstehlich.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:320
EAN:9783446279476

Rezensionen zu "Long Island: Roman"

  1. Eine Auszeit in Irland

    Kurzmeinung: Ich fühle Längen ...

    Eilis Lacey schwankte in ihrer Jugend zwischen zwei Männern. Da war einerseits der charismatische Tony in den Staaten und dann der in der irischen Heimat gebliebene Jim, ihre Jugendliebe.

    „Long Island“ setzt die Story von Eilis Firello aus „Brooklyn“ fort, was man aber nicht kennen muss, um die Story zu verstehen. Die Protagonistin hat Tony geheiratet, ihn in den Anfängen ihrer Beziehung mit Jim betrogen und sich schließlich doch für Tony und Familie in den Staaten entschieden. Seit 20 Jahren lebt sie dort mit der italienischstämmigen Familie von Tony. Sie lebt mit ihr und wird von ihr kontrolliert. Wöchentliche, ausgiebige Sonntagsessen mit allen sind Pflicht. Am Tisch hat man nett Konversation zu führen und den neuesten Klatsch durchzuhecheln. Konflikte sind unerwünscht.
    Als Eilis es wagt, ihrem Schwiegervater, der gerne Plattheiten heraushaut, zum Thema „wir sterben gerne für das Vaterland“ ernsthaft zu widersprechen, wird sie von ihrer Schwiegermutter unter einem fadenscheinigen Vorwand von der Pflicht weiterer Teilnahme an den sonntäglichen Veranstaltungen entbunden.
    Obwohl Eilis durchschaut, dass sie als „nichtitalienisches Element“ in der Familie nach all den Jahren immer noch keinen Stand hat, wenn es darauf ankommt, ist ihr der sonntägliche Freiraum lieber als Kampf um echte Anerkennung. Schließlich weiß sie sich von Tony geliebt. Das sollte reichen.
    Aber dann, kommts ganz dicke. Denn Tony hat sie betrogen und nicht nur das, er hat auch noch ein Kind gezeugt. Und auch nicht nur das, sondern, man erwartet von ihr, dass sie dieses Kind ihn ihrem Haushalt mit großzieht. Eilis packt ihre Koffer und haut ab nach Irland. Geht sie für immer oder nimmt sie sich nur eine Auszeit in der alten Heimat? Seit 20 Jahren war sie nicht mehr dort. Aber Irland ist Irland, dort stehen die Uhren still. Oder doch nicht?

    Der Kommentar und das Leseerlebnis:
    Die Handlung konzentriert sich schnell auf das Geschehen in Enniscorthy. Dort ticken die Uhren tatsächlich anders. Es hat sich nicht allzu viel verändert. Aber manches schon. Der Roman ist hier eher handlungsarm und dialoglastig und dreht sich um die Beziehung Eilis zu ihrer Familie und den alten Freunden. Diese haben, oh Wunder, nicht auf Eilis gewartet und Eigeninteressen entwickelt. Trotzdem bringt Eilis die Community durch ihre bloße Anwesenheit durcheinander.
    Konzipiert als verbindendes Mittelstück in der „Eilis Lacey Trilogie“ überzeugt Long Island nicht so richtig. (Dass es einen weiteren abschließenden Band geben muss, impliziert das Buch mit seinen ungelösten Angelegenheiten, aber ichs habs auch irgendwo gelesen, aber nicht verifiziert).
    Dass man sich vor häuslichen Problemen flüchtet und eine Auszeit nimmt, ist verständlich. Aber die Probleme dadurch lösen zu wollen, dass man denselben alten Fehler ein zweites Mal begeht, ist eine befremdliche Vorgehensweise. Und das ständige Gerangel um einen Kerl, der sich nicht klar positionieren kann, ist doch gegessen und nicht interessant genug für einen ganzen Roman. Und sollte Eilis nicht endlich mal ihre Probleme zu Hause angehen anstatt alte Lieben aufzuwärmen? Man spürt deutlich, dies wird (erst) im dritten Band geschehen. Diesen dritten Band würde ich gerne lesen, obwohl mir "Nora Webster" nicht besonders zusagte mit seiner altmodischen Protagonistin Nora. Colm Toibin sollte also künftig alles heraushauen, um mich endlich literatisch von sich zu überzeugen. Bist jetzt ist es noch nicht so weit. Go, Colm, go!

    Fazit: Ein Blick in das Innenleben der Figuren von „Brooklyn“ mit befremdlicher Problemlösungsstrategie. Liest sich freilich leicht weg und ist mit den alten Figuren von Brooklyn für die Fans desselben sicher spannend.

    Kategorie: Gute Unterhaltung
    Verlag: Hanser, 2024

  1. 4
    16. Jun 2024 

    Was wäre, wenn...? oder: Das Comeback einer Affaire

    So wie der Ire eines Tages plötzlich in Eilis` Leben poltert, so unerwartet direkt ist der Auftakt zu Colm Tóbíns Roman „Long Island“. Denn der Mann erschüttert mit ein paar wenigen Worten Eilis` heile Welt in ihren Grundfesten: Ihr Mann Tony, mit dem sie seit mittlerweile 20 Jahren verheiratet ist und mit dem sie zwei Kinder hat, hat nicht nur eine Affaire mit einer verheirateten irischen Frau, er hat sie auch geschwängert. Eilis, die seit ihrer Heirat mit Tony ein Teil seiner italienischen Großfamilie wurde, wird von der Entscheidung bezüglich des Kindes vor vollendete Tatsachen gesetzt: Tony uns seine Familie planen, das Kind in ihrer Familie aufzuziehen. Völlig überrumpelt von Tonys Betrug und der Entscheidung, die ohne sie und letztlich gegen ihren Willen getroffen wurde, reist Eilis nach Irland, vordergründig, um ihre Mutter zu besuchen, die bald 80 Jahre alt wird. Man könnte es auch eine Flucht nennen, statt eines Besuchs. In Irland trifft Eilis jedoch nicht nur auf ihre alte Freundin Nancy, sondern auch auf Jim, den sie einst vor 20 Jahren in Irland zurückgelassen hat. Damals, als sie nach dem Tod ihrer Schwester das erste Mal seit ihrer Auswanderung nach Amerika zurückkehrte und mit Jim anbandelte. Eine nie ausgelebte Affaire, eine flüchtige Liebe, eine Möglichkeit.
    Im starken Gefühlschaos, das Tonys Seitensprung, das uneheliche Kind, das abweisende Verhalten von Eilis` Mutter und die Rückkehr in die Heimat bei ihr hinterlassen, wendet sich Eilis Jim zu. Jim, der scheinbar nur darauf gewartet hat, das Eilis zurückkehrt. Und doch nicht gänzlich frei ist, denn er und Nancy, die bald die Hochzeit der Tochter feiert, sind heimlich ein Paar und planen ihre Hochzeit. Eine Amour fou entspinnt sich, die durch Heimlichkeiten und unausgesprochene Wünsche auf einen Abgrund zuzusteuern droht.
    Auch wenn mir „Brooklyn“, das Vorgängerbuch, insgesamt besser gefallen hat, ist „Long Island“, hier in der Übersetzung von Giovanni und Ditte Bandini, durchaus lesenswert. Der unaufgeregte, langsame, erzählerische Stil gefällt mir gut, denn was mich immer sehr abschreckt sind romantische Kitschromane und Schmonzetten.
    Die Idee der Fortsetzung an sich von Eilis` Leben, diesmal die Flucht von Amerika zurück in die Heimat und das Wiederaufkeimen einer einstigen, einer nie tatsächlich verwirklichten Liebe gefällt mir.
    Und die Tatsache, dass ich mich trotz vorhersehbarer Handlung zu keiner Zeit gelangweilt habe, spricht für das Buch. Es hat keine nennenswerten Längen und der Einsatz unterschiedlicher Perspektiven macht es trotz der begrenzten Handlung sehr lebendig. ‚
    Und last but not least erzählt das Buch eine Geschichte aus dem Leben. Eine Geschichte, wie sie einem beliebigen Paar tatsächlich passieren könnte. Keine Heldenmotive, kein nerven zerfetzender Krimi, keine überbordende Liebesgeschichte mit einem völlig unrealistischem Happy End.
    Die Hauptcharaktere sind für mich alle gut ausgearbeitet und – besonders durch Kenntnis des Vorgängerbuchs – absolut nahbar. Auch wenn ich ihre Entscheidungen nicht gut finde, weil ich sie anders getroffen hätte, sind es Entscheidungen, die ihrem Charakter entsprechen. Schwierig ist, dass so viel zwischen ihnen unausgesprochen bleibt. Aber sind wir mal ehrlich, dass ist doch bei vielen Menschen auch so. Und auch wenn wir selber vielleicht zu den sehr offenen Menschen gehören, kennt jeder von uns jemanden, aus seinem Bekanntenkreis, der auch mehr hinterm Berg hält, als gut für ihn ist. Zusammengefasst finde ich das Buch durchaus lesenswert und zwar nicht nur für Romantik-Fans. Auch wenn das Ende recht abrupt kam und die Geschichte letztlich voraussehbar war, hat mich die Erzählstil und die Realitätstreue insgesamt überzeugt.